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Israel

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Überwachungsstreit 24.12.2020

Unterstützung für WhatsApp-Klage gegen NSO

Mit einer Lupe wird das Zeichen von Whatsapp sowie der Name an sich auf einem Computerbildschirm vergrößert
© picture alliance / Eibner-Pressefoto / Fleig / Eibner-Pressefoto

Reporter ohne Grenzen schaltet sich in den Rechtsstreit zwischen WhatsApp und dem israelischen Überwachungsunternehmen NSO Group ein. Zusammen mit sieben weiteren internationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen hat RSF am 23. Dezember beim zuständigen US-Bundesgericht in San Francisco einen Schriftsatz eingereicht, um die Position von WhatsApp mit detaillierten menschenrechtlichen Argumenten zu unterstützen. WhatsApp klagt gegen NSO, weil mit dessen Technologie rund 1400 Nutzerinnen und -Nutzer seines populären Messengerdienstes ausgeforscht wurden, darunter viele Journalistinnen und Menschenrechtsaktivisten. Aus Sicht von RSF und seinen Verbündeten berührt dieser Rechtsstreit menschen- und völkerrechtliche Fragen von grundsätzlicher Tragweite.

„Im Kern geht es darum, ob ein Unternehmen ein Geschäftsmodell daraus machen darf, Menschen weltweit im Auftrag von Diktaturen auszuforschen und damit Leben und Freiheit der Betroffenen zu gefährden“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „NSO stellt seinen staatlichen Kunden weiterhin Überwachungstechnologie zur Verfügung, obwohl das Unternehmen weiß, dass diese dazu verwendet wird, internationales Recht zu brechen.“

WhatsApp hatte seine Klage gegen die NSO Group im Oktober 2019 eingereicht. Darin argumentiert das US-Unternehmen, der Überwachungsangriff mit der NSO-Software „Pegasus“ sei einem Muster gefolgt, das eindeutig gegen Menschenrechte gerichtet sei. Denn unter den Betroffenen seien mindestens 100 Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen und Journalisten sowie andere aktive Mitglieder der Zivilgesellschaft gewesen. Konkret fordern WhatsApp und sein Mutterkonzern Facebook, NSO den Zugriff sowie jeden Zugriffsversuch auf Produkte beider Unternehmen zu verbieten. Außerdem verlangen sie Schadenersatz in ungenannter Höhe.

NSO macht Anspruch auf Immunität geltend

NSO versuchte die Klage zunächst mit dem Argument abzuwehren, das Unternehmen sei nicht unmittelbar an den Überwachungsangriffen beteiligt gewesen – eine Behauptung, die Menschenrechtsgruppen schon länger anzweifeln. Auf wen die Überwachung ziele, werde von „souveränen Kunden“ gesteuert, so NSO. Nachdem eine Richterin diesen Einwand im Juli als nicht überzeugend zurückgewiesen hatte, änderte NSO seine Argumentation. Nun macht die Überwachungsfirma geltend, sie handle ausschließlich im Auftrag souveräner Staaten und habe deshalb denselben Anspruch auf Immunität vor Strafverfolgung in den USA wie ein „ausländischer Souverän“.

Das Bündnis von RSF und weiteren Organisationen wendet sich in dem jetzt eingereichten Schriftsatz dezidiert gegen diese Rechtskonstruktion. Denn würde die US-Justiz NSO Immunität gewähren, so ihr Argument, dann wäre das ein Freibrief für das Unternehmen, um weiterhin aus rein kommerziellem Gewinnstreben nach Belieben US-Bürgerinnen und -Bürger zu überwachen. Zugleich würde eine solche Überdehnung des Immunitätsanspruchs für ausländische Staaten Medienschaffende, Aktivistinnen und Aktivisten weltweit schutzlos der Überwachung und Verfolgung durch Diktaturen ausliefern.

Das zivilgesellschaftliche Bündnis hat dem Gericht seine Einwände in Form eines amicus curiae brief vorgelegt, einer im angelsächsischen Recht geläufigen Form der Stellungnahme, mit der interessierte Dritte wichtige Aspekte in einen Rechtsstreit einbringen können. Die Stellungnahme wird getragen von den Nichtregierungsorganisationen Access Now, Amnesty International, Committee to Protect Journalists, Internet Freedom Foundation, Paradigm Initiative, Privacy International, Red en Defensa de los Derechos Digitales und Reporter ohne Grenzen.

Server und Accounts mit Verbindungen zur NSO Group identifiziert

Die Klage von WhatsApp gegen NSO bezieht sich auf eine im Mai 2019 bekanntgewordene Schwachstelle, durch die sich die Videoanruf-Funktion des WhatsApp-Messengers dazu nutzen ließ, Schadsoftware auf ein Smartphone aufzuspielen. Auf diese Weise wurden laut Klageschrift Nutzerinnen und Nutzer in 20 Ländern ausspioniert; namentlich erwähnt die Klage Mexiko, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain.

Die NSO Group hat wiederholt eindringlich bestritten, mit diesem Angriff zu tun zu haben. WhatsApp zeigt sich aber überzeugt, dass diesen Dementis kein Glauben zu schenken sei, denn die Angriffe ließen sich zu Servern, Hosting-Anbietern und WhatsApp-Accounts mit Verbindungen zu NSO zurückverfolgen.

Die WhatsApp-Klage nennt zwar keine Namen von Opfern des mutmaßlichen NSO-Überwachungsangriffs. Bekannt ist aber, dass darunter zum Beispiel bekannte Fernseh-Persönlichkeiten gewesen sein sollen sowie prominente Ziele von Online-Hasskampagnen gegen Frauen.

Menschenrechtsverletzungen mit Spähsoftware „Pegasus“

Die Spähsoftware „Pegasus“ der NSO Group war schon in der Vergangenheit mehrfach mit Menschenrechtsverletzungen im Nahen Osten und in Lateinamerika in Verbindung gebracht worden. In Mexiko gehörten prominente Anwälte, Journalistinnen und Antikorruptionsaktivisten zu den Zielen der Überwachung. Ebenso steht der Vorwurf im Raum, sie habe eine Rolle bei der Überwachung des saudi-arabischen Exil-Journalisten Jamal Khashoggi vor seiner Ermordung gespielt.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde NSO-Software für den technisch sehr aufwändigen Hackerangriff auf den Menschenrechtsverteidiger und Blogger Ahmed Mansoor verwendet, der inzwischen unter katastrophalen Haftbedingungen eine zehnjährige Gefängnisstrafe verbüßt. In jüngerer Zeit fiel der Name NSO auch im Zusammenhang mit massiven Repressalien der marokkanischen Justiz gegen den Investigativjournalisten Omar Radi.

Citizen Lab berichtete zudem am 20. Dezember, dass mutmaßlich Regierungsmitarbeiter der Vereinigten Arabischen Emirate im Juli und August dieses Jahres Pegasus nutzten, um sich in 36 persönliche Telefone von Al Jazeera-Journalistinnen und -Journalisten, Produzenten, Moderatorinnen und Führungskräften sowie in das persönliche Telefon von Rania Dridi, einer Journalistin bei Al Araby TV mit Sitz in London, einzuhacken.



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