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Vereinigte Staaten von Amerika

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 45 von 180
USA 19.01.2017

Feindseligkeiten gegen Journalisten beenden

Trump bei einem Interview im Juni 2016. © picture alliance/AP Photo

Reporter ohne Grenzen fordert den künftigen US-Präsidenten Donald Trump vor seiner Amtseinführung am Freitag auf, sein feindseliges Verhalten gegenüber Journalisten zu beenden.

„Mit seiner demonstrativen Geringschätzung kritischer Medien hat der künftige US-Präsident schon vor seinem Amtsantritt schweren Schaden angerichtet“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Donald Trump stellt nicht nur wichtige Errungenschaften der Pressefreiheit in den USA in Frage. Er gibt auch ein brandgefährliches Beispiel für Autokraten in aller Welt, die nur darauf warten, unabhängige Journalisten ohne lästige Kritik des Auslands kaltstellen oder verfolgen zu können. Es ist höchste Zeit, dass Trump seine Angriffe auf die Medien einstellt und sich auf das traditionelle Selbstverständnis der USA als Vorreiter der Pressefreiheit besinnt."

Im Wahlkampf wie auch in der Übergangszeit seit seinem Wahlsieg hat Trump in Wort und Tat deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, die Rolle der Medien als unabhängige Kontrollinstanz seines politischen Handelns anzuerkennen. Auch viele Äußerungen seines designiertes Spitzenpersonals geben mit Blick auf die Pressefreiheit Anlass zur Sorge.

Schimpftiraden gegen kritische Medien

Sowohl vor als auch nach seinem Wahlsieg hat Trump kritische Medienveröffentlichungen reihenweise mit regelrechten Schimpftiraden beantwortet, teils verbunden mit frei erfundenen Behauptungen über die Zielscheiben seiner Missgunst. So twitterte Trump kurz nach seiner Wahl wahrheitswidrig, die New York Times habe „wegen ihrer sehr schlechten und äußerst inkorrekten Berichterstattung“ über ihn Tausende Abonnenten verloren. Den CNN-Reporter Jeff Zeleny verunglimpfte er als „Teilzeit-Möchtegern-Journalist“, weil Zeleny Trumps unbelgte Behauptung eines massenhaften Wahlbetrugs hinterfragt hatte.

Den Fernsehsender CNN bezichtigte Trump vergangene Woche bei der ersten Pressekonferenz nach seinem Wahlsieg ohne jeden Beleg, „Fake News“ zu verbreiten. Anlass war die Berichterstattung des Senders über ein in Washington kursierendes Dossier mit mutmaßlich kompromittierenden Informationen über Trump. An die Adresse des Internetportals BuzzFeed, das das Dossier in Gänze veröffentlicht hatte, sprach Trump von einem „missglückten Haufen Müll“.

Dem CNN-Reporter Jim Acosta verweigerte Trump in derselben Pressekonferenz jede Antwort auf seine wiederholten Frageversuche. Trumps Sprecher Sean Spicer soll Acosta sogar gedroht haben, ihn aus dem Saal werfen zu lassen, falls er weiter versuche, seine Frage zu stellen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seit dem vergangenen Sommer massiv gegen jede kritische Berichterstattung in seinem Land vorgeht, lobte Trumps Verhalten gegen den CNN-Reporter und merkte an, er selbst habe Kritiker aus den Medien auf die gleich Weise behandelt.

Trumps Social-Media-Direktor verbreitet Falschmeldungen

Den Hauptstadtkorrespondenten in Washington verweigerte Trump nach der Wahl die seit Jahrzehnten übliche Mitreise zum ersten Besuch bei seinem Amtsvorgänger im Weißen Haus. Bei seinem ersten Treffen mit einem ausländischen Regierungschef ließ er keine Pressevertreter zu.

Der Washington Post und mehreren weiteren Medien hatte Trumps Tross im Wahlkampf wegen kritischer Berichte die Presseakkreditierungen entzogen. Monatelang befehdete der Kandidat öffentlich die Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly, die ihm bei einer Fernsehdebatte mit scharfen Fragen zugesetzt hatte. Kelly erhielt daraufhin zeitweise Morddrohungen und musste Personenschützer anheuern. Per Twitter beschimpfte Trump im Wahlkampf laut einer Dokumentation der New York Times insgesamt rund 70 Journalisten und mehr als 20 Medien, einige von ihnen vielfach.

Auch der designierte Präsidentensprecher Spicer hat immer wieder einzelne Journalisten oder Medien – insbesondere das Nachrichtenportal Politico – öffentlich schlechter oder falscher Berichterstattung bezichtigt. Dan Scavino, der künftig als Direktor für soziale Medien im Weißen Haus dienen soll, hat per Twitter wiederholt Falschmeldungen von der Webseite eines bekannten Verschwörungstheoretikers verbreitet.

