Griechenland 03.05.2021

Polizei muss Journalisten glaubhaft schützen

Männer in weißen Schutzanzügen
Spurensuche zum Mord an Giorgos Karaivaz © picture alliance / ANE / Eurokinissi / Giannis Panagopoulos

Nach dem Mord an einem Polizeireporter in Athen am 9. April und Berichten über Morddrohungen gegen einen weiteren Journalisten in der vergangenen Woche fordert Reporter ohne Grenzen die griechische Polizei auf, Medienschaffende besser zu schützen. Zwei Wochen nach dem Mord an dem Journalisten Giorgos Karaivaz machte Kostas Vaxevanis, Eigentümer der Zeitung Documento, öffentlich, er habe Grund zu der Annahme, dass auch auf ihn ein Auftragsmörder angesetzt wurde. Wie Karaivaz hat auch Vaxevanis immer wieder zu den Themen Polizei und Korruption in Griechenland recherchiert.

„Die griechische Polizei muss glaubhaft machen, dass Journalistinnen und Journalisten ihr vertrauen und sich auf sie verlassen können“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Das geht nur, wenn diejenigen, die den Mord an Giorgos Karaivaz in Auftrag gegeben und ausgeführt haben, rasch ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden. Auch müssen die Behörden den Rechercheergebnissen von Karaivaz und Vaxevanis über Korruption im Staatsapparat gründlich nachgehen.“

Recherchen zu Korruption und umstrittenem Polizeischutz

Karaivaz hatte zuletzt zu einer Gruppe von Kriminellen und Polizeikräften recherchiert, die angeblich Schutzgeld bei Nachtclubs erpresst hatten. Documento hatte kürzlich über einen Fall von Polizeikorruption berichtet.

Wie Karaivaz hatte Vaxevanis zudem über die umstrittene Entscheidung berichtet, dem mäßig bekannten Fernsehmoderator Menios Fourthiotis nach angeblichen Morddrohungen umfassenden Polizeischutz zu gewähren. Diese Entscheidung wurde nach massiver Kritik zurückgezogen; auch kam der Verdacht auf, dass die Anschläge auf Fourthiotis inszeniert worden waren. Anschließend soll der Moderator andere Personen angestiftet haben, eine Schussattacke auf sein Haus zu inszenieren. Fourthiotis wurde zusammen mit zwei weiteren Personen am 27. April wegen „krimineller Verschwörung“ festgenommen und auch im Zusammenhang mit dem Mordkomplott gegen Vaxevanis befragt. Vaxevanis hatte erklärt, ihm sei zugetragen worden, Fourthiotis habe Auftragskiller auf ihn angesetzt.

Obwohl der griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis nach dem Mord an Polizeireporter Giorgos Karaivaz „rasche Ermittlungen“ versprochen hatte, haben die Behörden bisher lediglich festgestellt, dass die Spuren in die Kreise der organisierten Kriminalität führen, über die Karaivaz vertrauliche Informationen gehabt haben soll. Zudem identifizierten die Behörden die Person, die Karaivaz bedroht hat, brachten die Person jedoch nicht mit dem Mord in Verbindung.

Medienschaffende misstrauen der Polizei

Das Misstrauen von Journalistinnen und Journalisten in Griechenland gegenüber der Polizei wurde zuletzt nicht nur von Korruptionsverdachtsfällen genährt, sondern auch von Polizeigewalt und willkürlichen Festnahmen, denen Medienschaffende ausgesetzt waren, während sie über Proteste oder die Flüchtlingskrise auf den griechischen Inseln berichteten. Die Verabschiedung neuer nationaler Richtlinien für das Verhältnis von Medien und Polizei auf Demonstrationen hat weiter zur Sorge um die Lage der Pressefreiheit in Griechenland beigetragen.

In dem Text, in dem er berichtete, dass seine Ermordung in Auftrag gegeben worden sei, schrieb Vaxevanis: „Das Letzte, was ich tun würde, wäre, zur Polizei zu gehen.“ Obwohl Innenminister Charis Kastanidis bestätigt hat, dass Polizeischutz für ihn veranlasst wurde, sagt Vaxevanis, dass er „in einem korrupten Staat lebt, dem man nicht vertrauen kann“. Andere Medienschaffende, mit denen RSF nach dem Mord an Karaivaz sprach, äußerten sich ähnlich und verwiesen auf das mangelnde Interesse der Institutionen am Schutz von Journalistinnen und Journalisten.

Vor dem Mord an Giorgos Karaivaz war zuletzt vor elf Jahren in Griechenland ein Journalist ermordet worden. Sokratis Giolias betrieb den privaten Radiosender Radio Thema 98.9 FM und berichtete ebenfalls über Korruption. Er wurde im Juli 2010 vor seinem Haus erschossen. Eine linksextremistische Gruppe bekannte sich zu der Tat, die allerdings bis heute nicht aufgeklärt ist.

Auf der neuen Rangliste der Pressefreiheit steht Griechenland auf Platz 70 von 180 Ländern. Gegenüber 2020 hat sich das Land um fünf Plätze verschlechtert.



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