Israel / Palästinensische Gebiete

Oberstes Gericht muss Gaza-Zugang gestatten

Oberstes Gericht muss Gaza-Zugang gestatten
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Debbie Hill
Das Oberste Gericht Israels mit Sitz in Jerusalem.

Seit zwei Jahren bemühen sich internationale Medienhäuser darum, unabhängig aus dem Gazastreifen zu berichten. Nun hat sich Reporter ohne Grenzen (RSF) einem Antrag der Foreign Press Association (FPA) in Jerusalem vor dem Obersten Gericht Israels angeschlossen. Darin fordert die FPA, internationalen Berichterstattenden ungehinderten Zugang in den Gazastreifen zu erlauben.

„Seit zwei Jahren blockiert Israel den Zugang von internationalen Medienschaffenden nach Gaza fast vollständig“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Wir fordern den Obersten Gerichtshof in Jerusalem auf, endlich grundlegende demokratische Prinzipien durchzusetzen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, Gaza nicht für internationale, israelische und palästinensische Medien zu öffnen.“

Die erste Anhörung des Obersten Gerichtshofs ist für den 23. Oktober angesetzt. Um die Position der FPA zu unterstützen, hat RSF am 15. Oktober beim Obersten Gerichtshof einen Amicus-Brief eingereicht. Darin legt RSF detailliert und unter juristischen Gesichtspunkten dar, wie die israelischen Behörden die Pressefreiheit und das Recht auf Information verletzen.

Beispiellose Verletzung des Rechts der Öffentlichkeit auf Information

Seit dem 7. Oktober 2023 durften nur wenige, ausgewählte Journalistinnen und Reporter in Begleitung der israelischen Armee in den Gazastreifen einreisen. Die Bedingungen für diese sogenannten „embeds“ sind sehr streng; sie erlauben keine unabhängige Berichterstattung. Die Pressefreiheit und das damit verbundene Recht der Öffentlichkeit auf Information aus Gaza ist erheblich eingeschränkt.

Die FPA versucht seit langem, diese israelische Politik der Abschottung juristisch anzufechten. Den ersten Antrag hat der Oberste Gerichtshof innerhalb der ersten Monate des Krieges abgelehnt. Die Prüfung des zweiten Antrags hat das Gericht bisher sechsmal vertagt. Die FPA vertritt in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen etwa 400 Korrespondentinnen und Korrespondenten internationaler Medien, darunter Die Zeit, La Stampa, BBC, Financial Times, France 24, Time, Le Monde, Reuters, Fox News, Guang Ming Daily, CCTV, Sky News, RTBF, Al Arabiya News Channel, The New York Times und Rai Uno. Vorsitzende der 1957 gegründeten Vereinigung ist die deutsche DW-Korrespondentin Tania Krämer.

Blockade überlässt palästinensische Medienschaffende ihrem Schicksal

Aufgrund der Medienblockade obliegt die Berichterstattung nahezu ausschließlich den palästinensischen, teils mehrfach vertriebenen und Not leidenden Medienschaffenden. Nach RSF-Recherchen sind mehr als 210 von ihnen bei Angriffen der israelischen Streitkräfte in Gaza ums Leben gekommen. Mindestens 56 davon wurden während oder im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Arbeit getötet. RSF hat zudem dokumentiert, wie Medienschaffende in Gaza seit Beginn der verheerenden israelischen Gegenoffensive diffamiert und bedroht werden. Die israelischen Verleumdungskampagnen reichen von der Verbreitung gefälschter Bilder bis zur Einrichtung einer Online-Plattform, auf der palästinensische Medienschaffende diskreditiert werden. Mehrere Journalisten wurden auf der Grundlage nicht überzeugender Vorwürfe sogar gezielt durch die israelische Armee getötet. Auch deshalb hat RSF am 26. September eine weitere Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof wegen israelischer Kriegsverbrechen gegen Journalistinnen und Journalisten im Gazastreifen eingereicht.

Am Sonntag, 19. Oktober, wurde der Standort der Produktionsfirma Palestine Media Production (PMP) in Deir el Balah im Süden von Gaza von einer israelischen Rakete getroffen. Bei dem Beschuss wurde Ahmad Abu Mutayr, ein 37-jähriger Sendetechniker der Firma, getötet, außerdem der achtjährige Sohn eines anderen Mitarbeiters. Ein weiterer Mitarbeiter wurde verletzt. Mehrere deutlich als „Presse“ gekennzeichnete Fahrzeuge wurden zerstört. PMP arbeitet seit Jahrzehnten unter anderem mit dem ZDF-Studio in Tel Aviv und weiteren internationalen Medienhäusern zusammen. RSF verurteilt diesen Angriff scharf.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Israel auf Platz 112 von 180. Die Palästinensischen Gebiete stehen auf Rang 163.