Länderportal

Tunesien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 118 von 180
Rangliste der Pressefreiheit 2020 21.04.2020

Journalisten unter Druck von vielen Seiten

© RSF

Immer dreister auftretende autoritäre Regime, repressive Gesetze gegen vermeintliche Falschmeldungen, populistische Stimmungsmache und die Erosion traditioneller Medien-Geschäftsmodelle stellen die Pressefreiheit weltweit in Frage. Die Rangliste der Pressefreiheit 2020 von Reporter ohne Grenzen (RSF) macht deutlich, wie diese Trends in vielen Ländern dazu beitragen, dass Journalistinnen und Journalisten nur unter großen Risiken unabhängig berichten können. Damit zeigt die Rangliste Entwicklungen auf, die durch die Reaktionen autoritärer Regierungen auf die Corona-Pandemie derzeit weiter verstärkt werden.

„Die Corona-Pandemie bündelt bestehende repressive Tendenzen weltweit wie ein Brennglas. Die aktuelle Rangliste der Pressefreiheit zeigt, dass schon vor der aktuellen Krise erschreckend viele Regierungen und politische Kräfte in ganz unterschiedlichen Ländern bereit waren, die Pressefreiheit ihrem Machtstreben unterzuordnen“, sagte die Vorstandssprecherin von Reporter ohne Grenzen, Katja Gloger. „Wer freien Zugang zu unabhängigen Informationen auch künftig sicherstellen will, muss sich gerade in schwierigen Zeiten dafür starkmachen, dass Journalistinnen und Journalisten ungehindert recherchieren und berichten können.“ 

 

<iframe allow="accelerometer; autoplay; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture" allowfullscreen frameborder="0" src="https://www.youtube.com/embed/T_QDm00_LDY" height="315" width="560"></iframe>

 

Dreiste Diktaturen, populistische Stimmungsmache, bedrängte Geschäftsmodelle

Immer unverhohlener versuchen Diktaturen, autoritäre und populistische Regime, unabhängige Informationen um jeden Preis zu unterdrücken und ihre illiberale Weltsicht durchzusetzen. Zu den wichtigsten Beispielen für diesen Entwicklungstrend gehören China, Saudi-Arabien und Ägypten – die drei Staaten, in denen weltweit die meisten Medienschaffenden wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. China versucht mit großem Aufwand, selbst jenseits seiner Grenzen eine „neue Weltordnung der Medien“ durchzusetzen. Die Auswirkungen der fast totalen chinesischen Nachrichtenkontrolle, die im Zweifelsfall die Durchsetzung von Zensuranordnungen über den Gesundheitsschutz stellt, hat in der Corona-Krise die ganze Welt zu spüren bekommen.

Singapur und Benin gehören zu den Staaten, die den berechtigten Kampf gegen Desinformation und Online-Kriminalität missbrauchen, um mit repressiven Gesetzen gegen „Fake News“ die Medienfreiheit einzuschränken. In anderen Ländern wie Russland, Indien, den Philippinen und Vietnam setzen Troll-Armeen im Dienste der Regierenden selbst auf Desinformation, um die öffentliche Meinung zu lenken und kritische Journalistinnen und Journalisten zu diskreditieren.

Die demokratisch gewählten Präsidenten der USA und Brasiliens sind zwei der prominentesten Beispiele für den besorgniserregenden Trend, dass führende Politikerinnen und Politiker Feindseligkeit bis hin zu offenem Hass gegen Medienschaffende schüren. Eine Folge ist zunehmende Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten, die deshalb in manchen Ländern in ständiger Angst vor Angriffen leben.

Bei ihren Verbalattacken machen sich populistische Kräfte ein verbreitetes Misstrauen gegen die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Nachrichtenmedien zunutze, das sich 2019 zum Beispiel bei Protesten im Irak, im Libanon, in Chile, Bolivien und Ecuador in Gewalt gegen Reporterinnen und Reporter entlud. In anderen Ländern – darunter Spanien, Italien und Griechenland – schrecken nationalistische und rechtsextremistische Gruppen nicht vor direkten Drohungen gegen Journalistinnen und Journalisten zurück.

