Vietnam 21.09.2021

Protest gegen Social-Media-Sperren

© picture alliance / Ostalb Network

Reporter ohne Grenzen, Exiljournalistinnen aus Vietnam und Unterstützer haben vor der Facebook-Deutschlandzentrale in Berlin gegen das Sperren journalistischer Inhalte in sozialen Netzwerken protestiert. Insbesondere  Bloggerinnen und Journalisten aus Vietnam, die im Exil in Deutschland leben, sind davon betroffen, aber auch aus Ländern wie Russland und der Türkei. Zunehmend beugen sich die Plattformen dem Druck autoritärer Staaten und sperren Inhalte, die die Regime kritisieren.

„Facebook muss sich seiner Verantwortung bewusst sein, sich klar zur Pressefreiheit bekennen und darf sich Zensurvorgaben autoritärer Regime nicht beugen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten. Mit mindestens 40 inhaftierten Journalistinnen und Journalisten rangiert Vietnam zudem an dritter Stelle auf der Liste der Länder, in denen die meisten Medienschaffenden wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sind. Nur in China und Myanmar sind es mehr. Um die Inhaftierungen zu rechtfertigen, greift das Regime auf Vorwände wie „Propaganda gegen den Staat“ oder „Aktivitäten, die den Sturz der Regierung herbeiführen sollen“, zurück, die mit langen Haftstrafen geahndet werden können. Die bekannte vietnamesische Bloggerin und RSF-Preisträgerin Pham Doan Trang befindet sich seit mehr als zehn Monaten in Haft. Wegen angeblicher „Propaganda gegen den Staat“ drohen ihr bis zu 20 Jahre Gefängnis. 

Neben den starken Einschränkungen vor Ort versucht das Regime in Hanoi zudem, den Nachrichtenfluss außerhalb der eigenen Landesgrenzen zu kontrollieren: Nach RSF-Informationen hat die vietnamesische Regierung auch Exiljournalistinnen und -journalisten im Visier, beobachtet kritische Stimmen auf Facebook und YouTube und missbraucht den digitalen Raum, um kritische Stimmen im Ausland zu unterdrücken. In den vergangenen Jahren hat RSF mehrmals angeprangert, dass Facebook regierungskritische Beiträge vietnamesischer Medienschaffender in Deutschland gesperrt hat. Als Gründe für das eigene Vorgehen nannte das soziale Netzwerk entweder eine angebliche Verletzung der Community Standards oder „lokale rechtliche Beschränkungen“.

Facebook löscht Artikel eines in Berlin lebenden Journalisten

Betroffen ist unter anderem der in Berlin lebende vietnamesischen Journalist Trung Khoa Le. Er betreibt die Nachrichtenseite thoibao.de, die über politische Entwicklungen in Vietnam berichtet, und teilt seine Beiträge auch mit den mehr als 100.000 Abonnentinnen und Abonnenten auf Facebook. Er ist ein wichtiger Teil der Gegenöffentlichkeit zu den staatlich zensierten Medien in Vietnam. Rund 80 Prozent seiner Nutzer leben in Vietnam, wo die Seite thoibao durch eine Firewall von den Bildschirmen verbannt ist. Der Ausweg: eine Veröffentlichung seiner Beiträge auf Youtube und Facebook. Das soziale Netzwerk ist in Ländern wie Vietnam auch deshalb so populär, weil staatliche Zensur hier über klassische Wege nicht greift. Regierungen haben nur die Option, ein soziales Netzwerk als Ganzes zu sperren – doch davor schrecken sie meist zurück. Soziale Medien wie Facebook eröffnen daher in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit vielen Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit einer freien Berichterstattung.

Doch seit zwei Jahren werden Medieninhalte von Facebook und Youtube immer wieder auf Verlangen der Hanoier Regierung gelöscht. Seit August geschieht das systematisch. Inzwischen sind 40 Prozent seiner Beiträge davon betroffen, manche sind schon nach 48 Stunden nicht mehr sichtbar. Betroffen sind auch die im deutschen Exil lebenden Blogger Bui Thanh Hieu und Nguyen Van Dai. Der Menschenrechtsanwalt verwies in seiner Ansprache vor der Facebook-Zentrale im Berliner Sony-Center auf das universelle Recht auf freie Meinungsäußerung: „Dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Die Tatsache, dass unsere Artikel und Videos in Vietnam blockiert sind, beraubt Millionen Vietnamesinnen und Vietnamesen des Rechts und der Möglichkeit, sich über Menschenrechte, Politik, Demokratie und bürgerliche Freiheiten zu informieren.“

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