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Aserbaidschan

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 151 von 180
Aserbaidschan 15.02.2012

ROG: Der Eurovision Song Contest ist keine unpolitische Veranstaltung

© ddp images

Einen Tag vor dem Deutschland-Finale des Eurovision Song Contests (ESC) ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) alle Beteiligten auf, sich intensiv mit dem Gastgeberland Aserbaidschan auseinanderzusetzen und öffentlich Position zu den Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit dort zu beziehen. „Der Eurovision Song Contest ist nicht einfach eine unpolitische Musikveranstaltung, wie die Organisatoren uns weismachen wollen “, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

„Er findet in einem Land statt, in dem es keine freie Berichterstattung gibt und kritische Journalisten bedroht werden“, so Rediske. „Jury, Journalisten, Produzenten und Sänger – sie alle können und sollten dazu beitragen, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht ignoriert werden.“

ROG zählt den aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew zu den Feinden der Pressefreiheit, Journalisten arbeiten in dem südkaukasischen Land unter ständiger Bedrohung. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben lokaler NGOs über 50 Medienvertreter überfallen oder von der Polizei angegriffen, besonders während der Proteste gegen die Regierung im Frühjahr 2011. Immer wieder werden Journalisten und Blogger aus fadenscheinigen Gründen verhaftet. Awas Sejnalli, Chefredakteur der Zeitung Chural, sitzt seit Ende Oktober 2011 im Gefängnis, nachdem er in Artikeln den autokratisch regierenden Präsidenten Ilcham Alijew kritisiert hatte. Gegen mehrere Blogger, die im Frühjahr zu Protesten aufgerufen hatten, wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Morde an den Journalisten Elmar Husejnow (2005) und Rafik Tagi (2011) sind bis heute nicht aufgeklärt.

Zum Eurovision Song Contest versucht die aserbaidschanische Regierung – mit tatkräftiger Hilfe westlicher PR-Agenturen – ihr Land als modernen, offenen Staat zu präsentieren. Als für den Bau einer millionenschweren Veranstaltungshalle im Zentrum Bakus etliche Einwohner mit Gewalt aus ihren Häusern vertrieben wurden, versuchten die Behörden hingegen, eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern. „Die Diskrepanz zwischen der glitzernden PR-Fassade und der bitteren Wirklichkeit Aserbaidschans kann nur eine unabhängige Presse sichtbar machen“, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Reporter ohne Grenzen fordert von der aserbaidschanischen Regierung, die Visavergabe und Akkreditierung für ausländische Journalisten frei und transparent zu gestalten. Unbehinderte Recherche muss vor, während und nach dem ESC sowohl in Baku als auch im Rest des Landes möglich sei. Journalisten dürfen in ihrer Arbeit nicht thematisch beschränkt werden.
 

INTERVIEWANGEBOTE:

Emin Milli (spricht deutsch und englisch)
Der Blogger und Aktivist Emin Milli saß 17 Monate im Gefängnis, weil er sich in einem satirischen Video über korrupte Politiker lustig gemacht hatte. Er wurde 2009 zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, im November 2010 aber nach internationalen Protesten vorzeitig entlassen. Zurzeit studiert Milli in London.

Emin Husejnow (spricht englisch)
Der aserbaidschanische Journalist ist zugleich Vorsitzender des Instituts für die Freiheit und Sicherheit von Journalisten und Mitinitiator der Kampagne "Sing for Democracy" – einem Projekt mehrerer aserbaidschanischen NGOs, die den Song Contest in Baku dazu nutzen wollen, auf Menschenrechtsdefizite und Verletzungen der Pressefreiheit in ihrem Land hinzuweisen.

Ejnulla Fatullajew (spricht englisch)
Der Gründer und Chefredakteur der Oppositionszeitungen Realny Aserbaidschan und Gündalik Aserbaidschan wurde 2007 unter anderem wegen „Anstachelung zu nationalem Hass“ zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt und saß trotz internationaler Proteste vier Jahre im Gefängnis. Erst wenige Tage nach dem Sieg Aserbaidschans beim Eurovision Song Contest im Mai begnadigte Präsident Alijew den Reporter.


Eine Übersicht über die Verletzungen der Pressefreiheit der vergangenen Jahre finden Sie hier.


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