15.01.2004

US-Kommando verantwortlich für den Tod zweier Journalisten im Hotel Palestine / Reporter ohne Grenzen veröffentlicht Bericht zum Beschuss des Hotel Palestine während des Irak-Krieges

Der Beschuss des Hotel Palestine durch einen amerikanischen Panzer, durch den am 3. April 2003 zwei Journalisten ums Leben kamen, war zwar kein willentlicher Akt gegen Journalisten und Medien, jedoch Konsequenz katastrophaler Fahrlässigkeit führender Militärs. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Reporter ohne Grenzen (ROG).

Laut dem von der Menschenrechtsorganisation am Donnerstag veröffentlichten Bericht trägt das Hauptquartier von General Buford Blount, Kommandeur der 3. Infanteriedivision, die Hauptverantwortung.

Für den Bericht wertete ROG Zeugenaussagen verantwortlicher Militärs, von im Hotel anwesenden sowie "eingebetteter" Journalisten aus. Im Ergebnis fordert ROG die amerikanische Armee auf, Antwort auf die Frage zu geben, wieso die Soldaten beim Vormarsch auf Bagdad nicht darüber informiert wurden, dass das Hotel als Medienzentrum diente. Eine Tatsache, die zwar den ranghöheren Militärs, nicht jedoch den Truppen vor Ort bekannt war und somit die Ursache für den fatalen Irrtum ist, der den Ukrainer Taras Protsyuk und den Spanier José Couso das Leben kostete, heißt es in dem Bericht.

Obwohl das Hotel Palestine zum fraglichen Zeitpunkt schon seit Wochen als Hauptquartier der Journalisten in Bagdad fungierte, wie alle Welt täglich am Fernsehschirm verfolgen konnte, habe die Kommandoebene diese Informationen nicht an die kämpfenden Truppen weitergegeben, wirft ROG der Armee vor. Diese Tatsache wird durch die Aussagen von Capt. Philip Wolford, der den Feuerbefehl gab sowie von Sgt. Shawn Gibson, der die tödlichen Schüsse abgab, und durch Angaben eines vor Ort "eingebetteten" Journalisten übereinstimmend dokumentiert. Die beiden direkt involvierten Soldaten trügen daher weniger Verantwortung für den Tod der Journalisten. Ihres Wissens richteten sie ihren Angriff gegen einen vermeintlichen Späher der irakischen Artillerie. Ein Irrtum, der angesichts der heftigen Kampfsituation um das Hotel an diesem Tag nachvollziehbar erscheint, aber vermeidbar gewesen wäre.

Daher trage der Komandant der 3. Infanteriedivision, General Buford Blount, die hauptsächliche Verantwortung, resümiert der Bericht. Er verfügte über Zugang sowohl zu den Pentagon-Informationen als auch zu denen des zentralen Kommandostabes in Doha (Katar) und habe von der Anwesenheit der Journalisten im Hotel Palestine gewusst. Nicht abschließend zu klären sei allerdings, warum diese wichtigen Informationen nicht weitergeben wurden: ob in voller Absicht, aus Geringschätzung gegenüber den Journalisten oder aus Fahrlässigkeit. ROG beharrt demzufolge auf vollständiger Aufklärung durch die amerikanische Armee.

Auch die US-Regierung trifft laut ROG Mitschuld. Mit der Behauptung, der Panzerverband sei von Hotel aus beschossen worden, habe sie lange eine den Tatsachen offensichtlich widersprechende Version des Vorfalls aufrecht erhalten und damit eine "regierungsamtliche Lüge" verbreitet. In dem abschließenden Bericht der Armee werde der Vorfall ausschließlich als Akt legitimer Verteidigung gewertet und die Verantwortung der Armee verschleiert, heißt es im ROG-Bericht. Hinzu komme, dass die amerikanische Regierung durch verschiedene äußerungen vor und während des Krieges die Sicherheit von Journalisten unterminiert habe.

Die Untersuchung wurde vom französischen Journalisten Jean-Paul Marie mithilfe des Wochenmagazins Le Nouvel Observateur durchgeführt.

Der Bericht steht auf Englisch und Französisch zur Verfügung.
Download unter: www.rsf.org

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