Schwindende Vertriebs- und Anzeigenerlöse nicht zuletzt infolge der Digitalisierung, aber teils auch steigende Produktionskosten zwingen Medienunternehmen in vielen Ländern zur Verkleinerung ihrer Redaktionen, begünstigen die Konzentration von Medienbesitz in wenigen Händen und leisten damit oft Interessenkonflikten Vorschub. Beispiele dafür finden sich in so unterschiedlichen Staaten wie den USA, Argentinien, Tschechien, Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Slowenien. In anderen Ländern befördert Profitdenken eine Polarisierung und Banalisierung der Medien – und trägt damit erst recht zu schwindendem Vertrauen in ihre Arbeit bei.

Weniger Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland

Deutschland hat sich in der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit um zwei Plätze vom 13. auf den 11. Rang verbessert. Die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten ist deutlich gesunken – vor allem deshalb, weil es 2019 keine rechtspopulistischen Proteste von vergleichbarer Dimension wie im Spätsommer 2018 in Chemnitz und Köthen gab: 2019 zählte RSF mindestens 13 tätliche Angriffe auf Medienschaffende, 2018 waren es noch mindestens 22. Daneben gab es viele erschreckende Beispiele für verbale Angriffe und Einschüchterungsversuche gegen Journalistinnen und Journalisten.

Bedenklich für die Pressefreiheit waren in Deutschland 2019 auch Gesetzesinitiativen, die vorsahen, die Nutzung populärer Verschlüsselungs- und Anonymisierungsdienste zu kriminalisieren sowie deutsche Geheimdienste ohne richterliche Anordnung zum Hacken und Ausforschen der Computer, Server und Smartphones von Medienschaffenden  zu ermächtigen. Solche Gesetze würden den Informanten- und Quellenschutz weitgehend aushöhlen. (Mehr dazu in der Nahaufnahme Deutschland

Situation in 180 Ländern im Vergleich

Die Rangliste der Pressefreiheit 2020 vergleicht die Situation für Journalistinnen, Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Grundlagen der Rangliste sind ein Fragebogen zu verschiedenen Aspekten journalistischer Arbeit sowie die von RSF ermittelten Zahlen von Übergriffen, Gewalttaten und Haftstrafen gegen Medienschaffende im Kalenderjahr 2019. Daraus ergeben sich für jedes Land Punktwerte, die im Verhältnis zu den Werten der übrigen Länder die Platzierung in der Rangliste bestimmen. Die Befragung fand zwischen November 2019 und Januar 2020 statt, die weltweiten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie konnten also im Wesentlichen noch nicht berücksichtigt werden.

Über die Entwicklung der Situation in einem Land gibt dementsprechend eher ein Vergleich der Punktwerte verschiedener Jahre Auskunft als die Bewegung auf der Rangliste. Abhängig vom Abschneiden anderer Länder kann ein Land in der Rangliste im Einzelfall auch aufrücken, obwohl sich seine Punktzahl verschlechtert hat, und umgekehrt. (Mehr zur Methodik der Rangliste)

Globaler Indikator der Pressefreiheit: 12 Prozent schlechter seit 2013

Aus den Punktwerten aller bewerteten Länder bildet RSF einen globalen Indikator der Pressefreiheit, der eine Bewertung der Entwicklung weltweit sowie einen Vergleich verschiedener Weltregionen erlaubt. 2020 ist er um 0,9 Prozent gesunken, was eine minimale Verbesserung der Lage der Pressefreiheit bedeutet. Für den Zeitraum seit seiner Einführung 2013 zeigt der globale Indikator der Pressefreiheit eine Verschlechterung um 12 Prozent an.

