BND-Gesetz 26.03.2021

Verpasste Chance für die Pressefreiheit

Ein Mann vor einer Wand, auf der unter einem Bundesadler "Bundesnachrichtendienst" steht.
© picture alliance/dpa / Kay Nietfeld

Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstagabend (25.3.) den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des BND-Gesetzes verabschiedet. Die mit dem Gesetz geschaffenen neuen Hürden für die Überwachung von Journalistinnen und Journalisten und deren Quellen im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes sind aus Sicht von Reporter ohne Grenzen unzureichend. Die Schutzwürdigkeit der Kommunikation zwischen Medienschaffenden und ihren Informantinnen und Informanten wird nun zwar erstmals gesetzlich anerkannt. Der Gesetzgeber versäumt es jedoch, trotz einzelner Nachbesserungen ausländische Medienschaffende in der Praxis vor digitaler Überwachung und einem Missbrauch der durch den BND gesammelten Informationen durch autoritäre Staaten zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die gesetzliche Grundlage für die massenhafte Überwachung des globalen Internetverkehrs durch den BND infolge einer Beschwerde von RSF und internationalen Journalistinnen und Journalisten im Mai 2020 für verfassungswidrig erklärt. Es forderte unter anderem, dass Vertraulichkeitsbeziehungen zwischen Medienschaffenden und ihren Quellen besser geschützt werden müssen.

„Das Gesetz wird dem Karlsruher Urteil nicht gerecht, geschweige denn dem menschenrechtlichen Anspruch eines angemessenen Ausgleichs zwischen Sicherheitsinteressen und dem Recht auf vertrauliche Kommunikation. Wir erwägen daher, erneut vor das Verfassungsgericht zu ziehen“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Der zivilgesellschaftliche Einsatz für einen besseren Schutz von Journalistinnen und Journalisten hat einzelne konkrete Verbesserungen am Gesetz bewirkt und ein Bewusstsein für den erheblichen Reformbedarf im Bereich der Nachrichtendienstkontrolle geschaffen. An der Überwachungspraxis ändert sich aber wenig. Der BND darf auch weiterhin massenhaft Kommunikation ausforschen, erhält sogar noch zusätzliche Hacking-Befugnisse und kann aussagekräftige Daten über Medienschaffende und ihre Kontakte ungehindert sammeln und an andere Nachrichtendienste weiterreichen.“

Die Bundesregierung hatte im Dezember 2020 einen Gesetzentwurf beschlossen, den RSF scharf kritisierte. Unter anderem bemängelte RSF die weiterhin ungefilterte Weitergabe von Verkehrsdaten, wie etwa Informationen darüber, wer mit wem wann per E-Mail kommuniziert inklusive der zugehörigen Betreffzeilen. Auch dass dem BND die Einordnung obliegen soll, wer als Journalist oder Journalistin anerkannt wird und entsprechenden Schutz genießt, widerspräche einer angemessenen Nachrichtendienstkontrolle.

Zuspruch für eine Überarbeitung des Gesetzes im Sinne eines verbesserten Schutzes von Medienschaffenden erhielt RSF unter anderem von der OSZE-Medienbeauftragten Teresa Ribeiro. In der Sachverständigenanhörung im federführenden Innenausschuss Anfang März klangen erneut entsprechende Kritiken an, mehrere Rechtsexpertinnen und -experten äußerten verfassungsrechtliche Bedenken. Daraufhin beschloss der Ausschuss einzelne Nachbesserungen am Regierungsentwurf. So sieht der Gesetzestext nun eine Dokumentationspflicht für die Einordnung von Vertraulichkeitsbeziehungen vor, die eine unabhängige Kontrolle entsprechender Entscheidungen des Nachrichtendienstes ermöglichen soll. Ebenso wurden die Voraussetzungen für eine Überwachung journalistischer Kommunikation bei bestimmten Gefahrenlagen verschärft.

Die von RSF geäußerten Kernkritiken bleiben jedoch bestehen. Allein indem der BND weiterhin uneingeschränkt Verkehrsdaten von Medienschaffenden und deren Kontakten sammeln, auswerten und an andere Nachrichtendienste weitergeben darf, setzt das Gesetz die bisherige Überwachungspraxis weitgehend fort. Das Gesetz trifft eine zweifelhafte Unterscheidung zwischen schützenswerten personenbezogenen Informationen von Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern und vermeintlichen Sach- oder Gerätedaten, die oft nicht weniger über konkrete Personen und deren Kontaktnetzwerke und Verhalten verraten.

Die Nachrichtendienstkontrolle bleibt zudem zersplittert, die individuellen Institutionen in ihren Befugnissen zu eingeschränkt und damit hinter den Anforderungen rasant zunehmender technischer Überwachungsmöglichkeiten zurück. Zugleich schafft das Gesetz neue Befugnisse zum staatlichen Hacking ausländischer Server und Systeme und weitet die Spielräume der Nachrichtendienste damit noch weiter aus. Vor diesem Hintergrund prüfen Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte die Einreichung einer neuerlichen Verfassungsbeschwerde.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Deutschland auf Platz 11 von 180 Staaten.



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