Weltkarte für junge Leute

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Pressefreiheit? Was ist das?
Die Weltkarte von RSF gibt Einblicke.
Material für Lehrkräfte an Schulen, Studierende und Jugendgruppen

Medienkompetenz, ein verantwortlicher Umgang mit Sozialen Medien, Pressefreiheit. Drei Aspekte, die mit der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche immer wichtiger werden. Reporter ohne Grenzen e.V. hat dazu eine Weltkarte entwickelt, die genau diese Punkte aufgreift und Interessierten einen Leitfaden an die Hand gibt, um Fragestellungen zu dieser Thematik - etwa im Unterricht oder bei anderen Veranstaltungen - an aktuellen Beispielen zu erörtern.

Was sind die Grundlagen für eine funktionierende Öffentlichkeit? Wie lässt sich in autoritären Regimen staatliche Zensur umgehen? Und was unterscheidet klassische und soziale Medien? Dies sind nur drei Fragen, die auf das Rückseite des Posters zur Diskussion gestellt werden.

Auf der Vorderseite ist die aktuelle Weltkarte der Pressefreiheit abgebildet, die einen Überblick darüber gibt, wie es weltweit um die Pressefreiheit gestellt ist. Die Rückseite bietet neben Informationen zu den angesprochenen Themenfeldern auch Vorschläge für eine weitergehende Beschäftigung mit dem Komplex Presse- und Informationsfreiheit: Spiele, Grundlagentexte und die vollständige Rangliste der Pressefreiheit.

Die aktuelle Weltkarte steht hier zum kostenlosen Download bereit.

Die weltweiten Entwicklungen und Weltkarten aus den letzten Jahren können hier im Vergleich angesehen werden.

Die Texte der Weltkartenrückseite zum Nachlesen:

1. Was ist Pressefreiheit?

Das Recht, seine Meinung frei zu äußern, und das Recht ungehindert Informationen zu suchen, zu bekommen und zu veröffentlichen, gehört zu den häufig verletzten Menschenrechten. Staatliche Zensur der Presse, Verbot und Einschränkungen beim Druck von Printmedien und der Verbreitung von Online- oder RundfunkVer öffentlichungen sind sehr verbreitet – die unmittelbare Verfolgung von Medienschaffenden auch.

Informationen sind der erste Schritt zu Veränderungen, deshalb fürchten nicht nur autoritäre Regierungen eine freie und unabhängige Berichterstattung. Wo Medien nicht über Unrecht, Machtmissbrauch oder Korruption berichten können, findet auch keine öffentliche Kontrolle statt, keine freie Meinungsbildung und kein friedlicher Ausgleich von Interessen.

Beispiel Deniz Yücel

Der Türkei-Korrespondent der »Welt«, Deniz Yücel, war am 14. Februar 2017 in das Istanbuler Polizeipräsidium gegangen, um sich Fragen von Ermittler*innen zu stellen. Er wurde im Zusammenhang mit Berichten über eine Hacker*innen-Attacke auf das E-Mail-Konto des türkischen Energie ministers gesucht. Yücel wurde im Polizeipräsidium festgenommen, seine Wohnung wurde durchsucht.

Er hatte, wie auch andere Journalist*innen internationaler Medien, über E-Mails berichtet, die das links - gerichtete türkische Hacker*innen-Kollektiv RedHack aus dem privaten Mail-Konto von Energie minister Berat Albayrak beschafft hatte. In den Mails ging es u. a. um die Kontrolle türkischer Medienkonzerne und die Beeinflussung der Öffentlichkeit durch fingierte Nutzer*innen über Twitter. Albayrak ist ein Schwiegersohn des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Am 27. Februar 2017 wurde für Yücel Unter suchungshaft angeordnet; ihm wurden Terrorpropaganda und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen. Am 16. Februar 2018 wurde er entlassen, nachdem einen Tag zuvor wegen derselben Vergehen Anklage gegen ihn erhoben worden war.

