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China

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 172 von 180
Länderbericht 29.03.2019

China strebt nach weltweiter Medien-Hegemonie

Chinas Präsident Xi Jinping © picture alliance / MAXPPP

China will mit Milliardenmitteln eine „neue Weltordnung der Medien“ schaffen. Im Rahmen einer langfristigen Strategie bauen Regierung und Kommunistische Partei dazu ihre Auslandsmedien aus, kaufen Anteile an Medien in anderen Ländern und bilden Tausende Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt zu pro-chinesischen Multiplikatoren aus. Gegen kritische Journalistinnen und Journalisten gehen sie auch im Ausland mit Verleumdung, Druck und Drohungen vor. Ein ausführlicher Bericht von Reporter ohne Grenzen zeigt nun auf, wie systematisch und erfolgreich Regierung und KP unter Staats- und Parteichef Xi Jinping nach weltweiter medialer Hegemonie streben.

„Unter Präsident Xi sind Journalistinnen und Journalisten in China nur als Erfüllungsgehilfen der staatlichen Propaganda erwünscht“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Um ihre totalitäre Vision handzahmer, aus Peking gelenkter Medien auch international durchzusetzen, sind der chinesischen Führung alle Mittel recht. Chinas Streben nach weltweiter medialer Dominanz ist eine konkrete Gefahr für demokratische Länder.“

Chinas Ziel einer neuen Weltordnung der Medien erregt im Ausland zwar weniger Aufsehen als das Megaprojekt „Neue Seidenstraße“, ist aber ähnlich ambitioniert. Nach den Olympischen Spielen in Peking 2008 stellte das Regime für seine internationale Medienstrategie sechs Milliarden Euro für zehn Jahre bereit. Später soll diese Summe auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt worden sein.

STAATSMEDIEN WIE CGTN UND XINHUA EXPANDIEREN STARK

Der staatliche Fernsehsender China Global Television Network (CGTN) ist inzwischen in mindestens 140 Ländern zu empfangen und produziert an großen Standorten in Afrika, Amerika und Europa maßgeschneiderte Programme für die jeweiligen Märkte. Ausländische Fernseh- und Radiosender wie BBC, Voice of America und das französische TV5 sind dagegen in China nur in Luxushotels erlaubt. Zuletzt eröffnete CGTN im Dezember in London einen zentralen Produktionsstandort für Europa mit 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Auch die „Neue Seidenstraße“ umfasst neben Infrastrukturinvestitionen in Dutzenden Ländern ein eigenes Medienprogramm, die Belt and Road News Alliance. Unter der Führung der chinesischen Staatsmedien Xinhua, CGTN und China Radio International kooperieren darin 72 Medien aus 42 Ländern.

Während in China die Freiräume auch für ausländische Korrespondentinnen und Korrespondenten immer kleiner werden und die Regierung nur sehr zurückhaltend Akkreditierungen vergibt, will die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua die Zahl ihrer Auslandsbüros bis zum kommenden Jahr auf 200 erhöhen.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping macht keinen Hehl daraus, dass er Demokratie und Menschenrechte wie die Pressefreiheit für feindliche, vom Westen aufgezwungene Konzepte hält. Journalistinnen und Journalisten haben sich aus seiner Sicht der Führung und den Zielen der KP unterzuordnen. Xis Doktrin des „Chinesischen Traums“, der auch mit Hilfe von Propaganda und Zensur verwirklicht werden soll, genießt inzwischen Verfassungsrang. Im eigenen Land sitzen aufgrund dieser Politik Mehr als 60 Bloggerinnen und Blogger, Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis. Das Internet wird in China umfassend überwacht und zensiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht China auf Platz 176 von 180 Ländern – noch schlechter ist die Lage nur in Syrien, Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea.

STRATEGISCHE INVESTITIONEN, BEILAGEN IN RENOMMIERTEN ZEITUNGEN

Allein in Europa hat China laut Bloomberg binnen zehn Jahren für drei Milliarden Euro Anteile an bestehenden Medienunternehmen gekauft. Koordiniert werden solche strategischen Investitionen von einer speziellen Abteilung der KP. In Tschechien etwa kontrollierte der chinesische Energiekonzern CEFC zeitweise Anteilsmehrheiten an den Mediengruppen Empresa Media und Medea. Inzwischen soll der chinesische Konzern CITIC Interesse an dem populären tschechischen Privatfernsehsender NOVA haben.

