Russland / Ukraine

Haft für Journalisten in besetzten Gebieten

Haft für Journalisten in besetzten Gebieten
© RSF
Die beiden Medienschaffenden Heorhij Lewtschenko und Wladislaw Herschon wurden zu jeweils 15- und 16-jährigen Haftstrafen verurteilt.

Weil sie über die Lage in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten berichteten, wurden Heorhij Lewtschenko und Wladislaw Herschon zu jeweils 15- und 16-jährigen Haftstrafen verurteilt. Diese Gerichtsentscheidungen wurden am 2. und 3. September von russisch kontrollierten Gerichten getroffen. Reporter ohne Grenzen (RSF) kritisiert diese Urteile scharf und macht auf die 26 ukrainischen Medienschaffenden aufmerksam, die sich derzeit in russischer Gefangenschaft befinden.

„Das sind keine Gerichtsprozesse, sondern politische Spektakel,“ sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Die russische Regierung missbraucht ihre Präsenz in den besetzten Gebieten der Ukraine, um unabhängigen Journalismus zu kriminalisieren. Journalisten werden zu Unrecht verurteilt, um anschließend unter unerträglichen Bedingungen jahrelang in Haft zu sitzen.“

Diese zwei Urteile sind die ersten gegen insgesamt sechs Journalistinnen und Journalisten, die russische Soldaten während einer Offensive auf die ostukrainische Stadt Melitopol im August 2023 gefangen genommen haben. Heorhiy Levchenko muss 16 Jahre in einem Hochsicherheitsstraflager verbringen. Er wurde wegen angeblichen Hochverrats und Anstiftung zu Extremismus in einem von russischen Streitkräften kontrollierten Regionalgericht in Saporischschja verurteilt. Das Gericht erklärte, dass der von Levchenko geführte Telegram-Nachrichtenkanal Ria-Melitopol für „anti-russische und pro-ukrainische Propaganda genutzt“ werde und Informationen über die besetzten Gebiete an ukrainische Streitkräfte verbreitet habe. Der Messengerdienst Telegram wird sowohl in Russland als auch in der Ukraine als wichtige Informationsquelle im Angriffskrieg genutzt.

Vladyslav Hershon, der den Telegram-Kanal Melitopol tse Ukraina (zu Deutsch: „Melitopol ist Ukraine“) geführt hat, wurde von einem Militärgericht in der russischen Stadt Rostov am Don zu 15 Jahren Haft wegen angeblichen Terrorismus’ verurteilt. In einem der seltenen Briefe an seine Familie schrieb Hershon aus dem Gefängnis: „Jeder Morgen ist Hölle“ – und gibt mit diesen Worten einen Einblick in die besonders grausamen Haftbedingungen der ukrainischen Medienschaffenden, die von russischen Kräften in den besetzten Gebieten gefangen genommen wurden.

Festnahmen von Journalisten als Repressionsmittel

Als im August 2023 eine Welle von Verhaftungen von Journalistinnen und Journalisten in der besetzten Stadt stattfand, dokumentierte RSF sieben Festnahmen. Zwei Jahre später ist nur einer von ihnen in Freiheit: Mark Kaliusch, ein weiterer Mitarbeiter von Melitopol tse Ukraina, wurde vor zehn Tagen bei einem Gefangenenaustausch an die Ukraine übergeben. Er wurde nach mehr als eineinhalb Jahren Untersuchungshaft zuletzt im Sommer 2025 von einem russischen Gericht in eine psychiatrische Einrichtung zwangseingewiesen und dort mindestens einen Monat lang gefoltert.

Reporter ohne Grenzen fordert die sofortige Freilassung von Heorhiy Levchenko, Vladyslav Hershon und und der vier Medienschaffenden, die weiter ohne Urteil hinter Gittern sitzen. 

Pressefreiheit in besetzten ukrainischen Gebieten in kritischer Lage

Nicht nur wird die Pressefreiheit in Russland und den besetzten ukrainischen Gebieten massiv eingeschränkt, auch die Beschaffung unabhängiger Informationen ist extrem schwierig: Anfang September wurde Anwohnern der Belgoroder Region (grenzend an die Ukraine) verboten, Informationen über den Angriffskrieg aus „inoffiziellen Quellen“ zu teilen. Lediglich Informationen aus Staatsorganen dürften weitergeleitet werden.

Verhaftungen von Journalistinnen und Journalisten sowie regimekritischen Stimmen sind in besetzten ukrainischen Gebieten sowie in Russland selbst eine gängige Repressionsstrategie. Laut der RSF-Statistik befinden sich zurzeit mindestens 26 ukrainische Medienschaffende im russischen Gefängnis. 

Russland belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 171 von 180. Die Ukraine belegt auf der Rangliste der Pressefreiheit Platz 62.