Malta 25.02.2021

Vorläufige Schritte auf Weg zur Gerechtigkeit

Ein Bild einer Frau mit Kerzen und Blumen
Gedenken an Daphne Caruana Galizia © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Sachelle Babbar

Update 16.03.2021: Der wegen Mordes an der Journalistin Daphne Caruana Galizia verurteilte Vincent Muscat hat inzwischen mehrmals umfassend ausgesagt und dabei unter anderem den ehemaligen Wirtschaftsminister Chris Cardona und den ehemaligen Stabschef des Premierministers Keith Schembri schwer belastet. Auch sagte Muscat aus, Cardona sei bereits im Jahr 2015 in ein nicht in die Tat umgesetztes Mordkomplott gegen die Journalistin verwickelt gewesen.

Reporter ohne Grenzen begrüßt die neuesten Entwicklungen im Mordfall der Journalistin Daphne Caruana Galizia in Malta. Am 23. Februar wurde einer der drei bereits seit 2017 inhaftierten mutmaßlichen Auftragsmörder kurz nach seinem überraschenden Geständnis zu 15 Jahren Haft verurteilt. Zugleich wurden drei Männer festgenommen, weil sie die Bombe, die Caruana Galizia tötete, beschafft haben sollen. Gemeinsam mit einem weiteren Mann wurden sie einen Tag später angeklagt. Dies sind aus Sicht von RSF bedeutende, aber nur vorläufige Schritte auf dem Weg zur Gerechtigkeit.

„Diese Ermittlungsfortschritte waren längst überfällig. Warum mussten bis zur ersten Verurteilung mehr als drei Jahre vergehen? Und warum wurden immer noch keine ernst zu nehmenden Anstrengungen unternommen, das Verbrechen restlos aufzuklären? Noch immer wurde in diesem Fall niemandem der Prozess gemacht“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Es ist jetzt dringender denn je, dass alle, die an diesem schrecklichen Verbrechen beteiligt waren, identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden. RSF kämpft weiter für volle Gerechtigkeit für Daphne Caruana Galizia.“

Am 23. Februar verurteilte ein maltesisches Gericht Vincent Muscat im Rahmen einer Verständigung mit dem Angeklagten zu 15 Jahren Gefängnis und zu der Zahlung von Gerichtskosten in Höhe von 42.000 EUR. Kurz zuvor hatte Muscat sich schuldig bekannt, an der Ermordung von Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 beteiligt gewesen zu sein und unter anderem die Bombe unter ihrem Auto mit platziert zu haben. Muscat ist einer von drei Angeklagten, die seit Dezember 2017 im Zusammenhang mit dem Attentat in Untersuchungshaft sitzen. Seine beiden Mitangeklagten, die Brüder Alfred und George Degiorgio, bestreiten nach wie vor ihre Beteiligung an der Tat, ihre Fälle werden nun getrennt von dem Muscats weiterverfolgt.

Ebenfalls am 23. Februar wurden drei Männer unter dem Verdacht festgenommen, die Bombe geliefert zu haben: die Brüder Adrian und Robert Agius sowie ihr Mitarbeiter Jamie Vella. Wie Muscat und die Degiorgio-Brüder gehörten die drei zu den zehn Männern, die ursprünglich am 4. Dezember 2017 festgenommen worden waren. Sie waren damals jedoch ohne Anklage wieder freigelassen worden. In einer nächtlichen Gerichtsverhandlung am 24. Februar wurden die Agius-Brüder und Vella sowie George Degiorgio im Zusammenhang mit dem Mord sowie anderen Verbrechen angeklagt. Alle vier bekannte sich nicht schuldig. Ein Polizeisprecher erklärte, er glaube, dass alle, die mit dem Mord in Verbindung stehen, nun festgenommen seien. RSF betont jedoch, dass alle Beteiligten, inklusive der Auftraggeber, identifiziert und vor Gericht gestellt werden müssen.

Die Familie von Caruana Galizia erklärte über ihren Anwalt, sie hoffe, dass dieser Schritt zu voller Gerechtigkeit führen würde, und stellte fest, dass der „grauenhafte Mord an Daphne Caruana Galizia vorsätzlich war und hätte verhindert werden können“.

Die plötzlichen Fortschritte in den Ermittlungen ließen lange auf sich warten. Der nun verurteilt Vincent Muscat hatte vor mehr als zwei Jahren erstmals eine präsidentielle Begnadigung im Austausch für eine Aussage beantragt. Im Januar 2021 hat Premierminister Robert Abela diesen Antrag endgültig abgelehnt. In Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen erklärte Abela, Malta sei „ein Land, in dem sich die Rechtsstaatlichkeit wirklich durchsetzt“ – was im krassen Widerspruch zu den Ergebnissen internationaler Institutionen wie der Venedig-Kommission und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates steht.

Der als Drahtzieher beschuldigte Geschäftsmann Yorgen Fenech bleibt im Zusammenhang mit dem Attentat ebenfalls in Haft, während weiter Beweise gegen ihn gesammelt werden. Der geständige Mittelsmann Melvin Theuma hat Anfang Februar erstmals vor Gericht ausgesagt. Im Juli 2020 war Theuma mit schweren Verletzungen, darunter einer schweren Schnittwunde am Hals, aufgefunden worden, die die Polizei als Selbstverletzungen wertete. Parallel wird der Fall weiterhin in einer unabhängigen öffentlichen Untersuchung aufgearbeitet.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Malta auf Platz 81 von 180 Staaten. Seit der Ermordung von Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017 ist das Land um 34 Plätze gefallen.



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