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RSF: Bundesregierung muss dringend handeln

RSF: Bundesregierung muss dringend handeln
© picture alliance / Anadolu | Saeed M. M. T. Jaras
Palästinenserinnen und Palästinenser demonstrieren für mehr humanitäre Hilfe (Gaza, 19.7.25).

Vor der geplanten Israel-Reise von Außenminister Johann Wadephul fordert Reporter ohne Grenzen (RSF) die Bundesregierung auf, sich endlich für Journalistinnen und Journalisten im Gazastreifen einzusetzen. Nach mehr als 660 Tagen Krieg berichten die palästinensischen Medienschaffenden von unerträglichen Bedingungen: Sie wurden mehrfach vertrieben, ihre Wohnungen zerstört, sie sind den israelischen Bombardierungen schutzlos ausgeliefert und zunehmend ausgehungert. Seit Kriegsbeginn wurden bei Angriffen des israelischen Militärs mehr als 200 Medienschaffende getötet.

„Hunger, Ohnmacht, Angst um sich und ihre Familien – das sind die Arbeitsbedingungen der Medienschaffenden in Gaza. Wir haben Sorge, dass noch viel mehr von ihnen getötet werden oder sogar an Hunger sterben“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die Bundesregierung muss jetzt aktiv werden: mit einer unmissverständlichen Forderung an die israelische Regierung, Journalistinnen und Journalisten nicht mehr aktiv ins Visier zu nehmen und mehr zu ihrem Schutz zu tun. Verletzte und gefährdete Medienschaffende müssen den Gazastreifen sicher verlassen können. Hunger darf nicht als Kriegswaffe eingesetzt werden. Um dies zu erreichen, braucht es deutlichere Worte und insbesondere auch Taten der Bundesregierung.“

Die ohnehin katastrophale humanitäre Lage in Gaza hat sich zuletzt noch einmal deutlich verschärft. Am 21. Juli hatte die Journalistengewerkschaft der Nachrichtenagentur AFP einen Hilferuf veröffentlicht. Darin beschreibt sie, dass ihre zehn lokalen Mitarbeitenden vom Hungertod bedroht seien. Zwei Tage später berichtete der Spiegel über die dramatische Situation einer lokalen Mitarbeiterin. Die Zeit beendete einen Text vom 25. Juli mit der Feststellung: „Und jetzt verhungern sie, und wir schauen dabei zu.“ Die Schilderungen decken sich mit einem gemeinsamen Appell von AFP, AP, BBC News und Reuters sowie verzweifelten Hilfsanfragen, die RSF von vertrauenswürdigen Quellen aus Gaza erhält.

RSF erwartet von der Bundesregierung, dass sie verletzte und gefährdete Medienschaffende bei der Ausreise unterstützt. Bislang reagieren die deutschen Behörden auf konkrete Hilfeanfragen von RSF viel zu passiv. 

RSF fordert außerdem, das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Israel auszusetzen. Ein „wesentliches Element“ der bilateralen Beziehungen ist laut Artikel 2 des Abkommens die Einhaltung der Menschenrechte. Dieser Grundsatz werde aktuell in eklatanter Weise verletzt, heißt es in einem Appell, den RSF gemeinsam mit über 180 weiteren Organisationen unterzeichnet hat. RSF fordert die Bundesregierung auf, sich gemeinsam mit anderen europäischen Staats- und Regierungschefs dafür einzusetzen, dass die EU dieses Instrument nutzt. Aus Sicht von RSF ist es ein wirksames Mittel, um den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen, Journalistinnen und Journalisten besser zu schützen.

RSF fordert weiterhin, dass internationale Journalistinnen und Journalisten nach Gaza reisen dürfen, um von dort zu berichten. Die Last der Berichterstattung darf nicht alleine auf den Schultern der palästinensischen Medienschaffenden liegen. Sie leiden bereits unter den enormen Herausforderungen des Krieges und des Überlebens. Mehr als 200 von ihnen sind seit dem 7. Oktober 2023 getötet worden, mindestens 46 im Zusammenhang mit der Arbeit. Mehrere von ihnen hat die israelische Armee gezielt getötet und die Getöteten in die Nähe der Hamas gerückt. Glaubwürdige Belege dafür fehlen jedoch in den meisten Fällen.

RSF schaut zudem in großer Sorge ins Westjordanland, wo gewaltbereite Siedler die Arbeit lokaler und internationaler Medien immer wieder behindern. Die israelischen Sicherheitskräfte lassen sie häufig gewähren. Diese Übergriffe müssen enden.

RSF appelliert seit vielen Monaten auch an die Regierung in Israel, sich in Bezug auf den Schutz von Medienschaffenden an die völkerrechtlichen Verpflichtungen zu halten. Mittlerweile liegt jedoch der begründete Verdacht nahe, dass unabhängige Berichterstattung in und aus Gaza systematisch unterbunden und gezielt bekämpft werden soll. Medienschaffende sind Teil der Zivilbevölkerung, gezielte Angriffe auf sie sind Kriegsverbrechen. In mehreren Strafanzeigen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) hat RSF solche Kriegsverbrechen, auch seitens der Hamas, detailliert dokumentiert.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Palästinensischen Gebiete auf Rang 163 von 180, Israel auf Rang 112.