Hongkong / China
24.06.2025
RSF veröffentlicht Sonderausgabe der Apple Daily
Der Ansturm beginnt schon vor Sonnenaufgang. Quer durch Hongkong bilden sich lange Schlangen vor den Kiosken der Stadt. Menschen stehen an, um ein Exemplar der Apple Daily zu ergattern. In der Regel druckt der Verlag rund 80.000 Zeitungen. Heute sind es eine Million. Denn: Die Zeitung erscheint zum letzten Mal. Zahlreiche Hongkongerinnen und Hongkonger möchten die letzte Ausgabe kaufen. Sie solidarisieren sich mit einer der wenigen Redaktionen, die das chinesische Regime noch kritisieren.
Diese Szenen vom 24. Juni 2021 gingen um die Welt. Die Apple Daily musste nach 26 Jahren schließen. Die Zeitung hatte ausführlich über die Demokratiebewegung der Stadt berichtet. Am vierten Jahrestag der Schließung veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (RSF) mit ehemaligen Apple-Daily-Mitarbeitenden eine Sonderausgabe der Zeitung. Sie informiert über die Lage der Pressefreiheit in Hongkong und Medienschaffende im Exil. Die Organisation demonstrierte zudem in Berlin und anderen Städten vor der chinesischen Botschaft.
„Die Pressefreiheit in Hongkong ist im freien Fall. Doch die Sonderausgabe der Apple Daily zeigt: Hongkonger Journalistinnen und Journalisten werden nicht verstummen. Sie berichten mutig vor Ort und im Exil weiter. Wir stehen an ihrer Seite“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Die internationale Gemeinschaft muss die Medienschaffenden finanziell unterstützen und ihnen ein sicheres Exil ermöglichen. Sie muss Druck auf das chinesische Regime ausüben, damit die inhaftierten Journalistinnen und Journalisten freikommen. Unter ihnen ist der Apple-Daily-Gründer Jimmy Lai.“
Im Juni 2021 durchsuchten Hunderte Polizisten die Redaktion der Apple Daily und beschlagnahmten Computer und Handys. Sie nahmen hochrangige Mitarbeitende fest, weil diese angeblich gegen ein Sicherheitsgesetz verstoßen haben sollen. Die Behörden froren zudem die Bankkonten der Zeitung ein.
Heute sitzen immer noch sieben Medienschaffende der Apple Daily im Gefängnis. Ihnen droht unter dem Sicherheitsgesetz lebenslange Haft. Einer von ihnen ist der Gründer Jimmy Lai. Sein Prozess läuft seit November 2023. Der 77-Jährige leidet an Diabetes, hat Gewicht verloren und zitterte bei einer Gerichtsverhandlung im vergangenen Jahr. Laut seinem Anwaltsteam hat sich sein Zustand verschlechtert. Lai sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis.
Sein Sohn Sebastien Lai bittet in der Sonderausgabe der Apple Daily, für die Freilassung seines Vaters zu kämpfen, „bevor es zu spät ist. Mein Vater setzt sich für die Freiheiten ein, die wir alle schätzen. Es ist an der Zeit, dass wir uns ihm anschließen.“
Die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten in Hongkong haben sich deutlich verschlechtert. Seit das Sicherheitsgesetz 2020 in Kraft getreten ist, haben die Behörden mit diesem und weiteren Gesetzen mindestens 28 Medienschaffende verfolgt. Zehn von ihnen sind in Haft. Neben der Apple Daily ließen die Behörden die Nachrichtenseite Stand News schließen, auch einige kleinere Medien haben aus Angst um ihre Sicherheit die Arbeit eingestellt. Aus dem Exil etwa in Großbritannien und Taiwan informieren Medienschaffende weiter.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Hongkong auf Platz 140 von 180 Staaten, China belegt Rang 178.
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