Länderportal

Äthiopien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 130 von 180
Äthiopien 06.09.2023

Regierung will Berichte über Amhara verhindern

Mehrere Protestierende mit Schildern gegen die Verfolgung der Amhara
Proteste in Rom gegen die Verfolgung der Amhara © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Marcello Valeri

Mindestens elf Medienschaffende sind seit April dieses Jahres von den äthiopischen Behörden verhaftet worden, weil sie über die Spannungen in der Region Amhara im Norden des Landes berichtet hatten. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert ihre Freilassung. Auch alle weiteren Journalistinnen und Journalisten, die in Äthiopien willkürlich festgehalten werden, müssen freikommen.

„Die äthiopische Regierung versucht, die unabhängige Berichterstattung über die in der Amhara-Region herrschenden Konflikte zu verhindern. Journalistinnen und Journalisten können sich nicht mehr kritisch äußern oder bestimmte Themen ansprechen, ohne eine willkürliche Verhaftung zu riskieren“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Bereits im Mai 2022 hatte es eine Verhaftungswelle von Medienschaffenden im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Konflikte in Amhara gegeben. Die Region ist die zweitbevölkerungsreichste des Landes. Dort kommt es seit mehreren Jahren zu Spannungen zwischen dem Militär und nationalistischen Amhara-Milizen. Äthiopien ist von mehreren ethnischen und regionalen Gruppen geprägt. Die Amharen sind die zweitgrößte ethnische Gruppe des Landes. Sie werden von der größten, den Omoro, an den Rand gedrängt und sind häufig Opfer von Übergriffen. Seit April haben sich die Zusammenstöße noch verschärft. Damals hatte Premierminister Abiy Ahmed angekündigt, die regionalen Streitkräfte in ganz Äthiopien auflösen zu wollen.

Anfang August wurde aufgrund der immer stärker werdenden Konflikte der Ausnahmezustand in Amhara verhängt. Am 3. August wurde der Gründer und Redakteur von Alpha Media, Bekalu Alamrew, von der Polizei verhaftet. Er hatte über die Zusammenstöße zwischen dem Militär Bundesarmee und lokalen Milizen berichtet. Seitdem wird Alamrew festgehalten. Er wurde weder einem Richter vorgeführt noch hat die Polizei Gründe für die Verhaftung bekanntgegeben.

Am 10. August wurde Abay Zewdu festgenommen, der Leiter des Youtube-Kanals des Amhara Media Centre. Zewdu wurde bereits im April wegen seiner Berichterstattung über politische und soziale Themen im Zusammenhang mit der Lage der Amhara verhaftet und verbrachte damals drei Wochen im Gefängnis. Yidnekachew Kebede, Gründer des Online-Kanals Negari TV, wurde am Morgen des 17. August in seinem Haus verhaftet.

Im Zuge ihrer Berichterstattung über die Region Amhara wurden bereits im April acht Medienschaffende verhaftet. Eine von ihnen ist Genet Asmamaw. Sie hatte als Reporterin für das Onlinemedium Yegna Media über die Entwicklungen in Amhara berichtet. Asmamaw wird Anstiftung zur Gewalt vorgeworfen. Mehrere äthiopische Medien veröffentlichten eine Tonaufnahme, die ihren Vorwurf, sie sei bei ihrer Verhaftung am 6. April von der Polizei misshandelt worden, untermauern. Asmamaw sitzt bis heute in Haft.

Drei Verhaftungen in einem Jahr

Die Gründerin und Herausgeberin des unabhängigen Medienunternehmens Ethio Nikat Media, Meskerem Abera, musste Ähnliches erdulden. Sie wurde am 9. April in ihrem Haus verhaftet, zum bereits dritten Mal innerhalb eines Jahres. Abera wird von den Behörden beschuldigt, die Fano, eine ethno-nationalistische Jugendmiliz der Amharen, finanziert zu haben. Das Onlinemedium Ethiopia Insider veröffentlichte einen Artikel, in dem die Journalistin verteidigt wurde und die Anschuldigungen gegen sie kritisiert wurden. Daraufhin verlangte die äthiopische Medienaufsichtsbehörde die sofortige Rücknahme dieses Textes. Zudem drohte die Polizei dem Medium wegen der Veröffentlichung angeblicher Falschinformationen mit Strafverfolgung.

Am selben Tag wie Genet Asmamaw wurde auch der Herausgeber des Onlinemediums Negere Wolkait Media, Assefa Adane, verhaftet. Adane hatte zuvor mehrere Berichte über die Amharen veröffentlicht. Dawit Begashaw, Mitbegründer und Herausgeber des Onlinemediums Arat Kilo Media und leitendes Mitglied der Äthiopischen Medienvereinigung, wurde sechs Tage später in Bahir Dar verhaftet, der Hauptstadt Amharas. Er hatte in von Arat Kilo veröffentlichten Videos scharfe Kritik am Premierminister geübt und sich in einem Leitartikel gegen die Auflösung der Amhara-Sondereinheiten ausgesprochen. Begashaw ist weiterhin in Haft.

Medien gehen hohe Risiken ein

Wenn Medien über die Konflikte in der Region Amhara und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung berichten, steigt das Risiko von Übergriffen sprunghaft an. So gab es in der Nacht des 16. Juli einen Einbruch beim Ethiopia Insider. „Die Kameras wurden gestohlen, aber die Akkus wurden nicht mitgenommen“, sagte ein Mitarbeiter gegenüber RSF. „Die Einbrecher waren nicht auf Geld aus, sondern wollten uns an der Arbeit hindern.“ Das Medium musste alle geplanten Videoproduktionen einstellen.

Im März brachen Unbekannte in die Räumlichkeiten des Internet-Senders Ethio 251 ein, obwohl dieser unter dem Schutz der Regierung stand. Der dabei entstandene Schaden wird auf umgerechnet mehr als 30.000 Euro geschätzt, konnte aber durch eine Spendenaktion wieder ausgeglichen werden. Die Büroräume wurden auch von den bereits genannten Medien Arat Kilo und Negere Welkait genutzt.

Die Diffamierung äthiopischer Journalistinnen und Journalisten und Medien, die über Konflikte berichten, ist nicht neu. Die Behörden setzten schon während des Krieges in der Region Tigray von November 2020 bis November 2022 Medienschaffende unter Druck: Sie sollten die Armee unterstützen und nicht über Gräueltaten und das Leid der Zivilbevölkerung berichten.

Einige Medienschaffende flohen ins Ausland, weil sie bedroht wurden. Aber auch im Exil sind sie oft nicht sicher. Gobeze Sisay, ein Journalist, der an der Gründung des Youtube-Kanals The Voice of Amhara beteiligt war, wurde am 6. Mai von Dschibuti an Äthiopien ausgeliefert und inhaftiert. Ihm wird Terrorismus vorgeworfen, weil er angeblich mit extremistischen Kräften in der Amhara-Region zusammengearbeitet hat, um die regionale Führung zu stürzen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Äthiopien auf Rang 130 von 180 Ländern.



nach oben