Ungarn
26.06.2025
Verleumdungskampagne der Regierung gegen RSF
Die ungarische Regierung greift Reporter ohne Grenzen (RSF) und den ungarischen RSF-Korrespondenten Szabolcs Vörös mit einer systematischen Verleumdungskampagne an. Beide Fälle zeigen exemplarisch, wie sich staatlich orchestrierte Diffamierungen gegen unabhängigen Journalismus in Ungarn mittlerweile institutionalisiert haben. Reporter ohne Grenzen fordert die Europäische Union (EU) eindringlich auf, sämtliche ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel zu mobilisieren, um den Schutz unabhängiger Medien in Ungarn sicherzustellen.
Auslöser der Kampagne war zunächst ein Interview von Szabolcs Vörös mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das am 10. Juni im unabhängigen Online-Medium Válasz Online erschien. Bereits einen Tag später veröffentlichte das ungarische „Amt für den Schutz der Souveränität“ – eine 2024 gegründete Behörde mit angeblichem Auftrag zum Schutz nationaler Interessen – eine diffamierende Erklärung auf seiner Website. Darin wurde das Interview als „Erfolg der ukrainischen Propagandamaschine“ bezeichnet. Zudem wurde behauptet, internationale Organisationen wie das europäische Journalismus-Netzwerk n-ost, das EU-kofinanziert ist, hätten Vörös’ Arbeit unterstützt. Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky verstärkte die Anschuldigungen öffentlich und warf Válasz Online am 17. Juni „ausländische Finanzierung“ vor – eine Behauptung, die das Medium entschieden zurückweist und wegen der es nun Klage einreicht.
Im Zuge der Eskalation wurde auch Reporter ohne Grenzen selbst zur Zielscheibe. Im regierungsnahen Medium Mandiner wurde das absurde Narrativ verbreitet, RSF werde gleichzeitig von George Soros und der US-amerikanischen CIA unter Donald Trump finanziert. Zudem wurde RSF-Korrespondent Szabolcs Vörös mit Islamismus in Verbindung gebracht – unter anderem wegen eines Interviews, das er 2018 dem Sender Al-Jazeera gegeben hatte.
„Wenn staatliche Institutionen wie im Fall der Diffamierung von Szabolcs Vörös gegen einzelne Journalistinnen, Reporter und Medien eingesetzt werden, ist eine neue Stufe der Repression erreicht“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die EU muss dem entgegentreten – nicht mit Symbolpolitik, sondern mit entschlossenem Handeln.“
In dem Mandiner-Artikel wurden Pavol Szalai, Leiter des EU- und Balkan-Büros von RSF in Paris, und weitere Teammitglieder als „Agenten“ bezeichnet, die „eine neue Kampagne gegen [ihr] Land gestartet“ hätten, mit dem „klaren Ziel, EU-Bürokraten zur Bestrafung Ungarns einzuladen“. Der Artikel bezog sich insbesondere auf eine RSF-Erklärung, in der die Europäische Kommission aufgefordert wurde, „alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um das Wenige, das von der Pressefreiheit in Ungarn übrig geblieben ist, zu schützen“, sollte das ungarische Parlament einen neuen, hoch umstrittenen Gesetzesvorschlag annehmen.
Dieser Gesetzentwurf aus den Reihen der Regierungspartei Fidesz sieht vor, dass Organisationen und Medien, die aus dem Ausland – darunter auch von der EU – finanziert werden, als „Gefahr für die nationale Souveränität“ eingestuft und mit Bußgeldern belegt werden können. Zuständig für die Durchsetzung wäre ausgerechnet das Souveränitätsamt. Auf Druck der EU-Kommission wurde die parlamentarische Beratung des Gesetzes zwar auf Herbst verschoben. Doch angesichts der systematischen Angriffe auf unabhängige Medien ist weiterer Druck auf die ungarische Regierung dringend geboten.
Ungarn unterliegt seit 2018 einem EU-Verfahren nach Artikel 7 wegen Verstößen gegen die Werte der Union, unter anderem wegen Eingriffen in die Pressefreiheit. Eine Einigung der Mitgliedsstaaten auf Sanktionen blieb zuletzt jedoch erneut aus.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2025 von Reporter ohne Grenzen belegt Ungarn Platz 68 von 180 Ländern und Territorien.
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