Saudi-Arabien 02.03.2022

Raif Badawi muss endlich freikommen

Zu sehen ist Raif Badawis Frau Ensaf Haidar, die auf einer Protestaktion ein Bild des Bloggers in den Händen hält. © picture alliance / AP Photo / Christian Lutz
Raif Badawis Frau Ensaf Haidar auf einer Protestaktion. © picture alliance / AP Photo / Christian Lutz

Nach zehn Jahren Haft hätte der saudi-arabische Blogger Raif Badawi am Montag (28.02.) entlassen werden sollen, doch er wird weiterhin im Zentralgefängnis von Dhahban nördlich von Dschidda festgehalten. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die saudischen Behörden auf, Badawi unverzüglich freizulassen und ihm zu erlauben, zu seiner Familie nach Kanada zu ziehen.

„Es ist empörend, dass Raif Badawi nach zehn langen Jahren noch immer im Gefängnis sitzt“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Er hätte nie auch nur einen einzigen Tag hinter Gittern verbringen dürfen. Jetzt, da er die volle Strafe abgesessen hat, gibt es für die saudischen Behörden keine rechtliche Grundlage mehr, ihn weiterhin festzuhalten. Wir fordern sie dringend auf, Badawi sofort freizulassen und ihm zu ermöglichen, auf sicherem Weg zu seiner Familie nach Kanada zu reisen.“

Badawis Frau Ensaf Haidar hatte auf Twitter die Tage bis zu seiner Freilassung gezählt, allerdings war es nie sicher, ob Badawi tatsächlich entlassen werden würde. RSF hat die saudischen Behörden kontaktiert, aber keine Antwort erhalten.

Raif Badawi hatte 2008 ein Online-Forum mit dem Namen „Die saudischen Liberalen“ begründet, in dem er mit außergewöhnlicher Offenheit religiöse und gesellschaftliche Themen diskutierte. Im Jahr 2012 wurde er verhaftet und ein Jahr später wegen „Beleidigung des Islams“ zu zehn Jahren Gefängnis, 1.000 Peitschenhieben, einer Geldstrafe von einer Million Rial und einem zehnjährigen Ausreiseverbot nach Beendigung seiner Haftstrafe verurteilt.

Ensaf Haidar lebt seit 2013 in Québec und kämpfte seit dem ersten Tag dafür, dass ihr Mann freikommt. Sie hofft nun darauf, dass Ottawa ihm die kanadische Staatsbürgerschaft verleiht und damit seinen Umzug nach Kanada erleichtern könnte. „Die Regierung hat jetzt die Chance, sich mit uns zu solidarisieren, unseren Schmerz zu lindern und [Raifs] einzigartigen Beitrag zur weltweiten Menschenrechtsbewegung anzuerkennen, indem sie ihm die Staatsbürgerschaft gewährt und seine Wiedervereinigung mit seiner Familie sicherstellt“, sagte Haidar zuletzt in einem Tweet.

Allerdings wird Rafi Badawi Saudi-Arabien nicht verlassen können, solange das zehnjährige Ausreiseverbot nicht aufgehoben ist. Aus diesem Grund hat Haidar auch an den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) geschrieben und um eine königliche Begnadigung gebeten. „Eure Königliche Hoheit, ich appelliere an den Vater und Ehemann, der Sie sind“, schrieb Haidar. „Das Schicksal unserer Familie liegt in Ihren Händen.“

Im April 2020 kündigte Saudi-Arabien an, als Teil der „Vision 2030“ die besonders grausame Form der Bestrafung mit Peitschen- oder Stockhieben abzuschaffen. Zur „Vision 2030“, einem von MBS persönlich inszenierten und vorangetriebenen Modernisierungspaket, gehören auch Reformen im Bereich der Menschenrechte. Im Januar 2015 erhielt Badawi zunächst 50 Peitschenhiebe. Die restlichen sollten ebenfalls vollstreckt werden, wurden aber, auch aufgrund des großen öffentlichen Aufschreis, ausgesetzt. Neben vielen anderen Organisationen setzt sich auch RSF seit Jahren für Badawi ein, unter anderem mit Mahnwachen vor der saudischen Botschaft in Berlin.

Neben Badawi sitzen derzeit mindestens weitere 28 Journalisten, Reporterinnen und Medienmitarbeitende in Saudi-Arabien im Gefängnis. Die Schicksale dieser willkürlich inhaftierten Medienschaffenden sind in die 300 Seiten starke Strafanzeige eingeflossen, die Reporter ohne Grenzen Anfang März 2021 beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe gegen Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman eingereicht hat. Kernbestandteil der Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit war zudem der Mord an Jamal Khashoggi. Der prominente Journalist war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul grausam ermordet worden. RSF wirft dem Kronprinzen und weiteren hochrangigen Vertretern des Königreichs vor, Medienschaffende anhaltend und systematisch zu verfolgen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz 170 von 180 Staaten.



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