Kamerun 14.02.2023

RSF enthüllt Beweise im Mordfall Martinez Zogo

Justizminister Laurent Esso. Zahlreiche Beweise deuten darauf hin, dass er in den Mord verwickelt war. © picture-alliance/ dpa/dpaweb | Mario_De_Renzis

Im Fall des im Januar ermordeten Radio-Journalisten Martinez Zogo in Kamerun gibt es nach Erkenntnissen von Reporter ohne Grenzen (RSF) neue Beweise, die den Geschäftsmann Jean-Pierre Amougou Belinga schwer belasten. Auch Justizminister Laurent Esso, einer der engsten Verbündeten von Präsident Paul Biya, scheint demnach stärker in den Mord verwickelt als bislang angenommen.

Die Ermittlungen sind in den vergangenen Wochen zügig vorangeschritten. Wie RSF jetzt aus vertraulichen Quellen erfahren hat, haben sich die Beweise verdichtet, dass der prominente Geschäftsmann Belinga, dem die Zeitung L'Anecdote und der Fernsehsender Vision 4 gehören, andere zu dem Mord angestiftet haben soll. Belinga wurde am 6. Februar festgenommen, nachdem ihn der bereits zuvor festgenommen Direktor für Spezialoperationen der kamerunischen Generaldirektion für externe Ermittlungen (DGRE), Justin Danwe, in seinem Geständnis belastet hatte. Mit ihm wurden rund 20 weitere Mitglieder der DGRE festgenommen, darunter war auch der gefürchtete Leiter der Einheit, Léopold Maxime Eko Eko.

Am 22. Januar war die verstümmelte Leiche des Journalisten Martinez Zogo gefunden worden. Die sechs Mitglieder der Einheit, die den Moderator von Radio Amplitude FM am 17. Januar entführt und ermordet haben sollen und hauptsächlich von außerhalb der Hauptstadt Jaunde rekrutiert worden waren, haben die erschütternde Aussage von Danwe bestätigt. Demnach war Belinga am Tatort des Mordes anwesend – darauf deuten auch weitere Indizien hin. Eine Untersuchung der Telefone der Verdächtigen hat bestätigt, dass am Abend des Mordes mehrere Gespräche zwischen Belinga und DGRE-Direktor Danwe sowie zwischen Belinga und Justizminister Esso geführt wurden.

Geschäftsmann wollte mit Journalisten „abrechnen“

Quellen aus dem Umfeld der Ermittelnden berichten, dass nun neue belastende Hinweise auf eine Zahlung von 35 Millionen CFA-Francs (etwa 53.000 Euro) von Belinga an Danwe entdeckt wurden. Dieses Geld soll über das Konto von Etoundi Nsoé, dem ehemaligen Kommandeur der Präsidentengarde, Schwiegervater von Belinga und inoffiziellen Sicherheitschef, geflossen sein. Nsoé wurde am 6. Februar verhaftet, ebenso wie Bruno Bidjang, der Leiter der Mediengruppe von Belinga, der Berichten zufolge mit den Ermittelnden zusammenarbeitet.

RSF hat zwei Personen interviewt, die sagen, dass der Journalist Zogo von Belinga oder ihm nahestehenden Personen bedroht worden war. RSF hat auch eine Aufnahme gehört, in der Zogo am 9. Januar – acht Tage vor seiner Ermordung – seine Besorgnis darüber zum Ausdruck brachte, dass er von einem Mann aus Belingas nahem Umfeld bedroht worden sei und dass Belinga mit ihm und mindestens acht weiteren kamerunischen Journalisten „abrechnen“ wolle. Belingas Anwalt behauptete indes auf RSF-Nachfrage, die Ermittlungen seien einseitig und voreingenommen geführt worden.

DGRE-Direktor Danwe hat in seinem Geständnis detailliert die grausame Operation geschildert, mit der Zogo zum Schweigen gebracht wurde: Zogo wurde demnach eine Woche lang verfolgt, um ein Profil seiner Bewegungen zu ermitteln, bis er am Abend des 17. Januar von DRGE-Mitgliedern unter dem Kommando von Danwe entführt und schließlich ermordet wurde.

Justizminister Esso jetzt im Visier

Die Ermittlungen konzentrieren sich nun auf die Rolle, die Justizminister Esso gespielt haben könnte. „Wir haben Beweise dafür, dass er tief in die Sache verwickelt war“, sagte einer der Ermittler, ohne nähere Angaben zu machen.

Esso, der seit 1996 in sechs aufeinanderfolgenden Regierungen Minister war und zu den ältesten politischen Verbündeten von Präsident Paul Biya gehört, wurde in den vergangenen Tagen streng überwacht, Gendarmen wurden in der Nähe seines Hauses postiert. Laut Aussage von Justin Danwe soll Belinga den Justizminister angerufen haben, um zu fragen, was mit Zogo geschehen soll. Esso soll geantwortet haben, Belinga solle „die Sache zu Ende bringen“, um eine Wiederholung des Falles von Paul Chouta zu vermeiden, einem Journalisten, der im vergangenen Jahr von einer Gruppe von Angreifern verprügelt wurde, die nie identifiziert wurden. Sie ließen Chouta zum Sterben am Straßenrand liegen, aber er überlebte.

In Haft hat Belinga hat mehrfach vergeblich darum gebeten, Esso anrufen zu dürfen. RSF hat inzwischen aus einer sehr zuverlässigen Quelle erfahren, dass Belinga am 3. Februar mehr als eine Stunde im Büro von Esso verbracht hat – mehrere Tage, nachdem er erstmals unter dringenden Verdacht geraten war. Trotz mehrerer Versuche ist es RSF nicht gelungen, den Justizminister zu erreichen.

Verbreiter von Desinformationen identifiziert

Die Beweise gegen Eko, den Chef der DGRE, scheinen ebenfalls erdrückend zu sein. Er ist der Besitzer des Geländewagens, mit dem Zogo entführt wurde. „Es ist schwer vorstellbar, dass seine Männer sich den Wagen ausgeliehen haben, ohne ihn zu informieren“, sagte eine Quelle zu RSF. Er habe auch „seinen Anteil“ gehabt, fügte die Quelle hinzu, in Anspielung auf die Geldbeträge, die an die Teilnehmer der Operation gezahlt wurden. Eko hatte anfangs bestritten, von dem Plan gewusst zu haben. Danwe gab in seinem Geständnis allerdings an, dass er seinem Vorgesetzen von der Operation erzählt habe.

Rund 100 Personen gelten inzwischen als „Personen von Interesse“ in diesem Fall. Personen, die seit dem Mord Falschinformationen verbreitet haben, könnten ebenfalls befragt werden. Die Ermittler geben an, Beweise für Zahlungen von umgerechnet einigen hundert bis zu mehreren tausend Euro gefunden zu haben, die von Belinga-Verbündeten geleistet wurden, um ihn zu rehabilitieren, kritische Berichte über ihn zu diskreditieren oder auf andere Themen abzulenken.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Kamerun auf Platz 118 von 180.



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