In Asien hat sich die Lage der Pressefreiheit 2020 insgesamt verschlechtert, in den übrigen Weltregionen – auf sehr unterschiedlichem Niveau – leicht und in Afrika deutlich (um 3,1 Prozent) verbessert. Am schlechtesten steht es um die Pressefreiheit im Nahen Osten und Nordafrika, gefolgt von Osteuropa und Zentralasien. Im regionalen Vergleich am besten ist die Situation in den Staaten der EU und des Balkans. 

Aufsteiger und Absteiger

Die größten Aufsteiger in der diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit sind Malaysia (Rang 101, +22 Plätze) und die Malediven (79, +19). In beiden Ländern hatten demokratische Regierungswechsel deutliche Lockerungen der Restriktionen für Medienschaffende zur Folge, so dass auch der Druck zur Selbstzensur nachgelassen hat. Ähnliche Auswirkungen hatte der Sturz des langjährigen Diktators Omar al-Baschir im Sudan (159, +16).

Am stärksten verschlechtert hat sich die Lage in Haiti (83, -21), wo seit 2018 bei teils gewalttätigen Protesten immer wieder Reporterinnen und Reporter angegriffen werden und 2019 ein Journalist ermordet wurde. Auch auf den Komoren (75, -19) und in Benin (113, -17) führten politische Spannungen zu einem Anstieg von Zensur, Schikanen und Repressalien.

Spitzenreiter und Schlusslichter

An der Spitze der Rangliste der Pressefreiheit steht zum vierten Mal in Folge Norwegen, den zweiten Rang nimmt unverändert Finnland ein. Dänemark rückt auf den dritten Rang vor (+2) und lässt damit Schweden (4, -1) und die Niederlande (5, -1) hinter sich, wo Journalistinnen und Journalisten zunehmenden Online-Schikanen ausgesetzt sind.

Am unteren Ende der Rangliste stehen wie in den Vorjahren Diktaturen, die keinerlei unabhängige Berichterstattung zulassen: Nordkorea (180, -1), Turkmenistan (179, +1) und Eritrea (178, +/-0). Von ihnen haben lediglich Nordkorea und Turkmenistan die Plätze getauscht.

Asien-Pazifik

China (177, +/-0) steht unverändert auf einem der schlechtesten Plätze der Rangliste der Pressefreiheit. Mehr als 100 Medienschaffende sitzen dort wegen ihrer journalistischen Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land der Welt. Die meisten von ihnen sind Uigurinnen und Uiguren. Mittlerweile kann in China das bloße Kommentieren oder Teilen einer Nachrichtenmeldung in sozialen Netzwerken oder Chats zu einer Haftstrafe führen. Seit Anfang 2020 wurden mehrere Bürgerjournalisten festgenommen oder sind verschwunden, die unabhängig über die Coronavirus-Krise berichtet haben.

Hongkong (80) hat sich um weitere sieben Plätze auf der Rangliste verschlechtert. In der chinesischen Sonderverwaltungszone kam es 2019 bei Protesten wiederholt zu Gewalt gegen Medien, vor allem durch die Polizei und pekingtreue kriminelle Gruppen. Seit der Einführung der Rangliste der Pressefreiheit im Jahr 2002 ist Hongkong um 62 Plätze abgestürzt.

In Australien (26, -5) durchsuchte die Polizei 2019 die Wohnung einer politischen Reporterin und die Zentrale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ABC. Diese Razzien haben gefährliche Präzedenzfälle geschaffen, die zusammen mit äußerst restriktiven Sicherheitsgesetzen investigativen Journalismus und Quellenschutz bedrohen.

Das Regime in Singapur (158) ist routiniert in der fast absoluten Kontrolle über Nachrichten und Informationen. Nach der Verabschiedung eines Gesetzes gegen „Fake News“, durch das die Regierung Medien und digitale Plattformen zur Korrektur „falscher“ Inhalte zwingen kann, hat sich der Stadtstaat um sieben Plätze auf der Rangliste verschlechtert. Er gehört nun zur Gruppe der repressivsten, auf der Weltkarte der Pressefreiheit schwarz gekennzeichneten Länder.

