Zwei Kameramänner müssen für fünf Jahre ins Gefängnis – wegen Videos, die sie nicht selbst produziert haben. Schoomart Duulatow und Alexander Alexandrov wurden am 17. September von einem kirgisischen Gericht zu Haftstrafen in einer Strafkolonie verurteilt. Beide sind ehemalige Mitarbeitende des unabhängigen Investigativmediums Kloop, das regelmäßig Korruptionsrecherchen innerhalb der kirgisischen Regierung veröffentlicht. Mit diesem Urteil senden die kirgisischen Behörden und Präsident Sadyr Dschaparow ein deutliches Zeichen gegen unabhängigen Journalismus und regimekritische Stimmen. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die Freilassung der Medienmitarbeiter und blickt mit Sorge auf die Lage der Pressefreiheit in Kirgistan.
Seit Dschaparows Amtsantritt im Jahr 2020 geraten Journalist*innen und Redaktionen immer wieder unter Druck. So wurde im vergangenen Jahr ein Gesetz über sogenannte „ausländische Agenten“ beschlossen – eine autoritäre Strategie nach russischem Vorbild: Das Gesetz gibt der Regierung die Macht, unabhängige Medien, welche Fördermittel aus dem Ausland erhalten, mühelos einstellen zu lassen. Seitdem häufen sich strafrechtliche Verfahren gegen Medienschaffende. Behörden setzen zunehmend auf Einschüchterung, dabei dient oft ein sogenannter „Aufruf zu Massenunruhen“ als Strafverfolgungsgrund. Mehrere Redaktionen wurden bereits von Sicherheitskräften durchsucht und zur Schließung gezwungen.
Dubiose Gerichtsprozesse
Der aktuelle Fall um Kloop zeigt exemplarisch, wie der Druck auf unabhängigen Journalismus in Kirgistan weiter wächst: Die kirgisische Staatsanwaltschaft wirft Duulatow und Alexandrow vor, fünf Videos für den YouTube-Kanal Temirov Live produziert zu haben – diese sollen angeblich zu Massenunruhen aufrufen. Seit Mai sitzen beide Männer in Untersuchungshaft. Doch Temirov Live steht in keinem Zusammenhang mit Kloop oder dessen Mitarbeitenden. Der Kanal wird von dem im Exil lebenden Regimekritiker Bolot Temirow betrieben, der 2022 wegen seiner Recherchen und politischen Positionen direkt aus dem Gerichtssaal abgeschoben wurde. Nachdem im vergangenen Jahr elf im Zusammenhang mit Temirow stehende Medienschaffende verhaftet und teilweise zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, arbeitet die Redaktion inzwischen aus dem Ausland. Temirow selbst bestätigte, dass er keinerlei Verbindung zu Kloop oder den Angeklagten hat.
Während ihrer Zeugenaussagen zogen beide Angeklagten ihre früheren Aussagen gegenüber der Polizei zurück. Sie betonten, die Verhöre hätten ohne anwaltlichen Beistand stattgefunden, und berichteten davon, unter Druck gesetzt worden zu sein – mit dem Versprechen, im Gegenzug für Geständnisse Hausarrest statt Haftstrafen zu erhalten. Auch die geladenen Zeugen distanzierten sich von der Anklage. Vor allem bleibt unklar, warum Kloop im Zentrum des Verfahrens sei, während die angeblichen Beweismittel von einem anderen Medium stammen.
Zwei weitere Kloop-Mitarbeitende – Buchhalterinnen – wurden ebenfalls verurteilt, erhielten jedoch aufgrund ihres Alters mehrjährige Bewährungsstrafen. Alle fünf Medienmitarbeitenden hatten laut Kloop und auch eigenen Aussagen vor Gericht nichts mit den fünf Videos zu tun, die die Staatsanwaltschaft als Beweismittel vorgelegt hatte. Auch ein linguistischer Sachverständiger, der als Zeugen geladen war, konnte keinen Zusammenhang zwischen den Videos und den Angeklagten feststellen.
Repressionen gegen kritische Medien
Dies ist nicht das erste Mal, dass Kloop juristisch angegangen wird: bereits 2024 ordnete ein Gericht in Bischkek an, die Redaktion nach einer Rechercheveröffentlichung zu Korruption im Kreis des Präsidenten zu „liquidieren.“ Bis heute wurde diese Entscheidung nicht zurückgenommen, Kloop klagt mit der Unterstützung mehrerer internationaler Menschenrechtsorganisationen gegen die Zerschlagung.
Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit liegt Kirgistan auf Platz 144 von 180 – zwischen 2022 und 2025 ist das Land um 52 Plätze gefallen.