Auch mit der Print-Publikation China Watch versucht China, in westlichen Ländern Einfluss zu nehmen. Als Gratis-Beilage wird sie regelmäßig mit renommierten Zeitungen wie dem Wall Street Journal, dem Daily Telegraph, Le Figaro und dem Handelsblatt verbreitet. Neben Jubelberichten etwa über chinesische Großprojekte und Unternehmen verbreitet China Watch auch Reden von Präsident Xi, lässt dabei aber Kritik wohlweislich aus. Geschrieben wird China Watch komplett von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des englischsprachigen Propagandablatts China Daily. Neben positiver Berichterstattung verschafft die Beilage China auch einen finanziellen Hebel gegenüber den kooperierenden Medien.

DESINFORMATION, DIFFAMIERUNG UND DROHUNGEN

Doch die Regierung in Peking beschränkt sich nicht auf einvernehmliche Geschäfte, sondern streut auch Desinformationen und verunglimpft ihre Kritikerinnen und Kritiker. So setzten chinesische Staatsmedien nach einem Taifun in Japan Anfang September 2018 die Falschbehauptung in die Welt, Taiwans diplomatische Vertretung habe nichts unternommen, um den in Osaka gestrandeten Taiwanerinnern und Taiwanern zu helfen; stattdessen habe sich die chinesische Botschaft um ihre Rettung gekümmert. Über soziale Medien fand diese Propagandalüge ihren Weg in Medien in Taiwan und löste dort Proteste aus. Der Repräsentant Taiwans in Osaka beging kurz darauf Selbstmord.

Eine wichtige Rolle für die Verbreitung von chinesischer Desinformation spielt die chinesische Messaging-App WeChat. Die App des chinesischen IT-Konzerns Tencent wird nach dessen Angaben von einer Milliarde Menschen genutzt, davon rund 100 Millionen außerhalb Chinas. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt es bei WeChat nicht; alle Inhalte werden über Server in China geleitet. Apple setzte WeChat 2015 auf eine Liste von iPhone-Apps, die mit einem Schadprogramm infiziert seien, das einen Fernzugriff auf einige Funktionen zulasse. In China wurden schon einige Journalistinnen und Journalisten sowie Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten aufgrund von „Beweisen“ verurteilt, die aus ihren WeChat-Konten stammten.

In den USA werden über die App, die dort vor allem bei chinesischen Einwanderinnen und Einwanderern der ersten Generation beliebt ist, laut einer Studie der Columbia University School of Journalism viele rechtsgerichtete Falschnachrichten und Verschwörungstheorien verbreitet. In Kanada zensierte WeChat Anfang Dezember zunächst die Nachricht von der Verhaftung der Finanzchefin des chinesischen IT-Konzerns Huawei. In Singapur soll WeChat an einer Desinformationskampagne beteiligt gewesen sein, bevor das Land 2016 die ASEAN-Präsidentschaft übernahm.

Chinas Auslandsvertretungen sind aktiv am Vorgehen gegen kritische Stimmen beteiligt. So fällt die chinesische Botschaft in Stockholm seit dem vergangenen Juli mit wiederholter öffentlicher Kritik an der China-Berichterstattung schwedischer Nachrichtenmedien wie NVT Nyheter, Dagens Nyheter und Svenska Dagbladet auf. Dem schwedischen Journalisten und China-Experten Jojje Olsson von der Zeitung Expressen warf sie öffentlich „Aufstachelung zum Hass gegen China“ vor, nachdem er in einem Artikel Chinas Unterdrückung der Pressefreiheit kritisiert hatte.

In den USA bestellen Chinas diplomatische Vertretungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des chinesischen Dienstes von Voice of America (VOA) gelegentlich zu Standpauken ein. Ein VOA-Interview mit dem Dissidenten Guo Wengui wurde im April 2017 aufgrund diplomatischen Drucks während der Live-Ausstrahlung abgebrochen, Redaktionsleiterin Sasha Gong Xiaoxia und vier ihrer Mitarbeiter wurden wegen des Vorfalls kurz darauf entlassen.

Andere Kritikerinnen und Kritiker der chinesischen Regierung sollen offenbar mit brachialeren Methoden eingeschüchtert werden. So erhielt der in Toronto lebende freie Journalist Xin Feng 2016 Todesdrohungen, nachdem er in einem Artikel den chinesischen Ministerpräsidenten kritisiert hatte. Vergangenen November musste der chinesisch-australische Karikaturist Badiucao eine geplante Ausstellung in Hongkong nach Drohungen absagen.

