Gambia 15.05.2024

Urteil zu Folter von Journalisten in Gambia

Einige Überlebende der Jammeh-Ära kämpfen seit Jahren für die Strafverfolgung von Mitgliedern des Regimes, die sich wie der nun verurteile Ex-Innenminister häufig ins Ausland abgesetzt haben. Ousman Sonko wurde nun wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Einige Überlebende der Jammeh-Ära kämpfen seit Jahren für die Strafverfolgung von Mitgliedern des Regimes, die sich wie der nun verurteile Ex-Innenminister häufig ins Ausland abgesetzt haben. © picture alliance/KEYSTONE | Pablo Gianinazzi

Das Schweizer Bundesstrafgericht hat den ehemaligen gambischen Innenminister Ousman Sonko wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Reporter ohne Grenzen (RSF) begrüßt diesen Schritt als einen weiteren wichtigen Erfolg in den Bemühungen Gambias um Aufarbeitung der zahlreichen Verbrechen, die während der Jammeh-Ära begangen wurden. Als ehemaliger Präsident Gambias hatte der Diktator Yahya Jammeh alle vermeintlichen politischen Gegnerinnen und Gegner, darunter viele kritische Medienschaffende, verfolgt. Sein damals mächtiger Innenminister Ousman Sonko war für viele der Repressionen verantwortlich - unter anderem für die Folter zweier Journalisten, wie das Bundesstrafgericht in Bellinzona nun urteilte. 

„Nach Deutschland ist die Schweiz nun der zweite Staat, der zum Regime von Yahya Jammeh ermittelt und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gambia festgestellt hat”, sagt Nicola Bier, Referentin für Recht bei RSF, die den Prozess streckenweise vor Ort beobachtet hatte. “Diese Prozesse nach dem Weltrechtsprinzip, die weit weg von Gambia geführt wurden, zeigen, dass auch lang zurückliegende Verbrechen aufgearbeitet werden können. Nun hoffen die Menschen in Gambia, dass sich auch Yahya Jammeh selbst bald vor einem Gericht für seine grausamen Taten verantworten muss.”

Ein Erfolg im Kampf gegen die Straflosigkeit

Von 1996 bis zu seiner Flucht ins Exil nach Äquatorialguinea 2017 führte Yahya Jammeh den westafrikanischen Staat mit harter Hand: Um jede mögliche Bedrohung seiner Macht auszuschalten, ordnete er außergerichtliche Tötungen, Inhaftierung und Folter von vermeintlichen Gegnerinnen und Gegnern an, darunter viele kritische Medienschaffende. Die Journalisten Deyda HydaraMadi Ceesay und Musa Saidykhan gehören zu den Opfern, deren Fälle vor den Gerichten in Celle (Deutschland) und Bellinzona (Schweiz) untersucht wurden. Am Ende des Prozesses gegen Ousman Sonkostellte das Gericht in Bellinzona fest, dass Madi Ceesay, damals Journalist und heute Mitglied des gambischen Parlaments, und Musa Saidykhan, damaliger Chefredakteur von The Independent, einer der wichtigsten Zeitungen in Gambia, nach der Veröffentlichung von Artikeln in The Independent festgenommen wurden. Während der Haft wurden sie von den gambischen Behörden - damals unter der Kontrolle des Innenministers - gefoltert. 

„Mehr als 100 Journalisten flohen aus dem Land und lebten im Exil, ich war einer von ihnen. Viele verließen das Land für immer, was sich negativ auf den unabhängigen Journalismus auswirkte, ihn gar vernichtete. Bis heute haben wir uns von diesem Verlust nicht vollkommen erholt. Der unabhängige Journalismus im Land ist noch immer geschwächt", sagt der freie Journalist Sanna Camara, der 2017 nach drei Jahren im Exil nach Hause zurückkehrte, um in der Hauptstadt Banjul weiterzuarbeiten.

Das Völkerstrafrecht spielt eine wichtige Rolle für den Schutz und die Verbesserung der Pressefreiheit weltweit. Die Nachricht von erfolgreich durchgeführten Strafverfahren zeigt: Schwerste Verbrechen bleiben nicht straflos. Es ist eine Kern-Mission von RSF, gegen die immer noch vorherrschende Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Medienschaffende zu kämpfen und dafür das Völkerstrafrecht zu stärken und zu nutzen.

Kritik an der Zugänglichkeit des Prozesses für die gambische Presse

Während es ein großer Erfolg ist, dass die Täter sich nun vor Gericht verantworten müssen, stießen gambische Medienschaffende bei der Berichterstattung über die Prozesse in Deutschland und der Schweiz auf große Hindernisse: Die Anhörungen, Schlussplädoyers und die Urteilsverkündung in Bellinzona wurden fast ausschließlich in deutscher Sprache abgehalten. Übersetzungen gab es nur, wenn es für das Verständnis des Gerichts notwendig war, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Opfer und der Berichterstattenden. Einige wenige gambische Journalistinnen und Journalisten hatten sich trotz hoher Kosten, schwieriger Visaverfahren und sprachlicher Barrieren auf den Weg nach Bellinzona gemacht. Patience Loum berichtete, unterstützt von RSF, von den Prozesstagen im Januar. Mariam Sankanu und Sanna Camarahaben den Prozess von den ersten Anhörungen an verfolgt Mit Unterstützung von RSF konnten sie auch zur Urteilsverkündung anreisen.

„Gambische Journalistinnen und Journalisten, welche diesen Prozess verfolgen konnten, haben wichtige Informationen für die Menschen übermittelt, auf die es wirklich ankommt – für die gambische Bevölkerung, einschließlich der Opfer. Vor diesem Prozess hatten die einfachen Leute in  Gambia nicht viel von Sonko gehört. Aber die Berichterstattung der gambischen Medien hat sie wachgerüttelt und ihr Interesse erregt. Jetzt haben alle gespannt auf das Urteil gewartet", sagt die gambische Investigativjournalistin Mariam Sankanu.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegt Gambia auf Platz 58 von 180.



nach oben