Stimmen aus Belarus: Medienschaffende berichten über ihre Arbeit

Reporter ohne Grenzen und das Projekt „Stimmen aus Belarus“ lassen in einer Videoreihe Medienschaffende zu Wort kommen, die über ihre Arbeit seit dem Beginn der Massenproteste gegen Staatschef Alexander Lukaschenko berichten. Fotografinnen und Fotografen, Reporterinnen und Reporter sowie ein Vertreter der unabhängigen RSF-Partnerorganisation Belarusische Journalistenvereinigung (BAJ) schildern die Willkür und Gewalt, mit der das Regime unabhängige Stimmen zu unterdrücken versucht. Von der internationalen Gemeinschaft und ausländischen Medien erwarten sie mehr Unterstützung im Kampf der belarusischen Zivilgesellschaft für einen demokratischen Machtwechsel.

Barys Harezki, Belarusische Journalistenvereinigung

Barys Harezki, stellvertretender BAJ-Vorsitzender: „Seit dem Tag der Präsidentschaftswahl haben die Machthaber in Belarus einen wahren Krieg gegen Journalistinnen und Journalisten angezettelt. In weniger als drei Monaten haben wir mehr als dreihundert Verhaftungen gezählt. Anfangs wurden dabei meist nur die Personalien aufgenommen und Ordnungsstrafen verhängt. Inzwischen müssen die meisten Verhafteten ins Gefängnis. Mehr als 60 Kolleginnen und Kollegen wurden Opfer von Gewalt durch staatliche Stellen. Einige wurden brutal geschlagen, andere von Gummigeschossen getroffen und mussten ins Krankenhaus. Online-Portale werden blockiert. Der populärsten Nachrichtenseite, tut.by, wurde die Lizenz entzogen. Zeitungen können nicht gedruckt und verkauft werden.“

Ilja Kusnezow, TV-Journalist

Ilja Kusnezow, RSF-Korrespondent und freier TV-Producer unter anderem für die ARD, verlor am 28. August nach 20 Jahren seine Akkreditierung als Journalist: „Mein Team und ich wurden in einem Hotel von unbekannten Maskierten abgeholt, zu einer Polizeistation gebracht und dort für 14 Stunden über Nacht ohne Erklärung festgehalten. Dann wurde meine Akkreditierung annulliert, zwei meiner ARD-Kollegen wurden aus Belarus ausgewiesen. Nur sehr wenige Journalistinnen und Journalisten können noch legal für ausländische Medien arbeiten. Ich appelliere an die internationale Gemeinschaft, an ausländische Regierungen, an Medienorganisationen und NGOs, der Gesetzlosigkeit in Belarus mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Leute hier kämpfen für Freiheit und Demokratie, gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt. Sie brauchen Unterstützung. Ausländische Medien müssen darüber berichten, was hier passiert, denn das ist sowohl für Belarus wichtig als auch für Europa.“

Tanja Tkatschowa, Fotografin

Tatsjana Tkatschowa ist Fotografin aus Minsk und Gewinnerin des World Press Photo-Wettbewerbs 2020. Zwei Wochen nach der umstrittenen Wiederwahl Lukaschenkos kündigte ihre Stelle bei der Regierungszeitung Swjesda, bei der sie drei Jahre lang als Fotografin gearbeitet hatte, aus Protest gegen deren Berichterstattung: „In Belarus gelten momentan keine Gesetze, auch keine Mediengesetze. Journalistinnen und Journalisten werden wegen ihrer Arbeit verfolgt und ins Gefängnis geworfen. Ihnen wird die Ausrüstung weggenommen, Akkreditierungen werden entzogen und Medien verlieren ihre Lizenzen. Das muss aufhören!“

Ales Pilezki, Fotokorrespondent

Ales Pilezki ist Fotokorrespondent aus Witebsk. Er arbeitet für die Zeitung Narodnaja Wolja und das Nachrichtenportal Tut.by und wurde seit Beginn der Proteste dreimal festgenommen. Er berichtet davon, wie brutal die Sicherheitskräfte dabei vorgehen. Am 11. Oktober wurde er bereits vor dem Beginn einer Demonstration in Gewahrsam genommen und erst nach ihrem Ende wieder freigelassen. „Ich habe nichts Rechtswidriges getan. Ich habe weder Parolen gerufen noch irgendwelche Zeichen des Protests bei mir getragen — ich trug lediglich eine Weste mit der Aufschrift ‚Presse‘. Ich bin mir sicher, dass alle diese Festnahmen ausschließlich aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit erfolgten und ausschließlich mit dem Ziel, dass ich nicht über die Ereignisse in Witebsk und in Belarus berichte.“

