Italien 10.12.2003

Reporter ohne Grenzen fordert den italienischen Staatspräsidenten auf, das neue Mediengesetz nicht zu unterschreiben

Das italienische Parlament hat am Dienstagabend das Gesetz Gasparri - ein neues Mediengesetz - verabschiedet. Das Gesetz sei ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pressefreiheit, erklärt Reporter ohne Grenzen. In einem Brief forderte die Menschenrechtsorganisation Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi gestern auf, dieses Gesetz für verfassungswidrig zu erklären und es nicht zu unterschreiben. Im Gesetzgebungsverfahren ist sein Veto die letzte Möglichkeit das In-Kraft-Treten des Gesetzes zu verhindern.

"Diese Reform dient allein den Interessen des Mediaset-Konzerns, dessen Eigentümer Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist, und stellt eine Bedrohung für die Unabhängigkeit des öffentlichen Fernsehens und der Medienvielfalt dar", schreibt Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, an Carlo Azeglio Campi. Ménard appellierte an den italienischen Staatspräsidenten, das Gesetz im Namen der Pressefreiheit nicht zu unterschreiben. "Die Konzentration von Medienmacht und politischer Macht in den Händen eines einzelnen Mannes ist in eine in Europa einzigartige Anomalie," kritisierte Ménard.

Offiziell dient das Gasparri-Gesetz dazu, den Weg für das terrestrische digitale Fernsehen zu bereiten. Tatsächlich weitet es die marktbeherrschende Stellung des Mediaset-Konzern weiter aus. Bei TV-Werbung sind demnächst mehr Werbeeinnahmen erlaubt. Außerdem wurde das Verbot aufgehoben, nach dem eine Person nicht mehr als zwei Sender besitzen darf. Damit ist Berlusconis Sender Retequattro nunmehr legal im terrestrischen Netz. Schließlich ermöglicht das Gasparri-Gesetz Besitzern von Fernsehsendern, sich ab 2009 in Zeitungen oder Verlage einzukaufen, was bislang nicht möglich war.

Mit der Privatisierung des staatlichen TV-Sender Rai soll vor dem 31. Januar 2004 begonnen werden. Allerdings wird die Macht weiter in den Händen des Wirtschaftsministeriums bleiben, denn künftige Aktionäre dürfen nur je 1 % der Anteile besitzen. Außerdem wird der Aufsichtsrat des Senders auf neun Mitglieder erweitert, sieben davon werden von der parlamentarischen Kontrollkommission und zwei vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagen. Luzia Annunziata, derzeitige Vorsitzende des Aufsichtsrats hat bereits ihren Rücktritt für den Fall angekündigt, dass Staatspräsident Carlo Azeglio Campi das Gesetz unterschreibt.

Im Ranking zur Situation der Pressefreiheit 2003 ist Italien auf Rang 53 (von 164) platziert.

In dem im April 2003 veröffentlichten Bericht "A media conflict of interest: anomaly in Italy" analysiert die Menschenrechtsorganisation die Auswirkungen von Berlusconis Interessenkonflikt auf die Meinungsvielfalt in Italien. Download unter:
www.rsf.org/article.php3

 

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