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Syrien

Rangliste der Pressefreiheit — Platz 175 von 180
Straflosigkeit 28.08.2021

RSF erinnert an verschwundene Journalisten

Die verschwundene Journalistin und Aktivistin Razan Zaitouneh
© picture alliance / AP Photo / Uncredited | Die verschwundene Journalistin und Aktivistin Razan Zaitouneh auf einem undatierten Videoausschnitt.

Anlässlich des Internationalen Tages der Verschwundenen am 30. August erinnert Reporter ohne Grenzen (RSF) an Medienschaffende, die zum Teil schon vor Jahrzehnten spurlos verschwunden sind. Bis heute wissen ihre Angehörigen nicht, was mit ihnen geschehen ist; in den meisten Fällen wurden die mutmaßlichen Täter nicht ermittelt und strafrechtlich verfolgt. Als Verschwundene gelten Menschen, die von meist staatlichen Stellen entführt und an einem unbekannten Ort festgehalten werden. Häufig werden sie Opfer von Folter und letztlich ermordet. Behörden tun so gut wie nichts, um die Fälle aufzuklären. Die Initiative für den Gedenktag geht zurück auf die 1981 in Costa Rica gegründete Federación Latinoamericana de Asociaciones de Familiares de Detenidos-Desaparecidos (FEDEFAM). Zur Hochzeit der Militärdiktaturen in Lateinamerika verschwanden insbesondere Mitte bis Ende der 1970er Jahre viele zumeist junge Journalistinnen und Journalisten. In Argentinien waren es mehr als 80, in Brasilien mindestens acht, in Chile mindestens neun. In Guatemala verschwanden in den 1970er und 1980er-Jahren mindestens 25 Medienschaffende. In Mexiko verschwinden bis heute immer wieder Journalistinnen und Journalisten; allein seit 2003 waren nach Erkenntnissen von Reporter ohne Grenzen mehr als 20.

„Die Praxis des Verschwindenlassens soll Medienschaffende einschüchtern; es ist ein perfides Mittel, um kritische Journalistinnen und Journalisten mundtot zu machen“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Die meisten der seit Jahrzehnten zurückliegenden Fälle wurden bis heute nicht aufgeklärt.“

Reporter ohne Grenzen hat einige der bekanntesten Fälle zusammengetragen. So verschwanden in Mexiko 2006 der Chefredakteur der Wochenzeitung Ecos de la Cuenca de Tepalcatepec, José Antonio García Apac, 2008 der Polizeireporter Mauricio Estrada Zamora, 2009 die Journalistin María Esther Aguilar Cansimbe und 2010 der indigene Journalist Ramón Ángeles Zalpa. Alle vier hatten sich mit sensiblen Themen wie Drogenhandel, Kriminalität, Korruption und Behördenwillkür beschäftigt. Im Januar 2020 wurde in Peru die junge Journalistin Daysi Lizeth Mina Huamán als vermisst gemeldet. Sie hatte zuvor über die Kommunalwahlen berichtet, war aber nicht bedroht worden. Von ihr fehlt jede Spur. 

Besonders viele Journalistinnen und Journalisten verschwanden in Syrien seit Beginn des Krieges 2011. Hunderte wurden entführt; genaue Zahlen und viele Namen sind bis heute schwer zu verifizieren. In den ersten beiden Jahren wurde vor allem das Regime von Präsident Baschar al-Assad für Entführungen verantwortlich gemacht, seitdem greifen vor allem bewaffnete, islamistische Rebellengruppen wie die Al-Nusra-Front, der sogenannte Islamische Staat oder Dschaisch al-Islam zu dieser Strategie. Von fast hundert Medienschaffenden gibt es noch immer kein Lebenszeichen. Zu den bekanntesten Fällen gehört der der Journalistin und Menschenrechtsanwältin Razan Zaitouneh. Sie wurde am 9. Dezember 2013 gekidnappt, allem Anschein nach von der islamistischen Miliz Dschaisch al-Islam. Ihr Verschwinden konnte bis heute nicht restlos geklärt werden.

Reporter ohne Grenzen erinnert in diesem Zusammenhang auch an all die Journalistinnen und Journalisten, deren letzter Ort der Gefangennahme bekannt ist, von denen es aber schon seit längerer Zeit kein Lebenszeichen mehr gibt. Sie fallen nicht unter die klassische Definition des Verschwundenseins, sind aber ein Sinnbild für das Verstummen kritischer Stimmen. So etwa der Journalist Dawit Isaak aus Eritrea, der vor nunmehr 20 Jahren verhaftet wurde und von dem seine Familie 2005 zum letzten Mal offiziell ein Lebenszeichen erhielt. Dennoch gibt es glaubhafte Informationen, dass er noch am Leben ist.

Ähnliches gilt für den freien US-Reporter Austin Tice, der im August 2012 an einem Kontrollpunkt nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus entführt worden war. Seine Angehörigen setzen sich unermüdlich dafür ein, dass er freikommt.

Im Rahmen des Kampfes gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalistinnen und Journalisten engagiert sich Reporter ohne Grenzen für die Einsetzung eines oder einer Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für den Schutz von Journalistinnen und Journalisten. Dieser oder diese Sonderbeauftragte sollte direkt dem UN-Generalsekretär unterstehen und eigenständige Untersuchungen einleiten können, wenn Staaten nach Gewalttaten gegen Medienschaffende untätig bleiben.

 



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