20.08.2009

23. August 2009: Mahnwache zum Gedenken an Natalia Estemirowa in Berlin

Foto: AP

Die Gewalt in den russischen Kaukasusrepubliken hat sich in den vergangenen Wochen weiter verschärft: Fast täglich werden Menschen bei Kämpfen, Anschlägen und Angriffen getötet und verletzt. Menschenrechtsaktivisten und Journalisten wurden offenbar gezielt ermordet. Die russischen Behörden handeln weiter unentschlossen, das volle Ausmaß der Gewalt bleibt aber im Dunkeln, auch weil immer weniger Medien von vor Ort berichten.

Natalia Estemirowa gehörte zu den wenigen russischen Menschenrechtlern und Journalisten, die ungeachtet aller Drohungen Missstände und Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus recherchieren und anprangern. Dafür musste sie mit dem Leben bezahlen.

In Erinnerung an Natalia Estemirowa und ihre Kollegen ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) in Berlin gemeinsam mit „MEMORIAL Deutschland“, „Amnesty International“ und dem „Deutsch-Russischen Austausch“ zur Teilnahme an einer Mahnwache zum Gedenken an Natalia Estemirowa auf:  Am 23. August um 17 Uhr werden wir an der Weltzeituhr am Alexanderplatz als Zeichen der Trauer und Solidarität Blumen niederlegen sowie unserer Forderung nach einer raschen Aufklärung der Morde und Bestrafung der Täter Nachdruck verleihen.

„Wir bewundern den außergewöhnlichen Mut dieser Menschenrechtsaktivistin und früheren Journalistin", sagt ROG-Vorstandsmitglied Gemma Pörzgen. „Nach den erschreckenden Morden bleiben die Täter bisher ungestraft. Wir fordern die russischen Ermittlungsbehörden auf, diese Taten aufzuklären und vor Gericht zu bringen.“ Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew habe sich für eine „umfassende Aufklärung“ stark gemacht. „Diesen Worten müssen nun Taten folgen“, so Pörzgen.

Natalia Estemirowa wurde am Morgen des 15. Julis in der Nähe ihres Hauses in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt und noch am gleichen Tag in der benachbarten Republik Inguschetien erschossen aufgefunden. Die 51-Jährige leitete das Büro der russischen Bürger- und Menschenrechtsorganisation MEMORIAL in Grosny und hatte früher für die Zeitung „Nowaja Gaseta“ gearbeitet.

Nach Wiktor Popkow, Igor Domnekow, Anna Politkowskaja und Anastasia Baburowa ist sie bereits die fünfte Mitarbeiterin des Blattes, die ermordet wurde. Die Zeitung kündigte am 12. August an, ihre Tschetschenien-Berichterstattung vorerst einzustellen. Auch die russische Menschenrechtsorganisation MEMORIAL hat ihr Büro in Grosny geschlossen.
 
„Damit verschwinden weitere maßgebliche Informationsquellen zu der täglichen Gewalt und Lebensrealität im Nordkaukasus“, sagt Gemma Pörzgen.

Auch die Chefredakteurin des unabhängigen inguschetischen Internetportals „Ingushetia.org“, Rosa Malsagowa, hat vor kurzem ihre Arbeit niedergelegt. Sie war im vergangenen Jahr nach Frankreich geflüchtet. Dort erreichten sie Todesdrohungen einer militanten islamistischen Gruppe, so dass sie um ihr Leben und das ihrer Familie fürchtet.   

Auf der aktuellen Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit steht die Russische Föderation auf Platz 141 von insgesamt 173 Staaten. Seit März 2000, dem Amtsantritt des früheren Präsidenten und heutigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, sind mindestens 22 Journalisten getötet worden. Besonders gefährlich ist die Arbeit von Journalisten und Menschenrechtlern derzeit in den drei russischen Kaukasusrepubliken Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien.

ROG veröffentlichte am 25. Juni einen Kaukasusbericht, in dem die schwierige Lage der Medien in der Region untersucht wird. Die Rechercheure trafen dabei mit zahlreichen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten zusammen, aber auch mit dem tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadirow und dem Präsidenten Inguschetiens, Junus-Bek Jewkurow.

Hier lesen Sie den ROG-Kaukasusbericht (in englischer Sprache)

Hier lesen Sie den Aufruf zur Mahnwache am 23. August 2009


Weitere Informationen:
Anja Viohl
Tel.: 030 615 85 85



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