Das Programm der künftigen Regierung unter dem designierten Premierminister Andrej Babis droht, die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien zu untergraben und politische Angriffe auf private sowie im Exil ansässige Medien mit Sitz in Prag zu erleichtern. Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die tschechischen Abgeordneten dazu auf, diese Vorhaben abzulehnen, und fordert von der Europäischen Kommission, Tschechien als Land mit einem erhöhten Risiko für Pressefreiheit einzustufen.
In einer gemeinsamen Erklärung vom 10. November warnen RSF und die Gewerkschaft Tschechischer Journalist*innen, dass die Pläne der künftigen Regierung „zu einem Rückschritt bei den Freiheiten und zu finanzieller Instabilität für die öffentlich-rechtlichen Medien führen“ und „im Widerspruch zum Europäischen Medienfreiheitsgesetz (EMFA) stehen könnten“.
„Mit den geplanten Maßnahmen verstößt die künftige Regierung nicht nur gegen den Geist des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes, sondern gefährdet auch das Fundament eines pluralistischen Mediensystems. Nach Ungarn und der Slowakei müssen wir befürchten, dass auch Tschechien sich von den Prinzipien der Medienfreiheit verabschiedet. Es darf keine politischen Angriffe auf die freie Presse geben. Dafür muss sich auch die deutsche Regierung einsetzen”, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus.
Seit Inkrafttreten des EMFA im August sind EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, die „redaktionelle und operative Unabhängigkeit“ öffentlich-rechtlicher Medien zu garantieren und ihnen „ausreichende, nachhaltige und zuverlässig planbare finanzielle Mittel“ bereitzustellen. Dennoch plant die neue Parlamentsmehrheit, die aus den Wahlen zur Abgeordnetenkammer im Oktober hervorgegangen ist, die Rundfunkgebühren abzuschaffen – jene zentrale Finanzierungsquelle, die die Unabhängigkeit des Tschechischen Fernsehens (ČT) und Tschechischen Rundfunks (ČRo) sichert. Ziel sei es, „die Belastung der Bürger und Unternehmen zu verringern“ – ein Vorhaben, für das kein alternatives, EU-rechtskonformes Finanzierungsmodell vorgeschlagen wurde.
Die drei Parteien, die sich auf eine Regierungskoalition verständigt haben, verpflichten sich zudem, „Doppelstrukturen und unnötige Kosten“ bei den öffentlichen Medien zu beseitigen – ohne diese näher zu benennen. Dies deutet auf frühere Drohungen hin, ČT und ČRo zusammenzulegen. Das würde der Regierung ermöglichen, die Leitung der Sender neu zu besetzen, die sie wiederholt und ohne Belege der „Korruption“ bezichtigt hat. Das Versprechen, die Unabhängigkeit der öffentlichen Medien zu „wahren“, bleibt unerfüllt.
Bedrohung für private und Exilmedien
Nicht nur öffentlich-rechtliche Medien sind betroffen. Die künftige Regierung unter Andrej Babis, der bereits von 2017 bis 2021 Premierminister war, plant neue Auflagen und Einschränkungen für private und im Exil tätige Medien in Tschechien, die als Non-Profit-Organisationen registriert sind. Medien, die „politisch aktiv sind und ausländische Finanzierung erhalten“, sollen verpflichtet werden, dies „transparent zu kennzeichnen“.
Zwar ist das erklärte Ziel, „den Missbrauch öffentlicher Gelder für politische Aktivitäten zu verhindern“, doch in der Praxis könnten diese Bestimmungen politische Angriffe auf regierungskritische Medien erleichtern. Das Vorhaben scheint vom ungarischen „Souveränitätsschutzgesetz“ inspiriert zu sein – selbst eine abgewandelte Variante des russischen „Agentengesetzes“ – das es Premierminister Viktor Orban ermöglicht, unabhängige Medien als „Staatsfeinde“ zu brandmarken.
Babis selbst hatte kürzlich seine Haltung deutlich gemacht: Auf einer Pressekonferenz am 3. November griff er Pavla Holcova, Chefredakteurin von Investigace.cz, an und bezeichnete sie als Leiterin einer „politischen NGO“. Holcova hatte über seine Villenkäufe in Frankreich berichtet, die mit angeblich illegal erwirtschafteten Geldern finanziert worden waren. Daraufhin machte Babis die Reporterin für seine Wahlniederlage 2021 verantwortlich. Bis heute wird die Angelegenheit von den französischen Behörden untersucht
Der gemeinsame Appell von RSF und der Gewerkschaft Tschechischer Journalist*innen baut auf einer Initiative auf, die bereits vor den Wahlen im Oktober gestartet wurde. Damit wurden die Parteien aufgefordert, sich zu verpflichten, Gesetze abzulehnen, die Medienschaffende einschüchtern, und die Unabhängigkeit der öffentlichen Medien und ihrer Finanzierung zu wahren.
RSF begrüßt zudem, dass eine zentrale Empfehlung umgesetzt wird: Medienfachleute in Gesetzgebungsprozesse einzubeziehen, die die Pressefreiheit betreffen. Der Oppositionssenator David Smoljak hat dazu am 13. November ein Seminar zu öffentlich-rechtlichen Medien organisiert, an dem sowohl Direktor*innen der Rundfunksender als auch Mitglieder beider Parlamentskammern teilgenommen haben.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Tschechien den Platz 10 von 180.
