Russland 09.02.2024

Berichterstattung über Proteste unerwünscht

In Moskau wurden fast 30 Journalisten festgenommen.
Unabhängige Berichterstattung unerwünscht: Während einer Protestaktion in Moskau wurden fast 30 Journalisten vorübergehend festgenommen. © André Ballin | picture alliance / dpa

Sie waren anhand ihrer gelben Westen mit der Aufschrift „Presse“ gut zu erkennen: Am 3. Februar wurden in Moskau mindestens 20 Journalisten auf dem Manege-Platz vor dem Kreml festgenommen. Sie berichteten über eine Demonstration von Ehefrauen und Partnerinnen in der Ukraine kämpfender Soldaten. Die Polizisten hatten es offenbar gezielt auf männliche Medienschaffende abgesehen, meldeten mehrere Medien übereinstimmend. An der Protestaktion teilnehmende Soldatenfrauen wurden nicht festgenommen.

„Wir sind alarmiert über diesen gezielten Versuch, Medienschaffende einzuschüchtern, sagt Katja Gloger, RSF-Vorstandssprecherin. „Mit den Festnahmen sendet der Kreml wenige Wochen vor den Präsidentenwahlen ein klares Signal an die russischen, aber auch die ausländischen Medien: Berichterstattung über Proteste ist unerwünscht und soll unterdrückt werden!“

Auch Mitarbeiter von Staatsmedium verhaftet

Unter den Festgenommenen befanden sich unter anderem Journalisten der Wirtschaftszeitung Kommersant und der unabhängigen Internetportale Sota.Vision und RusNews. Auch Mitarbeiter eines von der Polizei nicht näher genannten Staatsmediums sowie des Online-Portals Ostoroschno Nowosti (Vorsicht Nachrichten) der vom Kreml protegierten Journalistin Ksenija Sobtschak wurden festgenommen. Die Festnahmen trafen zudem russische Mitarbeiter ausländischer Medien: Zu ihnen gehören beispielsweise der Fotograf Dmitrij Serebrjakow, welcher für das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel arbeitet, sowie ein Videojournalist der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Die Journalisten wurden in einen Polizeiwagen gezwungen, Polizisten nahmen ihnen Kameras und Mobiltelefone ab. Anschließend wurden sie zum nächstgelegenen Polizeirevier gebracht. Ein Anwalt des Menschenrechts- und Medienprojekts OVD-Info durfte nicht mit den Festgenommen sprechen. Kurz darauf nahmen Beamte sieben weitere Journalisten vor Wladimir Putins Wahlstab fest, wohin die Demonstration weitergezogen war. Unter ihnen war der Journalist Andrej Sajkow, der für den japanischen Fernsehsender Fuji TV arbeitet. Die Medienschaffenden wurde in eine örtliche Abteilung des Innenministeriums gebracht. Nach mehreren Stunden kamen beide Gruppen von Festgenommenen wieder frei.

Kreml behindert Wahlberichterstattung

Im Vorfeld der im März stattfindenden Präsidentenwahlen machte der Kreml auch auf andere Weise deutlich, dass unabhängige Berichterstattung unerwünscht ist. So unterschrieb Präsident Wladimir Putin im November 2023 ein Gesetz, das freiberufliche Medienschaffende und Mitarbeitende verfolgter Exilmedien von der Berichterstattung in den Wahllokalen ausschließt. In diesen dürfen dem Gesetz zufolge nur Journalistinnen oder Journalisten arbeiten, die einen in Russland gültigen Arbeitsvertrag mit einer Redaktion vorweisen können.

Außerdem liegt Präsident Wladimir Putin seit dem 7. Februar ein Gesetz zur Unterschrift vor, das auch für Medienschaffende drastische Konsequenzen hätte. Der Gesetzesentwurf sieht Enteignungen für eine Reihe von Straftaten vor, darunter auch Verstöße gegen die Militärzensur. Dieser zufolge können seit März 2022 die Verbreitung angeblicher Falschinformationen über die russische Armee oder deren Diskreditierung mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Beide Vorwürfe machen eine unabhängige Berichterstattung über den Krieg gegen Ukraine aus Russland weitgehend unmöglich.

Präsident deutet Austausch von Evan Gershkovich an

In einem in der Nacht zum 9. Februar 2024 ausgestrahlten Interview mit dem rechten US-Moderator Tucker Carlson stellte der russische Präsident eine mögliche Freilassung des US-Reporters Evan Gershkovich in Aussicht. „Wir sind bereit, das Problem zu lösen, aber es gibt bestimmte Bedingungen, die zwischen den Geheimdiensten diskutiert werden“, sagte Putin. „Ich glaube, dass eine Einigung erzielt werden kann". Der Russlandkorrespondent des Wall Street Journal wurde im März 2023 wegen Spionagevorwürfen in Jekaterinburg festgenommen und sitzt seitdem im Moskauer Lefortowo-Gefängnis in Untersuchungshaft. Dieses ist für die fast vollständige Isolation seiner Insassen bekannt. Putin deutete in dem Gespräch mit Carlson an, im Gegenzug für Gershkovich die Freilassung von Wadim Krassikow von Deutschland zu verlangen. Der russische Geheimdienstmitarbeiter wurde 2021 wegen Mordes des georgischen Staatsbürgers Tornike Changoschwili im Berliner Tiergarten zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva des US-Senders Radio Free Europe/Radio Liberty (RFERL) blieb in dem Gespräch unerwähnt. Die Medienschaffende wurde im Oktober 2023 in Kasan festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Ihr wird vorgeworfen, sich nicht als ausländische Agentin registriert zu haben, als sie im Mai 2023 nach Russland einreiste.

In der Rangliste der Pressefreiheit belegt Russland Platz 164 von 180 Staaten.

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