Ksenia Halubowitsch, Fotografin

Ksenia Halubowitsch ist Fotografin aus Minsk: „Journalisten arbeiten jetzt wie Partisanen: Je weniger du auffällst, desto besser. Du weißt nie, ob du am Abend wieder nach Hause kommst. Du kannst durchsucht, verhaftet, beschossen oder geschlagen werden. Von Redaktionen in aller Welt wünschen wir uns, dass sie so viel wie möglich darüber berichten, was hier vor sich geht. Wir brauchen Unterstützung für Studierende, laden Sie sie zu Praktika in Ihre Redaktionen ein! Von der Politik im Ausland erwarten wir mehr als nur Lippenbekenntnisse. Wir erwarten konkrete Schritte gegen diejenigen, die Gewalt gegen uns anwenden. Wir haben momentan jegliche Rechte verloren.“

Barys Harezki, Belarusische Journalistenvereinigung (Teil 2)

Barys Harezki, stellvertretender BAJ-Vorsitzender: „Seit dem Tag der Präsidentschaftswahl haben die Machthaber in Belarus einen wahren Krieg gegen Journalistinnen und Journalisten angezettelt. In weniger als drei Monaten haben wir mehr als dreihundert Verhaftungen gezählt. Anfangs wurden dabei meist nur die Personalien aufgenommen und Ordnungsstrafen verhängt. Inzwischen müssen die meisten Verhafteten ins Gefängnis. Mehr als 60 Kolleginnen und Kollegen wurden Opfer von Gewalt durch staatliche Stellen. Einige wurden brutal geschlagen, andere von Gummigeschossen getroffen und mussten ins Krankenhaus. Online-Portale werden blockiert. Der populärsten Nachrichtenseite, tut.by, wurde die Lizenz entzogen. Zeitungen können nicht gedruckt und verkauft werden.“

Maryna Solatawa, Tut.by-Chefredakteurin

Am 19. Januar wurde der beliebtesten belarusischen Nachrichtenseite, Tut.by, endgültig der Status als Massenmedium entzogen. Nach der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August hatte das Informationsministerium Tut.by mehrmals wegen angeblicher Verstöße gegen das Mediengesetz verwarnt. Anfang Oktober entzog der zuständige Minister der Seite für zunächst drei Monate den Status als Massenmedium, am 3. Dezember bestätigte ein Gericht in Minsk diese Entscheidung. Eine Beschwerde von Tut.by gegen das Urteil wurde nun abgelehnt. Tut.by-Chefredakteurin Maryna Solatawa beschreibt in diesem Video die Situation.

Natalja Lubneuskaja, Nachrichtenseite Nascha Niwa

Natalja Lubneuskaja arbeitet für die unabhängige belarusische Nachrichtenseite Nascha Niwa und berichtete nach der umstrittenen Wahl über die Massenproteste gegen Alexander Lukaschenko. Sie war 38 Tage im Krankenhaus, nachdem ein Polizist sie aus nächster Nähe angeschossen hatte. In unserem Video berichtet sie: „Gesetze gelten in Belarus nicht für Journalist*innen. Die Polizei will uns zum Schweigen bringen. Aber wir tun weiter unsere Arbeit!“

Ihar Karnej, Radio Free Europe

Ihar Karnej arbeitet seit 20 Jahren für den belarusischen Dienst von Radio Free Europe. Im November wurde er festgenommen, als er über eine Demonstration gegen Präsident Lukaschenko berichtete. In unserem Video beschreibt er, wie Sicherheitskräfte ihn quälten und demütigten. „Es hat ein regelrechter Krieg gegen Journalist*innen begonnen“, sagt der Karnej. Die Bundesregierung muss verfolgten Medienschaffenden in Belarus schnell und unbürokratisch helfen!