PRESTIGE UND DISKURSHOHEIT DURCH INTERNATIONALE KONFERENZEN

Mit eigenen internationalen Konferenzen versucht China, sich als respektabler Partner für Medien und IT-Konzerne zu präsentieren. Das wohl bekannteste Beispiel ist die World Internet Conference (WIC), die ausgerechnet die für die Zensur des chinesischen Internets verantwortliche Cyberspace Administration of China seit 2014 jährlich in Wuzhen ausrichtet. Neben dem Prestigegewinn zielt sie darauf, Chinas repressive Vision von „Cyber-Souveränität“ salonfähig zu machen, die den Regierungen eine zentrale Rolle bei der Internetregulierung zuweisen und damit die bisherige dezentrale Regulierung des Internets auf den Kopf stellen würde. 2017 adelten die Chefs von Apple und Google sowie hochrangige Vertreter von Facebook und LinkedIn die Konferenz durch ihre Anwesenheit.

In ähnlicher Weise kann sich beim seit 2009 unregelmäßig ausgerichteten World Media Summit die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua auf Augenhöhe mit internationalen Medien wie Associated Press, BBC, News Corp. und Thomson Reuters präsentieren und für chinesische Konzepte wie „positive Berichterstattung“ werben. Über den 2016 gegründeten BRICS Media Summit nimmt China Einfluss auf die Medienpolitik und -regulierung der wichtigen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und Südafrika.

FLÄCHENDECKENDE PRÄSENZ IN AFRIKA, TAUSENDE STIPENDIEN

Besonders sichtbar sind die chinesischen Ambitionen in Afrika. Der regionale Ableger des chinesischen Staatsfernsehens, CGTN Africa, produziert dort mit mehr als 100 überwiegend einheimischen Beschäftigten Programme speziell für den afrikanischen Markt. Per Kabel- und Satellitenempfang sind sie auf dem ganzen Kontinent zu empfangen. Seine Reichweite konnte CGTN Africa auch dank der starken Rolle chinesischer Firmen beim Aufbau der Telekommunikationsinfrastruktur ausbauen, darunter dem Ausrüster Huawei, der beim Internet der vierten Generation auf dem Kontinent dominiert. Kritik an chinesischen Industrie-, Rohstoff- oder Infrastrukturprojekten auf dem Kontinent und an ihren Folgen sucht man in den Sendungen von CGTN Africa vergeblich.

Hinzu kommen die sehr preisgünstigen Abo-Angebote des chinesischen Digital- und Satellitenfernsehanbieters StarTimes sowie die in lokalen Sprachen ausgestrahlten Programme von Radio China International. In der Öffentlichkeit vieler afrikanischer Länder wird die mediale Präsenz Chinas überwiegend als willkommenes Gegengewicht zum Einfluss westlicher Länder wahrgenommen. Doch im Gegensatz zu Konkurrenten wie der Deutschen Welle oder Voice of America, deren redaktionelle Unabhängigkeit gesetzlich garantiert ist, werden CGTN und China Radio International nicht nur staatlich finanziert, sondern inhaltlich von der chinesischen Regierung kontrolliert.

Schon jetzt haben 3400 ausländische Journalistinnen und Journalisten die von der staatlichen Rundfunkverwaltung koordinierten Trainings absolviert. So sollen seit dem Jahr 2013 rund 70 Prozent der Medienschaffenden im Karibikstaat Grenada zu Aufenthalten in China eingeladen worden sein; die China-Berichterstattung der Medien in Grenada ist in diesem Zeitraum deutlich unkritischer geworden.

Beträchtliche Erfolge zeitigt die chinesische Medienstrategie auch in Asien. So gilt in Vietnam seit dem vergangenen Sommer ein repressives Gesetz zur Sicherheit im Internet, das sich eng an ein ähnliches, ein Jahr zuvor in China in Kraft getretenes Regelwerk anlehnt. In Kambodscha, dessen Medien einst zu den freiesten in Asien zählten, begann die Regierung von Ministerpräsident Hun Sen kurz nach dem Abschluss eines Kooperationsvertrags zur Informationspolitik im April 2017, die unabhängigen Medien zu zerschlagen. In Taiwan gingen die Berichte der Tageszeitung China Times über die Menschenrechtslage in China um zwei Drittel zurück, nachdem ihr Mutterkonzern von einem Lebensmittelunternehmen gekauft wurde, das 90 Prozent seines Umsatzes in China macht.



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