In Malaysia können jahrelang verfolgte Medienschaffende seit einem überraschenden Regierungswechsel 2019 wieder ohne Angst arbeiten. Das Spektrum der veröffentlichten Meinungen ist breiter geworden und die neue Regierung hat ein umstrittenes Gesetz gegen Falschmeldungen zurückgenommen. Andere problematische Gesetze bleiben jedoch in Kraft und können Journalistinnen und Journalisten für bis zu 20 Jahre hinter Gitter bringen.

Auf den Malediven hat das Parlament ein drakonisches, oft zur Repression missbrauchtes Verleumdungsgesetz aufgehoben. Polizeigewalt gegen Journalistinnen und Journalisten ist seltener geworden, aber die Aufklärung von Verbrechen an Medienschaffenden kommt nicht voran.

Nord- und Südamerika

In den USA (45, +3) bleiben verbale und tätliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten häufig. Immer wieder werden Medienschaffende von Veranstaltungen und Pressekonferenzen ausgeschlossen. Die Regierung von Präsident Donald Trump geht noch massiver als die seines Vorgängers Barack Obama gegen Whistleblowerinnen und Whistleblower vor – die Spionage-Anklage gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange ist nur das prominenteste Beispiel.

In Brasilien (107, -2) beleidigen und demütigen der seit Januar 2019 regierende Präsident Jair Bolsonaro, seine Vertrauten und seine Anhängerschaft insbesondere in den sozialen Medien systematisch Journalisten und vor allem Journalistinnen und schaffen ein Klima des Hasses und Misstrauens. Bei Protestbewegungen in Argentinien (64, -7), Chile (51, -5), Ecuador (98, -1) und Bolivien (114, -1) häuften sich 2019 gewaltsame Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Die Gewalt ging dabei sowohl von Demonstrierenden als auch von den Sicherheitskräften aus.

Die mit Abstand wenigsten Einschränkungen für Medienschaffende gibt es auf dem amerikanischen Doppelkontinent nach wie vor in Jamaika (6, +2) und Costa Rica (7, +3). 

Europäische Union und Balkan

Auch in Europa waren Reporterinnen und Reporter 2019 Gewalt durch Polizei und Demonstrierende ausgesetzt, so bei den „Gelbwesten“-Protesten in Frankreich (34, -2) und in Spanien (29, +/-0) bei Protesten für eine Unabhängigkeit Kataloniens. Hinzu kamen in Spanien wie auch in Österreich (18, -2), Italien (41, +2) und Griechenland (65, +/-0) rechtsextrem oder rechtspopulistisch motivierte Angriffe.

In Ungarn (89, -2) kontrolliert die Regierung inzwischen über loyale Unternehmer und zwei zentrale Holdings den weitaus größten Teil der Nachrichtenmedien. Auch über ihre Werbeetats und den Rundfunkrat marginalisiert sie unabhängige Stimmen und hat anlässlich der Corona-Krise die Verbreitung falscher oder „irreführender“ Nachrichten unter Strafe gestellt. In Polen (62, -3) setzt die Regierung unabhängige Medien durch Verleumdungsklagen, Werbeboykotte und Strafermittlungen zunehmend unter Druck.

Hassäußerungen im Internet gegen Medienschaffende sind ein zunehmendes Problem selbst in Ländern auf den vordersten Plätzen der Rangliste wie Norwegen, Finnland, Schweden und den Niederlanden. In Skandinavien kommen die aggressivsten Online-Attacken aus China und Iran, während Medienschaffende in den baltischen Staaten vor allem von russischen Trollen drangsaliert werden.

Mehr als zwei Jahre nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia in Malta (81, -4) kommen die Ermittlungen in dem Fall endlich voran. Kritische Journalistinnen und Journalisten stehen dort aber noch immer unter immensem juristischen Druck. Auch mehrere Verleumdungsklagen gegen Caruana Galizia wurden bis heute nicht zurückgezogen.

