Jahresbilanz der Pressefreiheit
18.12.2018
Weltweit 80 Medienschaffende getötet
Im zu Ende gehenden Jahr sind weltweit mindestens 80 Journalisten, Bürgerjournalisten und andere Medienmitarbeiter in direktem Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, 15 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen kam in nur fünf Ländern ums Leben: in Afghanistan, Syrien, Mexiko, Jemen und Indien. Ähnlich sieht es bei den 348 weltweit inhaftierten Medienschaffenden aus. Mehr als die Hälfte von ihnen sitzt in nur fünf Ländern im Gefängnis: in China, Ägypten, der Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Das geht aus der Jahresbilanz der Pressefreiheit 2018 hervor, die Reporter ohne Grenzen am Dienstag veröffentlicht hat. Stichtag der weltweiten Zählung war der 1. Dezember 2018.
„Die Zahlen der ROG-Jahresbilanz zeigen, dass nach wie vor bewaffnete Konflikte die größte Gefahr für Journalisten weltweit sind. Dass aber zugleich so viele Journalisten außerhalb von Kriegsregionen ermordet werden, ist ein erschreckendes Zeichen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Viel zu oft können Täter und Auftraggeber damit rechnen, dass selbst Morde für sie folgenlos bleiben. Die Staatengemeinschaft muss endlich wirksame Mittel finden, Straflosigkeit überall auf der Welt zu beenden.“
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Gefährlichste Länder: Afghanistan, Syrien, Mexiko, Jemen, Indien
Die Länder mit den meisten getöteten Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeitern waren 2018 Afghanistan (15 Medienschaffende getötet), Syrien (11), Mexiko (9), Jemen (8) und Indien (6). Auch in den USA starben in diesem Jahr sechs Journalisten, vier von ihnen wurden beim Anschlag auf die Lokalzeitung Capital Gazette an 28. Juni gezielt getötet.
44 Medienschaffende starben in Gebieten mit bewaffneten Konflikten, 36 außerhalb solcher Gebiete. Wie schon im Vorjahr war Mexiko das Land ohne bewaffneten Konflikt, in dem die meisten Journalisten ermordet wurden. Über Korruption und Drogenkriminalität zu berichten, ist dort weiterhin lebensgefährlich. Der Schutz, der bedrohten Journalisten gewährt wird, ist oft unzureichend und inneffektiv.
49 der getöteten 80 Medienschaffenden wurden wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet. Die übrigen 31 kamen im Einsatz ums Leben. Unter den Getöteten waren 63 professionelle Journalisten, 13 Bürgerjournalisten sowie vier Tontechniker und Fahrer. Drei der Getöteten waren Frauen. In den vergangenen zehn Jahren wurden weltweit 702 professionelle Journalisten getötet.
Die Zahl getöteter Bürgerjournalisten hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt, von 7 auf 13. Bürgerjournalisten spielen gerade in Ländern mit autoritären Regimen und Kriegsländern eine immer wichtigere Rolle in der Berichterstattung, denn dort sind viele Regionen für professionelle Journalisten kaum zugänglich. Diese Regionen sind zugleich diejenigen, in denen unabhängige Berichterstatter besonders gefährdet sind.
Mehr als die Hälfte aller Inhaftierten in nur fünf Ländern im Gefängnis
Auch die Zahl der inhaftierten Bürgerjournalisten stieg 2018 sprunghaft an: um 40 Prozent von 107 auf 150. Nachdem sie bereits gegen traditionelle Medien hart durchgegriffen haben, überarbeiten Länder wie China, Ägypten, Iran und Saudi-Arabien jetzt ihre Unterdrückungsstrategien. Neue Internetgesetze etwa erleichtern es ihnen, gegen Online-Journalisten und Nutzer von sozialen Netzwerken vorzugehen.
Insgesamt saßen am 1. Dezember 2018 weltweit 348 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit in Haft – mehr als die Hälfte von ihnen in nur fünf Ländern: in China (60), Ägypten (38), der Türkei (33), Iran (28) und Saudi-Arabien (28). In China sind unter den Inhaftierten 46 Bürgerjournalisten, die versuchen, der zunehmend scharfen Kontrolle der Kommunistischen Partei über traditionelle Medien zu entgehen. Einige wurden wegen eines bloßen Posts in sozialen Medien oder Messenger-Diensten festgenommen. Viele Inhaftierte in China werden misshandelt, einige gefoltert. Zehn chinesische Bürgerjournalisten drohen wegen ihres schlechten Gesundheitszustands in Haft zu sterben.