Die für das Weiße Haus zuständigen Korrespondenten der wichtigsten US-Medien haben inzwischen angekündigt, Trump künftig geschlossen entgegenzutreten, sollte er erneut einzelne Journalisten beschimpfen oder ihre Fragen ignorieren. Lügen und Verzerrungen seitens Trumps und seiner Sprecher würden sie klar benennen und die Urheber in besonders gravierenden Fällen boykottieren, schrieben die Korrespondenten in einem offenen Brief.

Strafverfolgung von Journalisten nicht ausgeschlossen

In ihrer Summe offenbaren die Vorfälle eine gefährliche Feindseligkeit gegen jede kritische Berichterstattung. Sollten Trump und seine Regierung bestehende rechtliche Möglichkeiten anders als frühere Regierungen zu Ungunsten der Pressefreiheit ausschöpfen, könnten sie damit realen Schaden anrichten.

US-Verfassungsexperten halten es zwar für unwahrscheinlich, dass Trump seine Wahlkampf-Ankündigung wahr machen kann, Verleumdungsklagen gegen Medien wegen „absichtlich negativer“ Berichte zu erleichtern. Auch mehrere von Trump angekündigte Klagen gegen verschiedene Medien sind bislang offenbar eine Drohkulisse geblieben.

Sorge bereitet Juristen aber unter anderem die Aussicht, eine medienfeindliche Regierung könnte den Anwendungsbereich des Spionagegesetzes von 1917 weiter ausweiten und die vage formulierte Regelung nicht mehr – wie unter dem scheidenden Präsidenten Barack Obama öfter als unter allen vorangegangenen Präsidenten geschehen – nur gegen Informanten aus dem Regierungsapparat ins Feld führen, sondern auch gegen Journalisten, die über Verschlusssachen der Regierung berichten.

Auch der Schutz von Journalisten vor Verhaftung ist schwächer, als die bisherige Praxis vermuten lässt: Er besteht vor allem darin, dass der US-Justizminister in seiner Doppelfunktion als Generalstaatsanwalt die Haft in jedem Einzelfall genehmigen muss.  

Trumps Kandidat für den Posten, Jeff Sessions, legte sich bei seiner Anhörung vor dem Senat ausdrücklich nicht darauf fest, Journalisten grundsätzlich von Strafverfolgung wegen möglicher Rechtsverstöße im Zuge ihrer Tätigkeit auszuschließen. Vielmehr deutete er an, diese Praxis bei bestimmten Verletzungen des Geheimschutzes womöglich zu hinterfragen. Sessions hat sich in seiner Zeit als Senator auch gegen ein Bundesgesetz zum Schutz journalistischer Quellen ausgesprochen, sich gegen eine Stärkung des US-Informationsfreiheitsgesetzes gesperrt und sich für mehr Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste eingesetzt.

Beunruhigende Äußerungen zu Whistleblowern

Nicht weniger beunruhigend sind die Äußerungen Trumps und seines Spitzenpersonals zum Umgang mit Whistleblowern. Trump selbst hat den NSA-Whistleblower Edward Snowden als „Verräter“, „Schande“ und „Feigling“ beschimpft. Sein designierter CIA-Chef Mike Pompeo bezeichnete eine Hinrichtung als angemessene Strafe für Snowden.

Anfang Januar forderte der designierte Präsident die Geheimdienstausschüsse von Senat und Repräsentantenhaus auf zu untersuchen, wie der Fernsehsender NBC vor ihm in den Besitz eines Geheimdienstberichts gelangt sei. Der Sender hatte detailliert über die Schlussfolgerungen der Dienste zu den mutmaßlich von Russland gesteuerten Hackerangriffen im Wahlkampf berichtet, über die Trump erst am Tag darauf offiziell unterrichtet werden sollte.

Verstörend sind auch Trumps Einlassungen zur Frage staatlicher Gewalt gegen Journalisten im Ausland. Anlass war die Frage eines Fernsehmoderators im Dezember 2015, ob seine Freude über lobende Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin dadurch geschmälert werde, dass Putin für Menschenrechtsverletzungen wie Morde an Journalisten verantwortlich sei. Trumps Antwort: Immerhin sei Putin ein Anführer, und auch die USA hätten viele Tote auf dem Gewissen. Erst auf eine spätere Nachfrage, ob er die Tötung von Journalisten verurteilte, erwiderte Trump: "Gewiss, absolut" – nur, um gleich anschließend wieder Putins Führungsstärke zu preisen.

Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen stehen die USA auf Platz 41 von 180 Staaten.



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