Bulgarien (111, +/-0) bleibt das schlechtestplatzierte EU-Land. Dort erkauft sich die Regierung mit Hilfe von EU-Geldern loyale Berichterstattung. Unabhängige Medien werden durch Justizschikanen drangsaliert, kritische Medienschaffende auch durch Schmutzkampagnen und Gewalt.

Die EU-Beitrittskandidaten Albanien (84, -2) und Montenegro (105, -1) haben sich weiter verschlechtert – kritische Medienschaffende sind dort Justizschikanen ausgesetzt. Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten bleibt in Serbien (93, -3) und anderen Staaten des Westbalkans meist straflos.

Naher Osten und Nordafrika

Der Nahe Osten mit Nordafrika bleibt die Weltregion mit der insgesamt schlechtesten Lage der Pressefreiheit. In Syrien (174, +/-0) bedeuten anhaltende Kämpfe und Entführungen durch Dschihadistengruppen ständige Lebensgefahr für Journalistinnen und Journalisten in den noch umkämpften Gebieten. Nur wenige der nach 2011 entstandenen unabhängigen Medien existieren noch. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad duldet in den Gebieten unter seiner Kontrolle keinerlei unabhängige Medien oder noch so dezente Kritik.

In Ägypten (166, -3) folgt eine Verhaftungswelle auf die nächste; selbst Berichte über die Folgen von Inflation und Korruption werden mitunter mit Gefängnis geahndet. Die Medien sind inzwischen praktisch vollständig unter Kontrolle des Regimes, einige gehören über Tarnfirmen den Geheimdiensten. Unabhängige Online-Medien werden zensiert.

Saudi-Arabien (170, +2) hat sich in der Rangliste der Pressefreiheit nur deshalb leicht verbessert, weil es 2018 durch den Mord an dem Exil-Journalisten Jamal Khashoggi noch schlechter abgeschnitten hatte. Zensur, willkürliche Haft und Folter halten unvermindert an. Der Iran (173, -3) unterdrückt Berichte über Proteste wie auch über Naturkatastrophen und Unglücke, zensiert das Internet massiv und verweigert schwer kranken inhaftierten Medienschaffenden angemessene ärztliche Versorgung.

Im Jemen (167, +1) ist nach Jahren des Kriegs unparteiische Berichterstattung kaum noch möglich. Medienschaffende müssen in allen Landesteilen mit willkürlicher Verhaftung und Misshandlung rechnen. Die jüngst verhängten Todesstrafen gegen vier Journalisten zeigen, wie gnadenlos die Huthi-Rebellen gegen oppositionelle Medien vorgehen.

Im Irak (162, -6) werden Reporterinnen und Reporter, die über die im Herbst 2019 begonnene Protestwelle berichten, bedroht, angegriffen, von Milizen entführt oder sogar ermordet. Berichte über politische oder religiöse Persönlichkeiten und neuerdings auch über Corona-Fallzahlen können zu Strafverfolgung oder zur Suspendierung von Medien führen.

In Algerien (146, -5) illustrieren die Justizschikanen gegen den RSF-Korrespondenten Khaled Drareni, wie rigoros das Regime gegen unabhängige Berichte über die seit Februar 2019 andauernden Proteste für politische und wirtschaftliche Reformen vorgeht.

Afrika südlich der Sahara

Präsidenten- oder Regierungswechsel haben in einigen Ländern Afrikas zu teils deutlichen Veränderungen für die Pressefreiheit geführt. Im Sudan (159, +16) bessert sich die Lage der Medienschaffenden seit dem Sturz des drei Jahrzehnte lang herrschenden Baschir-Regimes allmählich. Der Geheimdienst konfisziert keine ganzen Zeitungsauflagen mehr, aber seine Troll-Armee streut weiter Desinformation und spioniert kritische Medienschaffende aus. Viele der wichtigsten Medien werden nach wie vor von Anhängern des alten Regimes kontrolliert.

