Palästinensische Gebiete / Israel 06.12.2023

RSF fordert Öffnung des Grenzübergangs Rafah

Angehörige und Kollegen trauern um die palästinensischen Journalisten Said al-Tawil und Mohammed Subh. © picture alliance / AA | Mustafa Hassona

Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und Hamas ist der Gazastreifen vollständig abgeriegelt. Medienschaffende, die aus dem extrem gefährlichen Norden fliehen mussten, wurden von Israel aufgefordert, sich an die Grenze zu Ägypten zu begeben – dort stecken sie jedoch fest. Auch von der anderen Seite der Grenze kommen Journalistinnen und Journalisten nicht nach Gaza hinein. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert von den ägyptischen und israelischen Behörden die Öffnung des Grenzübergangs in Rafah, auch um den lokalen Medienschaffenden bessere Möglichkeiten zu geben, sich zu schützen. Bislang sind nach RSF-Informationen im Gazastreifen 58 palästinensische Medienschaffende bei israelischen Angriffen getötet worden, 14 von ihnen bei der Ausübung ihrer Arbeit.

„In diesem Krieg wurden so viele Journalistinnen und Journalisten getötet wie in keinem anderen Krieg des 21. Jahrhunderts“, sagt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Medienschaffenden vor Ort müssen sich in Sicherheit bringen können. Zugleich darf Gaza nicht zu einem medialen schwarzen Loch werden, wir brauchen unabhängige Berichterstattung aus dem Gebiet. Deshalb fordern wir, den Grenzübergang Rafah zu öffnen.“

Palästinensische Medienschaffende sind im Gazastreifen buchstäblich eingesperrt und können ihn nicht verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Aus Sicht von RSF ist das ein Verstoß gegen die Resolution 2222 des UN-Sicherheitsrats, welche die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Journalistinnen und Journalisten wie andere Zivilistinnen und Zivilisten zu schützen. Umgekehrt wird internationalen Medienschaffenden seit Beginn des Krieges vor zwei Monaten der Zugang zum palästinensischen Gebiet verwehrt. Ausnahmen gibt es für ausgewählte Medienschaffende, die „embedded“ mit der israelischen Armee in das Gebiet gefahren werden. Sie müssen sich bei der Berichterstattung allerdings an die Regeln der Armee halten.

Darüber zu berichten, was im Gazastreifen geschieht, obliegt vor allem den lokalen Reporterinnen und Reportern vor Ort. Ihre Arbeit wird jedoch von mehreren Aspekten erschwert: Von den zahlreichen israelischen Luftangriffen, den immer wieder blockierten Telefon- und Internetverbindungen – zuletzt am 4. Dezember –, den Problemen und der Angst, die ein Leben im Krieg mit sich bringt, und auch von gezielten Kampagnen, die sie und ihre Arbeit diskreditieren sollen. Zudem erschweren die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad immer wieder die Arbeit unabhängiger und kritischer Medien.

Der Grenzübergang Rafah nach Ägypten ist derzeit die einzige Verbindung Gazas mit der Außenwelt. Israel überwacht jedoch alle Aktivitäten an der Südgrenze und hat den Grenzübergang seit Beginn des Krieges mehrfach bombardiert. Während vor dem 7. Oktober täglich mehr als 400 Lastwagen mit Hilfsgütern ankamen, sind es nun durchschnittlich 14 pro Tag, wie Reuters berichtete. Durch die Blockade fehlt es im Gazastreifen an vielem, einschließlich an Schutzausrüstung für Journalistinnen und Journalisten.

Nach der erzwungenen Evakuierung aus dem gesamten nördlichen Teil des Gazastreifens ließen sich viele palästinensische Medienschaffende im Süden rund um das Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis nieder. „Nach den israelischen Drohungen gegen Chan Yunis ziehen die Journalistinnen und Journalisten nach Rafah, wo es kein Internet, keine Kommunikationsdienstleister und keine logistische Unterstützung für die Medien gibt“, sagt Said al-Chatib, Fotojournalist der Agence France Presse (AFP) in Gaza, gegenüber RSF. „Das erschwert unsere Arbeit enorm. Wir versuchen, Alternativen mit ägyptischen oder israelischen Sim-Karten zu finden.“

Seit dem Ende der humanitären Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas am 1. Dezember ist auch der südliche Gazastreifen zum Ziel israelischer Luftangriffe geworden, bei denen mindestens vier Medienschaffende getötet wurden. Die einzige noch vergleichsweise sichere Option ist nun Rafah. Doch selbst dort fallen nach RSF-Informationen immer wieder Bomben, und es wird für Reporterinnen und Reporter immer schwieriger, ihrer Arbeit nachzugehen.

„Wir leben im Belagerungszustand“, schrieb der bekannte unabhängige Fotojournalist Motaz Azaiza auf seinem Instagram-Account. Wir können weder nach Süden noch nach Norden, da die israelischen Panzer beide Seiten umzingeln.“ Am Tag nach diesem Post filmten er und einige seiner Kollegen in der Nähe der Salah-al-Din-Straße, der großen Verbindungsstraße zwischen Gaza-Stadt und dem Süden. Azaiza trug einen Helm und eine schusssichere Weste mit dem Aufdruck „Presse“, dennoch entging er nur knapp dem Beschuss aus einem, seiner Aussage nach, israelischen Panzer. Eine Kollegin von Azaiza, Plestia Alaqad, sagte, sie lege ihre Presseweste zuletzt häufiger ab, aus Sorge, sie wäre noch gefährdeter, wenn man sie als Journalistin erkennt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Palästinensischen Gebiete auf Rang 156 von 180, Israel steht auf Rang 97.



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