Wahlen in den USA

USA 26.01.2024

Präsidentschaftskandidaten auf dem Prüfstand

US-Präsident Biden steht an einem Rednerpult
US-Präsident Biden © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Evan Vucci

Das Ergebnis der im November anstehenden US-Präsidentschaftswahl wird die Lage der Pressefreiheit in den USA und weltweit für die kommenden vier Jahre beeinflussen. Der Mann oder die Frau im Weißen Haus kann den Ton vorgeben, der Medienschaffenden in den USA entgegenschlägt, und Regime, die die Pressefreiheit unterdrücken, in die Pflicht nehmen – oder dies unterlassen.

Kurz nach Beginn der landesweiten Vorwahlen der Republikaner, bei denen ermittelt wird, wer im November gegen den voraussichtlichen Kandidaten der Demokraten, Amtsinhaber Joe Biden, antreten wird, stellt Reporter ohne Grenzen (RSF) die drei verbliebenen Kandidatinnen und Kandidaten auf den Prüfstand: Donald Trump und Nikki Haley für die Republikaner sowie Joe Biden für die Demokraten.

„Obwohl die Pressefreiheit in den USA historisch ein hohes Gut ist und Verfassungsrang hat, wurde und wird sie im Wahlkampf von Einigen zur Disposition gestellt. Das Ausmaß und die Intensität der Drohungen gegen Medienschaffende sind erschreckend”, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Vor allem im Fall eines möglichen Wahlsieges von Donald Trump fürchten wir, dass sich die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten weiter verschlechtern werden. Wir sorgen uns um die Pressefreiheit in dem Land, in dem in der Vergangenheit immer wieder Beispiele für unabhängigen, kritischen Journalismus gesetzt wurden.“

Donald Trump

Der ehemalige Präsident und wahrscheinlich erneute Spitzenkandidat der Republikaner führt einen erbitterten Feldzug gegen die unabhängigen Nachrichtenmedien im Land. Schon 2017 bezeichnete Trump die Medien als „Feind des Volkes“. Während seiner Amtszeit sanken die USA auf der Rangliste der Pressefreiheit um mehrere Plätze ab; 2020 wurde eine Rekordzahl von Journalistinnen und Journalisten festgenommen. Während seiner gesamten Amtszeit beschimpfte Trump Medienschaffende zeitweise täglich, kommunizierte mit Vorliebe über die Sozialen Medien und weigerte sich, regelmäßige Pressekonferenzen abzuhalten. Während des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 griffen Trump-Anhängerinnen und -Anhänger mehrere Reporterinnen und Reporter verbal und auch körperlich an.

Unter Trump erhob zudem die US-Justiz Anklage gegen WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange und griff dabei auf das mehr als 100 Jahre alte Spionagegesetz zurück – ein nie dagewesener Vorgang gegenüber einem Medienschaffenden. Assange drohen bis zu 175 Jahre Haft. Ein Prozess gegen ihn droht einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen. Das Publizieren von geheimen Dokumenten soll mit dieser Anklage zur Spionage erklärt werden. Damit würde Tür und Tor für eine strafrechtliche Verfolgung von Verlegerinnen, Journalisten und Medienunternehmen überall auf der Welt geöffnet. Laut Berichten verfolgte Trumps CIA-Direktor Mike Pompeo sogar den Gedanken, Assange im Ausland töten zu lassen

Trumps Ausfälle trugen dazu bei, dass sich weltweit eine Welle des medienfeindlichen Populismus ausbreitete. Seine Verachtung gegenüber Medienschaffenden wurde zur Blaupause für Staats- und Regierungschefs, die voller Aggressivität gegen die Presse in ihren eigenen Ländern vorgingen – von Bolsonaro in Brasilien bis zu Duterte auf den Philippinen.

Als Kandidat für die diesjährige Präsidentschaftswahl setzt Trump seine Angriffe auf die Pressefreiheit fort. Während des Midterm-Wahlkampfes 2022 kündigte er an, bei einer zweiten Amtszeit Journalistinnen und Journalisten inhaftieren zu lassen, und sein Beraterstab diskutiert Berichten zufolge Möglichkeiten, den Ersten Verfassungszusatz zu umgehen und Medienunternehmen für unliebsame Berichterstattung zu bestrafen. Im Dezember 2023 drohte Trump Kritikerinnen und Kritikern mit Vergeltungsmaßnahmen am ersten Tag seiner zweiten Amtszeit.