In Äthiopien (99, +11) hat Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali seit seinem Amtsantritt 2018 alle inhaftierten Journalistinnen und Journalisten freigelassen und gesperrte Nachrichtenmedien freigegeben. Aber viele drakonische Regelungen wie das Anti-Terror-Gesetz von 2009 bleiben in Kraft und könnten jederzeit wieder angewendet werden. Haft- und hohe Geldstrafen für vage definierte Hassäußerungen und Desinformation wurden sogar neu eingeführt.

In Gambia (87, +5) hat sich die Lage der Pressefreiheit seit der friedlichen Ablösung des langjährigen Diktators Yahya Jammeh 2017 kontinuierlich verbessert. Das staatliche Nachrichtenmonopol wurde aufgebrochen, viele private Radio- und Fernsehsender sind entstanden und einige geflüchtete Medienschaffende aus dem Exil zurückgekehrt. Dennoch werden gelegentlich Medien für zu oppositionsfreundliche Berichterstattung abgestraft.

Ganz anders in Lesotho (86, -8): Dort steigt der Druck auf die Presse, regierungs- und armeekritische Journalistinnen und Journalisten werden verklagt, Verbrechen an Medienschaffenden bleiben ungesühnt. Einige Reporterinnen und Reporter haben das Land verlassen; wer bleibt, übt vermehrt Selbstzensur.

In Tansania (124, -6) hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident John Magufuli 2015 die Situation für Journalistinnen und Journalisten mit jedem Jahr weiter verschlechtert. Drei Internetsender und eine Zeitung wurden allein 2019 gezwungen zu schließen. Der Investigativjournalist Erick Kabendera verbrachte sieben Monate im Gefängnis, ohne dass die Justiz stichhaltige Belege für ihre wechselnden Anschuldigungen präsentierte. Kabendera hatte über Kritik am Präsidenten in dessen Partei berichtet.

Osteuropa und Zentralasien

Russland (149, +/-0) verfolgt kritische Journalistinnen und Journalisten mit Hilfe von Extremismus-Vorwürfen und treibt seine Pläne für ein „souveränes“, bei Bedarf vom Rest der Welt abtrennbares Internet voran. Aus Regionen wie Tschetschenien und der annektierten Krim dringen nur noch wenige unabhängige Nachrichten heraus.

In der Ukraine (96, +6) haben sich die Reformerwartungen an den neuen Präsidenten Wolodimir Selenski allenfalls zum Teil erfüllt. Die Medienlandschaft ist stark polarisiert, der Teufelskreis aus Gewalt gegen Medienschaffende und Straflosigkeit ungebrochen. Hinzu kommen Justizschikanen und Drohungen durch nationalistische Gruppen. 2019 schlugen Unbekannte den für seine Recherchen über Korruption bekannten Journalisten Wadim Komarow zusammen und verletzten ihn tödlich.

In der Türkei (154, +3) ist die Zahl inhaftierter Journalistinnen und Journalisten 2019 nur kurzzeitig zurückgegangen und bleibt eine der höchsten der Welt. Die Zensur von Online-Medien hat sich verschärft: Laut der RSF-Partnerorganisation Bianet wurden 2019 in der Türkei mindestens 586 Nachrichtenmeldungen im Internet zensiert.

Aserbaidschan (168, -2) versucht unverändert, kritische Medienschaffende durch Schikanen, Schlägertrupps, Erpressung oder Vereinnahmung auf Linie zu bringen. Unabhängige Medien trocknet das Regime finanziell aus. Wer sich nicht beugt, wird unter absurden Anschuldigungen zu Haftstrafen verurteilt. Auch Usbekistan (156, +4) schikaniert und marginalisiert unabhängige Medien. Trotz Reformen und gelockerter Tabus seit dem Tod des langjährigen Diktators Islam Karimow 2016 bestehen Überwachung, Zensur und Selbstzensur weiter. 



nach oben