Belarus 31.08.2020

Repressionswelle gegen Journalisten

© picture alliance / dpa / TASS / Sergei Bobylev

Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die jüngste Repressionswelle gegen Journalistinnen und Journalisten in Belarus. Seit Donnerstag wurden in Belarus mehr als 50 Medienschaffende festgenommen, fünf ausländische Journalistinnen und Journalisten wurden ausgewiesen, mindestens 19 ihrer belarussischen Kolleginnen und Kollegen verloren ihre Akkreditierung und damit ihre journalistische Arbeitserlaubnis. Zugleich wurde immer wieder der Zugang zum Internet erschwert oder ganz unterbrochen.

„Die belarussische Regierung versucht mit aller Macht, die letzten internationalen Beobachter aus dem Land zu vertreiben und auch die eigene Bevölkerung von unabhängigen Informationen über die Proteste abzuschneiden“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es ist gut, dass Bundesaußenminister Heiko Maas Belarus für seine jüngsten Angriffe auf die Pressefreiheit kritisiert hat. Doch jetzt muss die Bundesregierung ihre EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um sich für Sanktionen gegen politisch Verantwortliche in Belarus einzusetzen.“

Rund 50 Journalistinnen und Journalisten festgenommen

Die neueste Repressionswelle der belarussischen Behörden gegen Medienschaffende startete am Donnerstagabend, als bei nicht genehmigten Protesten in der Hauptstadt Minsk rund 50 Journalistinnen und Journalisten festgenommen wurden. Nach Angaben der unabhängigen Belarussischen Journalistenvereinigung (BAJ), einer Partnerorganisation von RSF, wurden die meisten von ihnen wieder freigelassen, nachdem ihre Dokumente überprüft worden waren. Den Behörden zufolge sollten ihre Akkreditierungen überprüft werden. Unter ihnen war auch ein Kamerateam des ZDF-Studios Moskau sowie die Korrespondentin des russischsprachigen Programms der Deutschen Welle Alexandra Boguslawskaja. Sie berichtete, sie sei gut behandelt worden, allerdings sei habe sie sechs Stunden in Gewahrsam verbracht und ihr Telefon erst am nächsten Tag zurückerhalten. Vier Medienschaffende weigerten sich nach BAJ-Angaben, ihre Telefone herauszugeben, und bleiben wegen „Teilnahme an einer unerlaubten Massenaktion“ in Gewahrsam, bis ihnen der Prozess gemacht wird. Der ebenfalls festgenommene schwedische Fotograf Paul Hanson wurde ausgewiesen und mit einer fünfjährigen Einreisesperre belegt.

19 belarussische Medienschaffende verlieren Akkreditierung

Zudem entzogen die belarussischen Behörden in den vergangenen Tagen zahlreichen Medienschaffenden ihre Akkreditierungen und damit die Erlaubnis, journalistisch zu arbeiten. Die Journalistenvereinigung BAJ sprach am Samstagmittag von 19 Fällen von Belarussinnen und Belarussen, die für ausländische Medien arbeiten. Betroffen waren demnach Beschäftigte von ARD, BBC, Reuters, AFP, RFI und Radio Swaboda (dem belarussischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty).

Zwei russische und ein belarussischer Mitarbeiter des ARD-Studios Moskau wurden am Freitagabend vor ihrem Hotel festgenommen und stundenlang auf einer Polizeiwache festgehalten. Sie wurden nach Angaben des deutschen ARD-Moskau-Korrespondenten Jo Angerer, der sich zurzeit auch in Minsk aufhält, trotz gültiger Akkreditierungen beschuldigt, illegal gedreht zu haben; die Akkreditierungen wurden ihnen rückwirkend entzogen. Die russischen Mitarbeiter des ARD-Teams, ein  Kameramann und ein Kameraassistent, mussten Belarus verlassen und dürfen in den nächsten fünf Jahren nicht wieder einreisen. Dem belarussischen ARD-Producer Ilja Kusnezow droht laut BAJ nach eigenen Angaben ein Prozess wegen aktiver Teilnahme an den Protesten. Korrespondent Angerer war nicht betroffen, er hat nun allerdings kein Kamera- und Technikteam mehr, um weiter aus Minsk zu berichten. 

Immer wieder Internetblockaden

Neben dem Vorgehen gegen einzelne Medienschaffende setzte die belarussische Regierung in den vergangenen drei Wochen auch immer wieder auf Internetzensur und Internetblockaden, um es der Bevölkerung zu erschweren, sich aus unabhängigen Quellen zu informieren. So blockierten oder verlangsamten belarussische Mobilfunkanbieter zum wiederholten Male den Zugang zum mobilen Internet.

Allein zwischen dem 21. und dem 26. August blockierte das Informationsministerium mehr als 70 Webseiten, darunter die von Radio Swaboda, Belsat (ein aus Warschau sendender Exilfernsehsender) und die belarussische Ausgabe des russischen Nachrichtenportals MediaZona. Der Zugang zu Protonmail und VPN wurde eingeschränkt. Das Informationsministerium gab keinerlei Begründung für die Blockaden ab, was die Journalistenvereinigung BAJ kritisierte. Die Webseite der BAJ wurde bereits am 9. August, dem Tag der Präsidentschaftswahl, blockiert.

Der Zugang zum Internet insgesamt war seit dem Wahlsonntag immer wieder instabil oder komplett unterbrochen; die Behörden verwiesen auf technische Probleme oder Cyberattacken von außen. Die Organisation RIPE NCC, die für die Verwaltung und Zuteilung von Internet-Ressourcen Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sah jedoch die belarussische Regierung in der Verantwortung.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Belarus auf Rang 153 von 180 Staaten.



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