Iran 29.02.2024

Sicherheitskräfte verschleppen Journalisten

Ein iranischer Politiker steht vor mehreren Mikrofonen, neben ihm eine iranische Flagge.
Der konservative Politiker Gholamali Haddadadel spricht auf einer Pressekonferenz der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Tasnim, 27. Februar 2024. © picture alliance / NurPhoto / Morteza Nikoubazl

Iranische Sicherheitskräfte haben mehrere Medienschaffende vier Tage lang in den Räumen ihrer Redaktion festgehalten. Anschließend brachten sie vier von ihnen an einen unbekannten Ort und hielten sie dort fest. Zwei sind noch immer verschwunden, die Behörden haben sich bislang nicht geäußert. Angesichts dieses rechtlich unhaltbaren und menschlich unwürdigen Vorgehens kurz vor der iranischen Parlamentswahl am 1. März schlägt Reporter ohne Grenzen (RSF) Alarm. Die staatlich geförderte Repression muss aufhören, die Journalisten müssen sofort freikommen.

„Die iranischen Sicherheitsbehörden wenden mafiöse Taktiken an“, sagt RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Die iranische Regierung will jegliche kritische Stimmen zum Schweigen bringen. Wir fordern die sofortige Freilassung der beiden Reporter und aller weiteren Journalistinnen und Journalisten, die derzeit im Iran inhaftiert sind – die meisten von ihnen, weil sie über die ‚Frau-Leben-Freiheit‘-Bewegung berichtet haben.“

Ein Dutzend Sicherheitskräfte hatte am 5. Februar die Redaktionsräume der Wirtschafts-Website Farda-e-Eghtesad in Teheran gestürmt und zunächst alle 26 anwesenden Journalistinnen und Journalisten am Verlassen des Gebäudes gehindert. Sie konfiszierten die Telefone der Mitarbeitenden, sodass niemand mit der Familie oder Rechtsvertretern sprechen konnte. Am nächsten Tag konnten einige der Festgehaltenen gehen, die Redakteure Mehrdad Asgari, Behzad Bahmannejad, Nikan Khabazi und Ali Tasnimi wurden jedoch bis zum 9. Februar in der Redaktion festgehalten. Anschließend wurden sie an einen unbekannten Ort gebracht. Die Polizei hat bislang keinen Grund für ihr Vorgehen genannt.

Am 21. Februar wurde bekannt, dass Asgari und Bahmannejad, der stellvertretende Chefredakteur, bereits am 16. Februar gegen Kaution freigekommen waren. Sie durften sich jedoch auf Anweisung der Behörden zunächst nicht zu ihrer Inhaftierung äußern. Über den Verbleib ihrer Kollegen Khabazi und Tasnimi ist nichts bekannt. 

Mögliche Zusammenhänge mit kritischem Video oder einem Exil-Unternehmer

Am Tag nach der Razzia vom 5. Februar hatte Mizan, die offizielle Nachrichtenagentur der iranischen Justiz, verkündet, die Verhaftungen hätten nicht im Zusammenhang mit journalistischen Aktivitäten gestanden. Eine anderweitige Begründung blieb Mizan jedoch schuldig. Nach RSF-Informationen hatte Farda-e-Eghtesad ein – inzwischen gelöschtes – Video veröffentlicht, in dem die Umgehung der gegen den Iran gerichteten internationalen Sanktionen thematisiert wurde. Einzelheiten über den Bericht bleiben jedoch ebenso unklar wie die Umstände seiner Löschung.

Einer der vorübergehend inhaftierten Journalisten erklärte gegenüber RSF, dass die Polizei den Mitarbeitenden Fragen zu Majid Zamani gestellt habe, dem Gründer der privaten Investmentfirma Kian Capital, zu der Farda-e-Eghtesad gehört. Zamani lebt mittlerweile im Exil in London und hat sich mehrfach für einen politischen Dialog und Reformen im Iran ausgesprochen. Neben der Redaktion war am 5. Februar auch der Hauptsitz des Unternehmens und seiner Tochtergesellschaften durchsucht worden.

Die iranischen Behörden verhaften regelmäßig Journalistinnen und Reporter, die sensible, aber im öffentlichen Interesse liegende Informationen veröffentlichen. Ende September 2022 wurden innerhalb weniger Tage die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi festgenommen und für mehr als ein Jahr eingesperrt. Sie hatten als erste über den Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam am 16. September 2022 berichtet. Auch nach ihrer Freilassung im Januar droht ihnen Repression und Haft. Zwischenzeitlich stand für beide auch die Todesstrafe im Raum, die im Iran auch wegen der Teilnahme an den Protesten immer wieder vollstreckt wurde. Der Iran ist das bislang letzte Land auf der Welt, das einen Journalisten hat hinrichten lassen.

Insgesamt wurden seit Beginn der „Frau-Leben-Freiheit“-Proteste 89 Medienschaffende inhaftiert. 15 von ihnen sitzen noch heute unter menschenunwürdigen Bedingungen im Gefängnis. Besonders Frauen sind dabei der Willkür des Gefängnispersonals ausgesetzt

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran auf Rang 177 von 180 Staaten.



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