Dänemark 13.11.2006

Journalisten droht Haft wegen veröffentlichter Geheimdienstinformationen

Reporter ohne Grenzen verurteilt die Anklage gegen die drei dänischen Journalisten der Tageszeitung „Berlingske Tidende“, Niels Lunde (Herausgeber), Michael Bjerre und Jesper Larsen (beide Reporter). Sie müssen sich wegen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" verantworten, weil sie dänische Geheimdienstinformationen über die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak veröffentlicht hatten. Die Höchststrafe beträgt zwei Jahre Freiheitsentzug. Eine Urteilsverkündung wird nicht vor Ende des Monats erwartet.

Es ist das erste Mal, dass in Dänemark Journalisten für ein derartiges Vergehen angeklagt werden. Das Land hatte bisher einen ausgezeichneten Ruf für sein hohes Maß an Pressefreiheit.

„Journalisten haben die Pflicht, im öffentlichen Interesse zu handeln und zu informieren. Durch die Enthüllungen der Journalisten konnte die dänische Öffentlichkeit die Entscheidung der Regierung, sich am von den USA geführten Krieg gegen den Irak zu beteiligen, in einem neuen Licht sehen", so Reporter ohne Grenzen. „Wir hoffen, dass die drei Journalisten freigesprochen werden. Ansonsten wird hier ein sehr negativer Präzedenzfall für die Pressefreiheit geschaffen."

Frank Grevil, jener Offizier der militärischen Geheimpolizei, der Auszüge der als vertraulich gekennzeichneten Berichte den Journalisten zur Verfügung stellte, war letztes Jahr zu vier Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden. „Die Journalisten können nicht für die Lücken, die das Verteidigungsministerium offensichtlich hat, verantwortlich gemacht werden", so ROG weiter.

Die vertraulichen Informationen waren am 22. und 23. Februar 2004 veröffentlicht worden. Der Inhalt: Vor dem Einmarsch im Irak im Jahr 2003 soll es keine glaubwürdigen Informationen über die Existenz von Massenvernichtungswaffen gegeben haben. Deren angebliche Existenz aber war das Hauptargument von Premierminister Anders Fogh Rasmussen gewesen, mit den USA zu koalieren und an dem Krieg teilzunehmen.

Am 26. April 2004 war eine Untersuchung gegen die Verfasser des Artikels, Bjerre und Larsen, initiiert worden. Es bestand der Verdacht auf „Veröffentlichung von Material, das illegal von einer Drittperson zugespielt wurde“, was laut Artikel 152-d des Strafgesetzbuches zu ahnden ist. Wären sie aufgrund dieses Vergehens angeklagt worden, hätte das eine Höchststrafe von sechs Monaten Freiheitsentzug bedeutet. Nun werden sie für das schwerwiegendere Vergehen „Gefährdung der Staatssicherheit“ angeklagt.

2006 mussten sich in Westeuropa bisher - der Fall Berlingske Tidende mitgerechnet - sechs Journalisten wegen der Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen vor Gericht verantworten.

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Katrin Evers
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