Deutschland 15.12.2016

Teilerfolg der ROG-Klage gegen den BND

Verhandlung über die Klage von ROG gegen den BND. © ROG

Das Bundesverwaltungsgericht hat weitere Aufklärung über die Metadatensammlung des Bundesnachrichtendienstes verlangt. Bei der mündlichen Verhandlung über die Klage von Reporter ohne Grenzen gegen den BND stellten die Richter des 6. Senats in Leipzig eingehende Nachfragen zum Verkehrsanalysesystem „VerAS“, mit dem der deutsche Auslandsgeheimdienst in großem Umfang Verbindungsdaten über Telefongespräche mit Auslandsbezug sammelt. Am Mittwochabend vertagte es nach fünfstündiger Sitzung die Verhandlung.

„Das Gericht hat deutliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Metadatensammlung des BND geäußert und hält weitere Aufklärung für nötig", sagte ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. „Schon das ist ein wichtiger Erfolg unserer Klage: Der BND muss Klarheit über Art und Umfang seiner Überwachung schaffen. Denn die unverhältnismäßige und widerrechtliche Vorratsdatensammlung des BND stellt den journalistischen Quellenschutz und damit einen Grundpfeiler der Pressefreiheit in Frage.“

ROG hatte die Klage gegen den BND am 30. Juni 2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, das in diesem Fall als erste und letzte Instanz zuständig ist. In dem Verfahren wird ROG von dem Rechtsanwalt Niko Härting vertreten. Die Klage richtet sich unter anderem gegen das System VerAS, mit dem der BND seit dem Jahr 2002 ohne gesetzliche Grundlage Metadaten auch von deutschen Bürgern sammelt, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen.

Nachfragen zur Anonymisierung grundrechtsgeschützter Daten

Davon betroffen sind sowohl die sogenannte Ausland-Ausland-Kommunikation als auch Gespräche zwischen In- und Ausland sowie Verbindungsdaten, die dem BND von befreundeten Geheimdiensten zugeliefert werden. Die Speicherung geschieht so umfassend, dass auch Journalisten erfasst werden können, die nur indirekt und über mehrere weitere Kommunikationspartner zum Beispiel mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb hoch, dass der Dienst auch die Verbindungsdaten von ROG als internationaler Organisation gespeichert hat.

In der mündlichen Verhandlung fragten die Richter detailliert nach den Kriterien und Abläufen, mit denen der BND Daten filtert, bevor sie in VerAS eingespeist werden. Kritische Nachfragen stellten sie vor allem zur Frage, inwieweit sichergestellt sei, dass in anonymisierter Form gespeicherte grundrechtsgeschützte Metadaten deutscher Telekommunikationsteilnehmer nicht nachträglich doch den betreffenden Personen zugeordnet werden könnten. Dies umso mehr, als der Vertreter des BND einräumen musste, dass mit VerAS Kontaktnetzwerke bis in beliebig weite Verzweigungen analysiert werden könnten – im Prinzip auch „bis in die 14. Ebene“.

Die BND-Vertreter räumten ein, dass die nachträglich Zuordnung anonymisiert gespeicherter Daten in den Fällen möglich ist, in denen im Zuge einer Telefonüberwachung nach dem G-10-Gesetz auch die Inhalte eines Gesprächs gespeichert werden. Ferner verwiesen sie darauf, dass der Wirkungsbereich von VerAS begrenzt sei, da es sich nur um eine von etwa 25 Datenbanken des BND handele.

Klagepunkt zur strategischen Auslandsüberwachung abgewiesen

Im anderen Teil der Klage warf ROG dem Geheimdienst vor, im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ihren E-Mail-Verkehr mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen ausgespäht zu haben. Diesen Teil wies das Gericht am Mittwoch als unzulässig ab. Gegen diese Entscheidung behält sich ROG eine Klage beim Bundesverfassungsgericht vor.

Nach allem, was über den Umfang der strategischen Fernmeldeüberwachung zwischen In- und Ausland sowie über die vom BND verwendeten Suchkriterien bekannt ist, muss ROG davon ausgehen, dass auch zahlreiche E-Mails der Organisation erfasst wurden – und dass diese Überwachungspraxis unverhältnismäßig und vom G-10-Gesetz nicht gedeckt ist. Schon in der Vergangenheit hatte das Bundesverwaltungsgericht vergleichbare Klagen gegen den BND mit der Begründung abgewiesen, die Kläger könnten ihre Betroffenheit nicht nachweisen.

Für zahlreiche Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China ist ROG ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner, an den sie sich mit schutzwürdigen Anliegen oder vertraulichen Informationen wenden. Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeutet, dass sich solche Journalisten nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt.

BND-Praktiken untergraben Kritik an Überwachung in repressiven Staaten

Noch am Montag hatte Reporter ohne Grenzen dem Gericht neue Hinweise darauf vorgelegt, dass VerAS noch tiefer und umfassender als bislang angenommen in die Grundrechte sogar deutscher Staatsbürger eingreift. Dabei handelte es sich unter anderem um ein internes Gutachten des BND, das Teil der kürzlich von Wikileaks publik gemachten Dokumente des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags ist. Die Erkenntnisse aus dem Gutachten stützen das Argument, dass Kommunikation von ROG von der Erfassung und Auswertung durch VerAS betroffen sein dürfte. Außerdem legt der Geheimdienst darin ausführlich dar, dass und warum in den meisten Fällen selbst im Nachhinein keine Benachrichtigung der ausgeforschten Personen geboten sei.

Durch solche Praktiken stellt der BND nicht nur den Informantenschutz als zentrales Element der Pressefreiheit in einer Demokratie in Frage. Er untergräbt auch die Glaubwürdigkeit deutscher Forderungen nach mehr Achtung der Medienfreiheit in autoritären Regimen und beraubt dortige Journalisten somit eines Fürsprechers in ihrem Kampf gegen Überwachung und andere Formen der Repression durch die jeweiligen Regierungen.

Keine Auswirkungen auf die Streitpunkte der Klage hat die jüngst beschlossene Reform des BND-Gesetzes, das die Ausland-zu-Ausland-Überwachung des BND regelt.



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