Irak 08.04.2003

Reporter ohne Grenzen: Bestürzung über hohe Zahl getöteter Journalisten seit Kriegsbeginn

Bei einem irakischen Raketenangriff südlich von Bagdad sind am Montag der Focus-Reporter Christian Liebig und der Journalist Julio Anguita Parrado, der für die spanische Tageszeitung El Mundo arbeitete, ums Leben gekommen.

Die beiden "embedded correspondents" befanden sich im Hauptquartier der 3. Infanteriedivison, als eine Rakete einschlug und die beiden Journalisten sowie zwei Soldaten tötete.

Auch der heutige Dienstag forderte zwei neue Todesopfer unter den Journalisten. Der Kameramann Tarek Ajub wurde bei einem Bombenangriff der US-Luftwaffe auf die Büros der beiden arabischen Fernsehsender Al Dschasira und Abu Dhabi TV tödlich verletzt, wie Al Dschasira mitteilte.

Beim Angriff von US-Truppen auf das Hotel "Palestine" in Bagdad, in dem derzeit fast alle ausländischen Medienvertreter untergebracht sind, starb nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters der ukranische Kameramann Tats Protsyuk.

Damit erhöht sich die Zahl der getöteten Journalisten, die aufgrund von Kriegshandlungen ums Leben kamen, am 20. Kriegstag auf insgesamt acht. Zwei weitere Journalisten starben während ihres Einsatzes im Kriegsgebiet, jedoch nicht im Zusammenhang mit den Kämpfen. Ein Medienmitarbeiter kam ebenfalls zu Tode. Zwei weitere Journalisten werden vermisst.

"Wir sind bestürzt über den Tod von Christian Liebig und die vielen Opfer, die der Krieg unter den Journalisten fordert", erklärt Elke Schäfter, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (ROG) in Deutschland. Christian Liebig gehörte zu den besonders vorsichtigen Journalisten, wie seine Redaktion bestätigt. Er war im Militär-Camp geblieben und hatte aus Sicherheitsgründen die Streitkräfte nicht beim Vorstoß nach Bagdad begleitet.

"Sein Tod verdeutlicht, dass das Risiko der Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet unkalkulierbar bleibt, auch als "embedded journalist", so Schäfter weiter. "ROG verurteilt des weiteren aufs schärfste Angriffe auf Gebäude, in denen sich nach allgemeinem Kenntnisstand Journalisten aufhalten. Wir appellieren noch einmal eindringlich an alle Kriegsparteien, unter allen Umständen Journalisten als Zivilpartei zu respektieren - sie dürfen nicht zu Kriegszielen gemacht werden."

Zu den bisher getöteten Journalisten gehören unabhängig arbeitende Journalisten ebenso wie "embedded correspondents". Sie alle haben einen hohen Preis für ihre Bereitschaft bezahlt, über den Krieg zu berichten.

Am 4. April starb der amerikanische Journalist Michael Kelly von der Washington Post, als das Fahrzeug dem Beschuss durch Iraker auswich und in einen Kanal stürzte. Er ist der erste embedded -Journalist, der ums Leben kam.

Der iranische Bildjournalist Kaveh Golestan, der für den britischen Sender BBC arbeitete, wurde am 2. April nach Angaben des Senders in Kifri (Nordirak) Opfer einer Mine.

Den australischen Kameramann Paul Moran, für den australischen Sender ABC unterwegs, tötete am 22. März eine Autobombe im kurdischen Teil des Irak. Die Bombe explodierte an einem Kontrollpunkt außerhalb von Khomal, einem Dorf nahe der iranischen Grenze.

Am 22. März starb auch der britische TV-Journalist Terry Lloyd (ITN), als er mit drei weiteren Kollegen in der Nähe von Basra (Südirak) unter Beschuss geriet. Die Journalisten nutzten mit "TV" gekennzeichnete Fahrzeuge und befanden sich nicht in unmittelbarer Nähe eines Militärkonvois. Terry Llyod wurde, dem Sender zufolge, durch Schüsse der britisch-amerikanischen Streitkräfte getötet.

Der belgische Journalist Daniel Demoustier wurde bei dem Feuergefecht verletzt. Vom Kameramann Fred Nerac und der lokale Stringer Hussein Osman fehlen noch jede Spur. Sie gelten als vermisst.

Ein Medienmitarbeiter wurde ebenfalls getötet. Der Kurde Kamaran Abdurazak Muhamed, seit März als übersetzer der BBC tätig , starb während eines sogenannten "friendly fire" der amerikanischen Luftwaffe auf einen amerikanisch- kurdischen Konvoi.

Zwei weitere Todesfälle stehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kämpfen. David Bloom, amerikanischer NBC-Journalist, der in einer amerikanischen Division eingebettet war, starb am 6. April an den Folgen einer Lungenembolie. Am 30. März stürzte Gaby Rado, Reporterin des britischen Chanel 4 (Gruppe ITN), vom Dach des Hotels Abou Sanaa in Souleimaniah (Nordirak).

Vor dem Hintergrund der jüngsten Opfer appelliert Reporter ohne Grenzen noch einmal eindringlich an die Kriegsparteien, keine militärischen Operationen durchzuführen, die wissentlich das Leben und die Sicherheit von Journalisten gefährden könnten.

Reporter ohne Grenzen berichtet aktuell zur Situation der Pressefreiheit und der Journalistinnen und Journalisten im Irak unter www.rsf.org in Englisch und Französisch.

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