Marie Declercq ist Stipendiatin des Berliner Stipendienprogramms von Reporter ohne Grenzen. Für drei Monate ist sie aus Brasilien nach Berlin gekommen, um an dem Training zum Thema digitale Sicherheit teilzunehmen.
Sie hat Recht in São Paulo studiert, das Thema ihrer Abschlussarbeit war "Paedophilia, Child Pornography and the Internet". Seit 2013 schreibt sie für VICE-Brasil. Ihre Themen sind vor allem Gender, Sexualität, Menschenrechte, Politik und Verbrechen in Brasilien. Die Kolumne „Crime & Punishment in Brazil“ ist 2017 durch Marie entstanden. Außerdem ist sie Moderation der Serie „Transe“, in der es um Sexualität in Brasilien geht.
Seit Mai 2018 erhält sie Morddrohungen einer extrem rechten Gruppe per Mail und über Social Media Kanäle, weil sie über die Gruppe geschrieben hatte. Die Gruppe ist bekannt dafür, online gegen Schwarze, Frauen und Menschrechtsaktivistinnen und -aktivisten zu hetzen.
Durch diese Drohungen wurde Declercq alarmiert, ihre digitalen Spuren und somit ihre persönliche Sicherheit besser zu schützen. Während ihrer Zeit in Berlin lernt sie Möglichkeiten kennen, sich gegen digitale Überwachung zu wappnen – und hofft, dieses Wissen in Brasilien an andere Journalistinnen und Journalisten weitergeben zu können.
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Marie Declercq is a fellow on RSF Germany’s Berlin Scholarship Programme. She came to Berlin from Brazil for three months to take part in the training course on digital security.
She studied law in São Paulo. The topic of her thesis was "Paedophilia, Child Pornography and the Internet". She has been writing for VICE-Brasil since 2013. Her main topics are gender, sexuality, human rights, politics and crime in Brazil. Marie launched the column "Crime & Punishment in Brazil" in 2017. She is also moderator of the series "Transe", which deals with sexuality in Brazil.
In May 2018 she began to receive death threats from a far-right group via email and social media channels after she wrote about the group. The group is known for online incitement against blacks, women and human rights activists.
These threats made Marie realise that she needed to better protect her digital tracks and personal safety. During her stay in Berlin she learned about ways to protect herself against digital surveillance and now hopes to be able to pass this knowledge on to other journalists in Brazil.
Bildnachweis / Photo credits: (c) Reporter ohne Grenzen
"Ich bin aus einem guten Grund nach Berlin gekommen"
"Es war ein sonderbares Gefühl, in Berlin anzukommen. Meine Gefühle waren gespalten: Für drei Monate in Berlin zu leben war ein aufregender Gedanke, aber zugleich waren mein Herz und meine Sorgen in Brasilien, wegen der Präsidentschaftswahlen – die ersten Wahlen seit der Amtsenthebung der früheren Präsidentin Dilma Roussef.
Von allen Wahlen war es diese, bei der ich am meisten wählen und über die ich am meisten schreiben wollte, zusammen mit meinen Kollegen bei VICE Brazil, wo ich seit fünf Jahren arbeite. Zuerst habe ich mich schuldig gefühlt, nicht in meinem Land zu sein und richtige journalistische Arbeit über die Wahlen zu machen, besonders wegen des Sieges von Jair Bolsonaro, einem sehr rechten Politiker. Er repräsentiert den Rückschritt bei den Menschenrechten in Brasilien.
Aber ich bin aus einem guten Grund nach Berlin gekommen. Nachdem ich Morddrohungen von einer Online-Hassgruppe bekommen hatte, die mich über zwei Monate im Internet belästigte, weil ich Artikel über sie für VICE geschrieben hatte, habe ich mich für das Berliner Stipendienprogramm von Reporter ohne Grenzen beworben. Hier erhalte ich ein richtiges Training zu digitaler Sicherheit und lerne, dieses Wissen an andere Journalistinnen und Journalisten in Brasilien weiterzugeben.
Das Training und die wunderbaren Menschen, die ich während der Zeit des Stipendiums getroffen habe, haben mir geholfen, mit meiner Frustration und Enttäuschung zurechtzukommen, als Bolsonaro mit einem Erdrutschsieg gegen den Kandidaten der Arbeiterpartei, Fernando Haddad, gewann. 'Ehrlich gesagt war das meine schlimmste Befürchtung. Die Mitglieder der Gruppe, welche mich belästigte, sind große Unterstützer von Bolsonaro und sein Sieg rechtfertigt in ihren Augen all ihre Aktionen gegen mich und andere Journalisten und Aktivisten, die sich getraut haben, über die Internet-Hassverbrechen der Gruppe zu berichten.
Der Sieg der extremen Rechten in Brasilien bestärkt meinen Willen, zurück in mein Land zu gehen und all das Wissen über digitale Sicherheit zu anderen Journalistinnen und Journalisten zu tragen. Es wird immer normaler, in unserem Beruf über Soziale Medien Morddrohungen zu erhalten, deswegen denke ich, dass es keinen besseren Zeitpunkt für das Training gibt als jetzt. Ich vermisse jetzt schon Berlin, vor allem die Spätis und die schönen Museen, aber 2019 ist es Zeit, zurück nach Brasilien zu gehen um dort zu tun, was ich am besten kann."
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"I came to Berlin for a good reason."
"It was a strange feeling to arrive in Berlin. I had mixed feelings: I was excited at the prospect of living in Berlin for three months, but at the same time my heart and worries were in Brazil, because of the presidential elections there – the first elections since former president Dilma Roussef’s removal from office.
Of all the elections it was this one I most wanted to take part in and write about, together with my colleagues at VICE Brazil, where I have worked for the last five years. At first I felt guilty about not being in my country and doing proper journalistic work on the elections, especially after the victory of Jair Bolsonaro, a very right-wing politician. He represents a step backwards in terms of human rights in Brazil.
But I came to Berlin for a good reason. I applied for RSF Germany’s Berlin Scholarship Programme after receiving death threats from an online hate group that trolled me on the internet for two months because I had written an article about them for VICE. Here, I am getting proper training in digital security and learning how to pass on this knowledge to other journalists in Brazil.
The course and the wonderful people I met during the scholarship programme helped me to deal with the frustration and disappointment I felt when Bolsonaro won a landslide victory against the candidate of the Worker’s Party (PT) Fernando Haddad. Quite frankly that had been my worst fear. The members of the group that harassed me are big supporters of Bolsonaro, and in their eyes his victory justified all their actions against me and other journalists and activists who dared to report on the group’s online hate crimes.
The victory of the far right in Brazil has strengthened my determination to return to my country and bring all the knowledge about digital security to other journalists. In our profession it is becoming increasingly normal to receive death threats, and this is why I think that there’s no better time for this training course than now. I already miss Berlin, especially the open-late stores and the beautiful museums, but in 2019 it’s time to return to Brazil to do what I do best there."
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