Insgesamt lassen Trumps Aussagen im Wahlkampf befürchten, dass eine zweite Amtszeit der Pressefreiheit in den USA noch größeren Schaden zufügen würde als seine erste. 

Nikki Haley 

Die frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen und frühere Gouverneurin von South Carolina hat in der Vergangenheit Social-Media-Unternehmen aufgefordert, aus Gründen der nationalen Sicherheit die Möglichkeit anonymer Postings abzuschaffen. Nach Gegenwind aus der eigenen Partei hat die Republikanerin diese Position allerdings teilweise zurückgenommen. Aus Sicht von RSF ist Desinformation im Internet zwar eindeutig eine Bedrohung, doch die von Haley vorgeschlagene Lösung könnte für Journalistinnen und Journalisten auf der ganzen Welt gefährlich werden, besonders für jene, die unter autoritären Regimen leben und über sie berichten. Auch würde der Wegfall der Anonymität im Netz den Schutz journalistischer Quellen gefährden.

Positiv zu werten ist Haleys Vorstoß, einen Zugang zu Social-Media-Algorithmen zu fordern, um besser zu verstehen, wie Inhalte Menschen erreichen. Transparenz von Algorithmen ist für das öffentliche Verständnis des Informationsaustauschs im digitalen Raum von entscheidender Bedeutung. Algorithmen steuern jeden Schritt des Weges, auf dem Inhalte die Userinnen und User erreichen, sind aber praktisch Black Boxes ohne Aufsicht oder Regeln. Selbst die Unternehmen, die sie nutzen, können ihre Funktionsweise nicht ausreichend erklären. All diese Unklarheiten machen es für Nachrichtenkonsumentinnen und -konsumenten schwieriger, der Zuverlässigkeit von Informationen zu vertrauen.

Joe Biden

Die Biden-Regierung hat nach Ende der Amtszeit Trumps das Verhältnis zwischen dem Weißen Haus und der Presse weitgehend normalisiert. Präsident Biden selbst hat betont, dass Journalismus „kein Verbrechen“ sei. Auch Bidens Außenminister Antony Blinken hob bei der Vorstellung der RSF-Rangliste der Pressefreiheit im Mai 2023 hervor, dass sich die  Regierung weltweit für die Pressefreiheit einsetze. 

Biden gibt allerdings nur selten Pressekonferenzen, und sein Engagement für Pressefreiheit weltweit ist durchwachsen. Im vergangenen Jahr wurden zwei US-amerikanische Medienschaffende in Russland festgenommen, und während das US-Außenministerium Evan Gershkovich vom Wall Street Journal schnell als „zu Unrecht inhaftiert“ erklärte, blieb dieser Schritt in Bezug auf Alsu Kurmaschewa von Radio Free Europe/Radio Liberty bislang aus. Auch wurden keine sichtbaren Fortschritte im Fall des US-Journalisten Austin Tice erzielt, der 2012 in Syrien entführt wurde. 

Bidens Justizministerium verfolgt auch weiterhin den Fall Assange, den es aus der Trump-Ära übernommen hat – und das trotz zunehmender internationaler Forderungen nach seiner Freilassung und Bemühungen der australischen Regierung, eine diplomatische Lösung für den australischen Staatsbürger Assange zu finden.

Auf internationaler Ebene war die Biden-Regierung schnell darin, die mangelnde Pressefreiheit in Ländern wie China und Russland – beides geopolitische Gegner – anzuprangern. Allerdings zögern die Vereinigten Staaten noch immer, ihren Einfluss auf Israel zu nutzen, damit die immens hohe Zahl getöteter Medienschaffender in Gaza nicht noch weiter steigt. Auch im Fall der palästinensisch-amerikanischen Reporterin Schirin Abu Akle, die 2022 wahrscheinlich von einem israelischen Scharfschützen getötet wurde, halten sich die USA sehr zurück. Den indischen Premierminister Narendra Modi empfing Biden zu einem Staatsbesuch, obwohl Modi hart gegen die Presse in seinem eigenen Land vorgeht. Und nachdem Biden im Wahlkampf zugesichert hatte, Saudi-Arabien nach dem Mord an Jamal Khashoggi als „Paria“ zu behandeln, räumte er anschließend den guten Beziehungen zu Riad Vorrang ein. Damit ist Biden allerdings nicht allein: Auch die deutsche Bundesregierung hatte nach dem Khashoggi-Mord einen Exportstopp für Rüstungsgüter verhängt, zuletzt aber wieder Waffenlieferungen an Saudi-Arabien genehmigt.



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