Der inoffizielle Fußball - Kicken für die Pressefreiheit

Zwei Tage vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland haben wir mit unserem inoffiziellen Fußball vor der Russischen Botschaft ein Fußballspiel veranstaltet. Mit der Aktion wollen wir auf die Einschränkungen der Pressefreiheit in Russland aufmerksam machen, die im Rahmen der Berichterstattung über dieses sportliche Großereignis oft vergessen wird.

Unserer Kampagne


Bildergalerie unserer Aktion vor der russischen Botschaft

Aktion mit Ball: theunofficial.football

© © ROG

Anlässlich der Fußball-WM 2018 in Russland präsentieren wir unseren alternativen Ball, der auf die fehlende Pressefreiheit im Gastgeberland aufmerksam macht. Die Bilder auf dem Ball enthalten Informationen zu sechs relevanten Themen der Pressefreiheit in Russland und lassen sich über einen integrierten NFC-Chip entpixeln.
Zwei Tage vor Anpfiff der WM haben wir ein alternatives Fußballspiel mit unserem Ball organisiert – direkt vor der Russischen Botschaft in Berlin. Die mediale Aufmerksamkeit nutzten wir dazu, die Themen auf dem Ball öffentlich „zu entpixeln“. Die Spieler: wir, die Kämpfer für die Pressefreiheit. Unser Gegner im Tor: Putin, unterstützt durch FSB und Roskomnadsor.
JOURNALISTEN ALS OPFER VON GEWALT: Seit der ersten Amtszeit von Wladimir Putin im Jahr 2000 wurden mindestens 34 Reporter wegen ihrer Arbeit getötet. Kaum einer der Täter wurde bestraft, geschweige denn die Auftraggeber der Morde zur Verantwortung gezogen. Alexander Sokolow ist einer von sieben Journalisten und Bloggern, die aktuell wegen ihrer Arbeit in russischen Gefängnissen sitzen – fünf davon in Städten, in denen die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird oder WM-Mannschaften ihr Quartier beziehen.
KRITISCHE JOURNALISTEN IM EXIL: In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Journalisten Russland den Rücken gekehrt. Eine von ihnen ist Galina Timtschenko. Sie war Chefredakteurin einer der wichtigsten Online-Zeitungen Russlands, bevor sie 2014 wegen „Verbreitung extremistischen Materials“ gefeuert wurde. 39 Redakteure verließen aus Protest die Redaktion und folgten ihr.
UNABHÄNGIGE MEDIEN UNTER DRUCK: Seit den Protesten 2011/2012 hat der Kreml etliche regierungskritische Redaktionen zerschlagen, die Finanzierung unabhängiger Medienunternehmen zerstört oder unbequeme Sendungen abgesetzt. Ein Beispiel ist der unabhängige Fernsehsender TV-Doschd, der 2010 von Natalja Sindejewa gegründet wurde. 2014 verlor Sindejewas Sender sämtliche Lizenzen und den Mietvertrag für die Redaktionsräume. Seither kämpft TV-Doschd ums Überleben.
DER KAMPF UM ANONYME KOMMUNIKATION: Weil Pawel Durow, der führende Kopf des Messengerdienstes Telegram sich weigerte, Nutzerdaten an den russischen Geheimdienst FSB herauszugeben, wurde Telegram im April 2018 in Russland verboten. Eine Blamage für das Regime, denn technisch war das Verbot kaum durchsetzbar – außerdem nutzen auch führende Kremlstrategen den Messengerservice für ihre interne Kommunikation.
GESETZE GEGEN DIE PRESSEFREIHEIT: Obwohl freie Meinungsäußerung in der russischen Verfassung verankert ist, verabschiedete das Parlament in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Gesetzen, die die Pressefreiheit aushebeln. Dazu zählen die Blockierung von „zum Extremismus aufrufenden“ Inhalten, Straferhöhungen und die Einführung einer umfassenden Vorratsdatenspeicherung. Die meisten dieser Gesetze sind vage formuliert und hängen wie ein Damoklesschwert über russischen Bloggern und Journalisten.
INTERNETZENSUR UND ÜBERWACHUNG: Seit den Protesten gegen Putin 2011 und 2012, die vor allem über soziale Netzwerke organisiert wurden, wird das Internet in Russland immer stärker kontrolliert. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor führt eine schwarze Liste unliebsamer Webseiten und kann Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss blockieren. Mithilfe des Überwachungssystems SORM fängt der Geheimdienst FSB in großem Stil Telefon- und Internetdaten ab. Gegen dutzende Nutzer laufen derzeit Gerichtsverfahren - teilweise nur, weil sie kritische Inhalte weitergeleitet haben.
Auch der Dopingexperte Hajo Seppelt war bei unserer Aktion vor Ort. Ihm war im Vorfeld der WM das Einreisevisum von russischen Behörden zunächst verweigert. Nachdem der Fall für großen Aufruhr in den Medien gesorgt hatte, erhielt er zwar letztlich ein Visum, die deutschen Behörden rieten ihm aber aus Sicherheitsgründen dazu, der Weltmeisterschaft in Russland fernzubleiben. Der Vorfall verdeutlicht noch einmal die politische Dimension sportlicher Großereignisse.
nach oben