Beispiel Facebook

Facebook wird offenbar systematisch missbraucht, um im Exil lebende Blogger*innen aus Vietnam zu zensieren. Vietnam gehört zu den Staaten mit der höchsten Zahl an inhaftierten Medienschaffenden. Umso größer ist daher die Bedeutung von Exiljournalist*innen, die aus dem Ausland unabhängige Nachrichten verbreiten. Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen hat das soziale Netzwerk wegen angeblicher Verletzungen der »Community Standards«, seit 2020 immer häufiger auch mit Verweis auf »lokale recht - liche Beschränkungen«, Beiträge gelöscht oder ganze Accounts gesperrt, darunter Posts des vietnamesischen Journalisten Trung Khoa Le, der in Berlin lebt. Sein Account wurde Facebook von anderen Usern als missbräuchlich gemeldet – offenbar um eine Sperrung zu erwirken und Le an der Veröffentlichung von regimekritischen Videos in Deutschland zu hindern. Trung Khoa Le betreibt die zweisprachige Nach - richtenseite thoibao.de, die nach eigenen Angaben mehrere Millionen Zugriffe im Monat hat und über vietnamesische Politik und Menschenrechtsverletzungen berichtet. Facebook hat auf öffentliche Kritik hin einerseits Maßnahmen ergriffen, um das Konto von Herrn Le zu schützen, andererseits scheint sich das Unternehmen immer häufiger den Zensurvorgaben der vietnamesischen Regierung zu beugen.

2. Pressefreiheit - rechtliche Grundlagen

Presse steht für Druckerzeugnisse mit journalistischem Inhalt, die öffentlich verbreitet werden sollen. Die Rundfunkbericht erstattung ist ebenfalls geschützt. Unter Rundfunk fasst man Hörfunk und Fernsehen. Auch zum Beispiel Kabel fernsehen, Pay-TV, Videotext und Internet-Streaming-Dienste sind geschützt. Der Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung.

Rechtliche Grundlagen

Weltweit: Art. 19 zur Behandlung der Meinungs- und Informationsfreiheit aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10.12.1948: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

In Deutschland: Die Pressefreiheit ist eine von fünf Freiheiten, die für eine funktionierende Öffentlichkeit grundlegend sind. Sie sind in Art. 5 (1) Grundgesetz (GG) festgeschrieben: Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Diese Rechte werden auch als Abwehrrechte der Bürger*innen gegen Maßnahmen des Staates bezeichnet. Art. 5 (1) GG schützt sämtliche Personen im Geltungsbereich des Grundgesetzes, z. B. auch juristische Personen wie Medienunternehmen.

3. Nahaufnahme Deutschland

In Deutschland werden Mindeststandards der Pressefreiheit von Regierung und Parlamenten respektiert. Dies liegt vor allem an einer funktionierenden Gewaltenteilung. So darf etwa der Staat die Gerichte nicht instrumentalisieren, um gegen unbequeme Berichterstattung vorzugehen. Doch wurden durchaus in den vergangenen Jahren Medienschaffende staatlich überwacht, etwa, wenn sie in der rechtsextremen Szene recherchierten.

Aber Reporter ohne Grenzen beobachtet auch hierzulande besorgniserregende Entwicklungen. Deutschland ist auf der Rangliste der Pressefreiheit vergangenes Jahr um fünf Plätze abgerutscht – von Platz 16 auf Platz 21. Das Ausmaß der Gewalt gegen Journalist*innen war 2022 so groß wie noch nie: Mindestens 103 gewalttätige Angriffe zählte die Organisation. Im Vorjahr waren es 80 Angriffe. Die meisten Übergriffe fanden in einem verschwörungsideologischen, antisemitischen oder extrem rechten Kontext statt, besonders auf Demonstrationen

Immer wieder schlagen Parteien im Parlament neue Gesetze vor, die den Informanten- und Quellenschutz bedrohen. Das Recht, Informationen von Behörden zu erhalten, wird in Deutschland immer noch lückenhaft umgesetzt. Außerdem schrumpft die Pressevielfalt, das heißt, es gibt immer weniger verschiedene Zeitungen, aus denen die Menschen sich informieren können.

In der letzten »Nahaufnahme Deutschland« zur Lage der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen könnt ihr euch über weitere Entwicklungen in der Presse- und Informationsfreiheit in Deutschland informieren.

4. Wie sieht es weltweit aus?

In den vergangenen 20 Jahren sind weltweit mindestens 1.657 Medienschaffende wegen oder bei ihrer journalistischen Arbeit getötet worden. Krisen, Kriege und die anhaltende Ausbreitung des Autoritarismus haben dazu geführt, dass die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so instabil war wie seit langem nicht. 58 Medienschaffende wurden getötet.

Die gefährlichsten Länder für Journalist*innen waren dabei Mexiko, Haiti, der Jemen und Syrien – hier wurden Medienschaffende umgebracht, weil sie zum Beispiel über organisierte Kriminalität, Korruption, Machtmissbrauch oder Menschenrechtsverletzungen berichtet haben. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden dort zehn Medienschaffende getötet.

