Vietnam

Verschärfte Maßnahmen gegen regimekritisches Exil-Medium: Anklage in Berlin und Inhaftierung in Hanoi

Verschärfte Maßnahmen gegen regimekritisches Exil-Medium: Anklage in Berlin und Inhaftierung in Hanoi
© Vietnamesisches Staatsfernsehen / Thoibao.de
Wir verurteilen die Anklage gegen den Journalisten Trung Khoa Le scharf

Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die von vietnamesischen Behörden erhobenen Anklagen gegen den in Berlin lebenden Chefredakteur und Herausgeber des Exilmediums Thoibao.de, Trung Khoa Le, sowie gegen seinen Mitarbeiter Do Van Nga scharf. Vietnamesische Staatsmedien berichteten am Montag übereinstimmend, das Ministerium für öffentliche Sicherheit in Hanoi habe Haftbefehle gegen beide erlassen – wegen „Herstellung, Speicherung, Verbreitung und Weitergabe von Informationen, Dokumenten und Gegenständen gegen die Sozialistische Republik Vietnam“.

Trung Khoa Le ist in Berlin auf freiem Fuß, da Deutschland kein Auslieferungsabkommen mit Vietnam hat. Sein Kollege Do Van Nga sitzt stattdessen seit rund zehn Tagen in Vietnam in Haft. Er hatte zuvor aus dem thailändischen Exil journalistisch für Thoibao.de gearbeitet und war lediglich nach Vietnam gereist, weil sein vietnamesischer Reisepass abgelaufen war und er ihn nur dort erneuern konnte.

„Die Anklagen gegen die Journalisten von Thoibao.de sind ein Angriff auf die Pressefreiheit – und zwar weit über Vietnams Grenzen hinaus“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen Deutschland. „Dass Hanoi einen in Berlin lebenden Journalisten ins Visier nimmt und parallel seinen Kollegen im Inland festhält, zeigt die Reichweite des repressiven Apparats. Wir fordern die sofortige Freilassung von Do Van Nga und ein Ende der Einschüchterungsversuche gegen Trung Khoa Le.“

Laut Artikel 117 des vietnamesischen Strafgesetzbuches drohen bei den erhobenen Vorwürfen Freiheitsstrafen zwischen einem und fünf Jahren, in schweren Fällen sogar bis zu zwanzig Jahren.

Repressive Kampagne gegen unabhängige Berichterstattung

Die Anklagen sind Teil einer breiten Kampagne gegen das aus Deutschland heraus arbeitende vietnamesischsprachige Medium Thoibao.de. Das Medium berichtet über Politik und Wirtschaft in Vietnam sowie internationale Entwicklungen – ohne sich der in Vietnam geltenden Pressezensur zu unterwerfen.

Thoibao.de verzeichnet rund 20 Millionen Zugriffe pro Monat, davon 95 Prozent aus Vietnam. Seit Jahren versucht das Hanoier Ministerium für öffentliche Sicherheit, die Auftritte des Mediums auf Facebook – der wichtigsten Informationsplattform des Landes – zu behindern. Parallel überziehen Vingroup und deren deutsche Tochtergesellschaft Vinfast Germany GmbH die Redaktion mit kostspieligen Einschüchterungsklagen.

Der Kampf von Trung Khoa Le

Trung Khoa Le, Chefredakteur und Herausgeber von Thoibao.de, erfuhr aus vietnamesischen Staatsmedien von den Anklagen. Er lebt seit den 1990er Jahren in Deutschland, besitzt die deutsche und die vietnamesische Staatsbürgerschaft und steht in Berlin wegen wiederholter Bedrohungen bereits seit Jahren unter Polizeischutz. Kürzlich hatte das Exilmedium vermehrt mit digitalen Angriffen zu kämpfen

Le selbst kommentierte die neuerliche Verfolgungswelle: „Ich bin dankbar, in einem Rechtsstaat zu leben, der die freie Ausübung journalistischer Tätigkeit in seiner Verfassung verankert hat. Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung derzeit keine Menschen nach Vietnam ausliefert. Insofern betrifft mich die angekündigte Haftstrafe erst einmal nicht, es sei denn, ich werde wie 2017 Trinh Xuan Thanh nach Vietnam entführt.“

Mit Blick auf seinen festgenommenen Kollegen fordert Le: „Ich fordere die Regierung in Hanoi auf, Herrn Do Van Nga sofort freizulassen, denn er hat nichts anderes getan, als sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich für die Freilassung des Kollegen einzusetzen.“

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Vietnam auf Platz 173 von 180 Ländern.