China 29.08.2012

Staatsbesuch von Bundeskanzlerin Merkel: Informations- und Pressefreiheit unter Druck

© ddp images / AP / Ng Han Guan

Vor der Chinareise von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag (30. August) erinnert Reporter ohne Grenzen an die zunehmenden Medienrestriktionen in China vor dem anstehenden Nationalkongress im Oktober. Während der freie Nachrichten- und Informationsfluss im Internet mit neuen Zensurmaßnahmen eingeschränkt wird, geraten ausländische Korrespondenten wieder stärker unter Druck.

Jüngster Zensurversuch ist die Internetblockade nach dem prominenten Mordprozess gegen die frühere chinesische Anwältin Gu Kailai. Tagelang waren die Suchanfragen nach den Namen der Hauptbeteiligten aus dem Internet herausgefiltert worden. Reporter ohne Grenzen verurteilt dieses Vorgehen zutiefst und verweist auf das Recht der chinesischen Bürger auf  Informations- und Meinungsfreiheit. Auch nach den Überschwemmungen im Juli ließen die Pekinger Behörden kritische Kommentare über das Krisenmanagement aus Online-Medien entfernen und forderten Journalisten auf, nur gute Nachrichten zu verbreiten.  

Mit neuen Regelungen versuchten die Behörden bereits im Frühjahr das Internet intensiver zu kontrollieren. Unter dem Vorwand, junge Menschen vor vulgären Inhalten zu schützen, ordnete die Zensurbehörde Anfang Juli an, dass Anbieter von Onlinevideos ihr Material vor der Veröffentlichung von einer staatlichen Stelle sichten lassen müssen. Im Mai führte der Microblog-Dienst Sina Weibo, ein chinesisches Twitter-Pendant, auf Druck der Regierung ein Punktesystem ein, das die Verbreitung von sogenannten ‚Falschinformationen‘ mit Punktabzügen bestraft. Rutscht ein Nutzer unter ein bestimmtes Punkteniveau, so wird sein Account gelöscht. Verhält sich der Nutzer hingegen regimefreundlich, so kann er Bonuspunkte sammeln. Vor dem Hintergrund der staatlichen Kontrolle bilden sich immer wieder Gegenbewegungen, die kreative Möglichkeiten finden, die Internetzensur zu umgehen.

Mit Sorge beobachtet Reporter ohne Grenzen zudem die Situation ausländischer Korrespondenten in China. Sie werden durch Angriffe, gezielte Einschüchterungsversuche und Visumverweigerung zunehmend unter Druck gesetzt. Vor zwei Wochen wurde ein deutsches Kamerateam der ARD während der Dreharbeiten über Umweltverschmutzung von Fabrikarbeitern angegriffen und für mehrere Stunden festgehalten. Anfang Mai hat die chinesische Regierung zum ersten Mal seit 14 Jahren eine ausländische Journalistin, die US-amerikanische Korrespondentin Melissa Chan des Senders Al Jazeera, des Landes verwiesen. Der Sender selbst musste sein Büro in China schließen. Die Behörden warfen Chan vor, im Zusammenhang mit einer Dokumentation über Arbeitslager gegen chinesische Regeln verstoßen zu haben. Vor wenigen Tagen appellierten 26 deutsche Chinakorrespondenten in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich bei ihrem Besuch in China für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Reporter ohne Grenzen unterstützt diese Forderung mit Nachdruck: „Bundeskanzlerin Merkel darf die Politik nicht den Wirtschaftsinteressen unterordnen. Wir fordern, dass die systematische Unterdrückung der Medienfreiheit von der Bundeskanzlerin auch bei diesem China-Besuch deutlich und offen angesprochen wird.“, so die Organisation.

Reporter ohne Grenzen zählt den chinesischen Staat zu den größten Feinden des Internets weltweit. Auf der jährlichen ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht China unter den repressivsten Staaten auf Platz 174 von 179.

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