Inhaftiert wegen ihrer journalistischen Arbeit waren die meisten Medienschaffenden Ende 2022 in China, Myanmar, Iran, Vietnam und Belarus. Zum Jahresende saßen weltweit mindestens 533 Journalist*innen hinter Gittern, darunter auch sehr viele Frauen.

5. Was hat Instagram mit Pressefreiheit zu tun?

Viele Menschen informieren sich heute anders. Sie googeln, schauen sich Videos auf YouTube an oder sehen in ihrer Timeline auf X (Twitter), Instagram und Facebook, was aktuell passiert. In sozialen Netz werken und Suchmaschinen findet man Informationen, die nicht von den Plattformen selbst stammen. Sie bieten nur die Infrastruktur, um Informationen zu erstellen und zu teilen. Somit sind sie eine Mischform aus klassischen Medien und Internetanbietern. Frei zugängliche Informationen sind für die Pressefreiheit erst einmal gut. Aber die Dienste bringen auch Probleme mit sich:

  1. Bei einer Zeitung wählt die Redaktion nach journalistischen Standards, z. B. nach Aktualität oder Region, die Inhalte für Leser*innen aus. Bei sozialen Netzwerken und Suchmaschinen erledigt das ein Algorithmus. Das Schwierige daran ist, dass die Nutzer*innen nicht wissen, nach welchen Kriterien der Algorithmus funktioniert.
  2. Die sozialen Netzwerke und Suchmaschinen sind profitorientierte Unternehmen. Sie versuchen, ihre Nutzer*innen möglichst oft und möglichst lange auf Seiten zu holen, auf denen diese Werbung sehen. Denn so verdienen sie Geld.
  3. Oft geklickte Beiträge werden priorisiert. Sie sind meist unterhaltsam. Journalismus hat zwischen witzigen Videos oft nicht so gute Chancen, gesehen zu werden.Bei einer Zeitung wählt die Redaktion nach journalistischen Standards, z. B. nach Aktualität oder Region, die Inhalte für Leser*innen aus. Bei sozialen Netzwerken und Suchmaschinen erledigt dasein Algorithmus. Das Schwierige daran ist, dass die Nutzer*innen nicht wissen, nach welchenKriterien der Algorithmus funktioniert.

Um Inhalte auf den Plattformen zu regulieren und Hassrede einzudämmen, wurde 2017 das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verabschiedet. Danach müssen die Netzwerke strafbare Inhalte innerhalb einer kurzen Frist löschen. Dabei kann es passieren, dass auch legale Inhalte gelöscht werden. In nachfolgenden Anpassungen wurden deshalb neue Beschwerderechte für die Nutzer*innen eingeführt. Dennoch bleibt die Diskussion um den großen Einfluss privater Unternehmen auf die öffentliche Meinungsbildung. Ein EU-weites Plattformgesetz soll künftig beispielsweise mehr unab - hängige Kontrolle über die Wirkung von Empfehlungsalgorithmen schaffen. Mit diesen können die Betreiber*innen sozialer Netzwerke Inhalte anzeigen, die zu den erwarteten Vorlieben der Nutzer*innen passen.

6. Spiel: Standbilder bauen

Als »Bildhauer*in« modelliert ihr Schritt für Schritt mit den Körpern von Mitschüler*innen ein Standbild. Diejenigen, die »geformt« werden, nehmen wie bewegliche Puppen die Haltungen – einschließlich der Mimik und Gestik – ein, die ihnen gegeben werden.

Wählt aus eurer Lerngruppe zwei Bildhauer*innen aus. Diese wiederum wählen jeweils zwei von euch, die zu seinen oder ihren Vorstellungen passen. Sie arbeiten unter Beobachtung der restlichen Schüler*innen separat voneinander, ggf. in getrennten Räumen.

Dies sind die zu modellierenden Personen in Situationen:

  • A Ein*e Journalist*in in China, in Einzelhaft einsitzend. Die Gerichtsverhandlung steht noch aus, und es ist nicht bekannt, wann und ob diese überhaupt stattfinden wird.
  • B Ein*e Bürgerjournalist*in in Belarus, die oder der bei einer Demonstration von Sicherheits - kräften unter Anwendung von Gewalt festgenommen wird.
  • C Ein*e Kamerafrau oder -mann in Deutschland, die oder der eine Demonstration filmt und von Demonstrierenden angegriffen wird.

Siehe weitere Details in: Lothar Scholz, Methoden-Kiste, Bonn: 8. Aufl. 2018

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Ressourcenliste: Zusätzliche Empfehlungen für Lehrkräfte zum Thema Pressefreiheit im Unterricht

Download hier

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