Die Türkei bleibt auch in diesem Jahr das Land, in dem weltweit die meisten professionellen Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Dass es im Vergleich zu 2017 weniger sind, bedeutet nicht, dass sich die Situation verbessert hat. Viele der Freigelassenen sind nur unter Auflagen freigekommen und warten noch auf ihr Urteil in erster oder höherer Instanz.
Saudi-Arabien zog in diesem Jahr die internationale Aufmerksamkeit auf sich, als am 2. Oktober der regimekritische Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Mindestens 28 weitere Medienschaffende sind zurzeit in Saudi-Arabien wegen ihrer Arbeit inhaftiert. Viele von ihnen wurden während der Verhaftungswelle unter Kronprinz Mohammed bin Salman im Herbst 2017 festgenommen.
59 von 60 Entführten im Nahen Osten gefangen gehalten
Ende 2018 sind weltweit 60 Medienschaffende entführt, sechs mehr als ein Jahr zuvor. Die regionale Verteilung zeigt, dass die Entführung von Medienschaffenden vor allem ein Kriegsmittel im Nahen Osten ist: Mit Ausnahme eines Journalisten, der von der separatistischen „Volksrepublik Donezk“ im Osten der Ukraine festgehalten wird, konzentrieren sich diese Fälle vollständig auf Syrien, den Jemen und den Irak.
Allein in Syrien befinden sich derzeit mindestens 31 Medienschaffende in der Gewalt verschiedener bewaffneter Gruppen. Im Irak sind 11 Medienschaffende aktuell entführt, obwohl schon im Dezember 2017 das Ende des Krieges gegen den Islamischen Staat verkündet wurde. Der IS hält trotz seiner Schwächung in beiden Ländern zusammen noch immer 24 Medienschaffende gefangen. Im Jemen halten die Huthi-Rebellen 16 Medienschaffende gefangen. Nach der Freilassung des japanischen Journalisten Jumpei Yasuda im Oktober in Syrien sind weltweit noch sechs ausländische Journalisten in der Hand von Geiselnehmern.
Drei Journalisten sind 2018 verschwunden: ein Zeitungsjournalist aus Mexiko, ein Fotograf aus Haiti und ein Online-Journalist aus Russland. Seit Monaten gibt es weder glaubhafte Bekennererklärungen für eine Entführung noch Belege für ihren Tod. Bereits seit Mitte Juli 2016 wird der burundische Reporter Jean Bigirimana vermisst.
ROG fordert UN-Sonderbeauftragten
Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen endlich zur Rechenschaft zu ziehen und den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, wirbt Reporter ohne Grenzen bei den Vereinten Nationen intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Dieser sollte die Bemühungen der verschiedenen UN-Institutionen zum Schutz von Journalisten koordinieren, bestehende völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und so die Zahl von Gewalttaten gegen Journalisten endlich wirksam verringern. Als weltweit erstes Parlament stellte sich der Deutsche Bundestag am 23. Juni 2017 hinter die Forderung von ROG.
Schon jetzt gibt es zwar eine ganze Reihe von UN-Resolutionen für einen besseren Schutz für Journalisten vor allem in Konfliktgebieten, sie hatten aber bislang kaum konkrete Auswirkungen auf die Lage der Betroffenen.
Unter Federführung von Reporter ohne Grenzen und der iranischen Anwältin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi hat im November eine internationale Kommission aus Nobelpreisträgern, Journalisten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft eine „Internationale Erklärung über Information und Demokratie“ verabschiedet. Darin forderte die Kommission ein weltweites Grundrecht auf freie und unabhängige Informationen. Der globale Informations- und Kommunikationsraum sei ein gemeinsames Gut der Menschheit, das geschützt werden müsse.
Zu den 25 Mitgliedern der Kommission zählten die Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz (USA) und Amartya Sen (Indien), der Anwalt und Menschenrechtsaktivist Teng Biao (China), die Rechtsanwältin Hauwa Ibrahim (Nigeria) sowie die Journalisten Michail Zygar (Russland), Maria Ressa (Philippinen) und Can Dündar (Türkei).
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