06.10.2004

Appell für eine freie Presse in der Arabischen Welt

Anlässlich der Frankfurter Buchmesse fordert die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG) die arabischen Staaten auf, eine freie und unabhängige Berichterstattung in ihren Ländern zuzulassen.

„Die Machthaber in den arabischen Staaten unterdrücken die Pressefreiheit systematisch“, sagte RoG-Vorstand Astrid Frohloff heute in Frankfurt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von RoG und Deutsche Welle. „Unabhängige Informationen zu verbreiten und zu bekommen ist aber ein Menschenrecht und Voraussetzung für eine Demokratie.“

Daher fordert Reporter ohne Grenzen die arabischen Staaten auf, restriktive Mediengesetze abzuschaffen. In vielen Ländern stellen die Gesetze Diffamierung unter Strafe – so wird Kritik an Machthabern, Militär und Religion unterdrückt. Zudem sollen die Staaten ihr Monopol auf Radio- und Fernsehsender aufheben und unabhängige Medien ungehindert arbeiten lassen. „Schikanen wie willkürliche Steuerforderungen und überhöhte Rechnungen für Druck und Papier gegenüber Medien müssen aufhören", sagte Frohloff. Weiterhin sollen neben den rein staatlichen auch unabhängige Journalistenverbände und -gewerkschaften zugelassen werden.

Acht Journalisten sind derzeit in arabischen Ländern inhaftiert; allein 2004 wurden schon 14 Medien – darunter Tages- und Wochenzeitungen, Fernseh-Büros und Internet-Portale – geschlossen. Dabei sind vor allem in Algerien kritische Stimmen unter Druck. Vier Journalisten sind dort wegen ihren Berichten hinter Gittern. Nach kritischen Artikeln rund um die Wahlen im April 2004 mussten die unabhängigen Tageszeitungen Le Matin, Le Nouvel Algérie Actualité und El Djarida im Juli ihr Erscheinen einstellen – sie konnten die überteuerten Rechnungen der staatlichen Druckerei nicht begleichen. Einen Monat zuvor war der Chefredakteur von Le Matin, Mohamed Benchicou, zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.

Auch in Tunesien, Marokko, Syrien, Libyen oder Saudi-Arabien werden Journalistinnen und Journalisten durch die vielfältigen Mechanismen der Zensur zum Schweigen gebracht.

Ebenso sind in ägypten kritische Recherchen nicht erwünscht. Davon berichtete in Frankfurt der Nahost-Korrespondent Karim El-Gawhary, der von Kairo aus u.a. für taz, Badische Zeitung und Die Presse schreibt. „Während die Artikel einheimischer Journalisten zensiert werden, kommen ausländische Journalisten häufig gar nicht an die Informationen“, so El-Gawharys Erfahrungen. „Die Ministerien halten uns systematisch von Informationen ab.“ Zudem verschärfe die mangelnde Sicherheit die Lage dramatisch – nicht nur im Irak, von wo aus El-Gawhary während und nach dem Krieg berichtete, sondern auch in Saudi-Arabien. Eine freie Berichterstattung aus diesen Ländern sei nicht mehr möglich.

über den Wandel in den arabischen Medien durch die Satellitensender wie Al-Dschasira und Al-Arabyia berichtete Peter Philipp, Nahost-Experte der Deutschen Welle. „Nachrichten sind noch immer am zuverlässigsten, wenn sie über die Grenzen hinweg ins Land kommen“, stellte Philipp fest. „Durch ihre panarabische Präsenz und Berichterstattung haben die Satellitensender die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren liberalisiert.“ Dennoch seien die arabischen Länder von einer freien Presse weit entfernt.

Mit Blick auf die Krisengebiete im Irak und in Israel/Palästina kritisiert Reporter ohne Grenzen, dass Journalisten immer häufiger angegriffen und Opfer von Gewalt werden. RoG appelliert daher an die Konfliktparteien, Journalisten als Zivilpersonen anzuerkennen und zu behandeln. Dies sieht die Genfer Konvention vor; ein Verstoß gegen dieses internationale Menschenrechtsabkommen gilt als Kriegsverbrechen. Im Irak kamen allein dieses Jahr 14 Journalisten und zwölf Medienmitarbeiter ums Leben. Zwölf Journalisten wurden entführt. In Gaza wurde 2004 ein Journalist erschossen.

Weitere Informationen:
Reporter ohne Grenzen - Katrin Evers
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