Ausstellung „Distance“ und Diskussion am 14.07. in Berlin und Online ICS

Aserbaidschan: Wie berichten angesichts Propaganda und Lobbyismus?

Bild aus der Fotoausstellung „Distance“

„Es gibt in Aserbaidschan keine politischen Gefangenen.“ Gäbe es keine kritischen Journalistinnen und Journalisten, so bliebe dieser Satz des aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew unwidersprochen stehen. Unhinterfragt blieben auch die vielen engen Beziehungen zwischen deutschen Politikerinnen und Politikern in das reiche, autoritär regierte Land im Südkaukasus. Öffentlichkeit schaffen ist deshalb wichtiger denn je. Wie steht es um die Lage der Pressefreiheit und der Menschenrechte in Aserbaidschan, und was haben Medienschaffende zu befürchten, die darüber berichten?

Reporter ohne Grenzen möchte ein weiteres Mal den Blick nach Baku richten, aber auch nach Berlin. Wir wollen ausleuchten, wie das aserbaidschanische Regime versucht, Einfluss zu gewinnen: auf Journalistinnen und Journalisten zuhause und im Exil, auf missliebige Kritikerinnen und Kritiker, auf die deutsche Politik.

Gleichzeitig möchten wir mit der Fotoausstellung „Distance“ auf die Situation der politischen Gefangenen in Aserbaidschan aufmerksam machen. Die Ausstellung betont die Trennung, die physische Distanz zwischen den Inhaftierten und ihren Familien. Am Ende steht das Ziel, die europäische Gemeinschaft an ihre Verantwortung zu erinnern, gegenüber der Regierung in Aserbaidschan auf die Einhaltung grundlegender Werte zu pochen. Dazu gehört auch die Pressefreiheit.

Wann: am Mittwoch, 14. Juli 2021, von 18 bis 21 Uhr. Einlass ist ab 17:30 Uhr.

Wo: Die Veranstaltung findet in der RSF-Geschäftsstelle in Berlin statt; bei schönem Wetter im Garten. Bitte melden Sie sich per E-Mail an. Zusätzlich streamen wir die Veranstaltung online.

An der Diskussion teilnehmen werden

  • Afgan Muchtarli, Investigativjournalist aus Aserbaidschan,
  • Kai Laufen, SWR-Redakteur und Co-Autor der Dokumentation „Die Aserbaidschan-Connection - Die deutschen Helfer des Alijew-Regimes“ und
  • Felix Dachsel, Vice-Chefredakteur und Co-Autor mehrerer Recherchen zu den Verstrickungen der deutschen Politik mit dem aserbaidschanischen Regime.
  • Moderation: Christopher Resch, RSF-Pressereferent

Nach der einstündigen Diskussion wird der Fotograf, der die Ausstellung "Distance" initiiert hat, alle Teilnehmenden in Kleingruppen durch die Fotoausstellung führen.

Die Anzahl der Teilnehmenden vor Ort ist auf 30 begrenzt. Alle Anwesenden müssen einen gültigen negativen Corona-Schnelltest oder den Nachweis einer vollständigen Impfung oder Genesung vorweisen und sich über die Corona-Warn-App registrieren. In den Innenräumen muss eine medizinische Maske getragen werden.

Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt. Die Fotoausstellung wird nach Anmeldung auch online verfügbar sein. Bitte melden Sie sich hierfür ebenfalls per E-Mail an und geben Sie als Stichwort „Fotoausstellung“ an.

Propaganda und Schikanen im Schatten glitzernder Fassaden

Mit dem Ende der Fußball-Europameisterschaft der Männer wird auch die öffentliche Aufmerksamkeit wieder aus Baku schwinden. Präsident Alijews Sportswashing mag sich wieder einmal ausgezahlt haben. Reporter ohne Grenzen und andere Organisationen kämpfen seit vielen Jahren dafür, dass die Öffentlichkeit nicht vergisst, was im Schatten der glitzernden Fassaden und hochrangigen Events wirklich passiert. Massive Propaganda, Schikanen durch Schlägertrupps, Erpressung mit intimen Details: Alijew geht unnachgiebig und mit großer Brutalität gegen Medienschaffende vor. Alijew, seit Jahren auf der RSF-Liste der Feindinnen und Feinde der Pressefreiheit, lässt unabhängige Online-Nachrichtenportale zensieren, Zeitungen von Geldquellen abschneiden und Medien innerhalb und außerhalb des Landes juristisch belangen. Die staatsnahen Troll-Armeen etwa auf Facebook sind berüchtigt.

Dass Medienschaffende selbst im Ausland nicht vor dem langen Arm des Regimes sicher sind, zeigte in aller Brutalität das Schicksal von Afgan Muchtarli. Der Journalist war 2015 nach Georgien geflohen, wurde 2017 von dort nach Aserbaidschan entführt und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Mittlerweile lebt er im Exil in Deutschland. Das Regime ist jedoch berüchtigt dafür, die Familien von exilierten Journalistinnen und Journalisten zu schikanieren. Muchtarli wird auf dem Podium davon berichten.

Er war einer von schätzungsweise auch heute noch über hundert politischen Gefangenen. Das Verdienst der Initiative „Art for Democracy“ ist es, dass diejenigen, die immer noch in den Gefängnissen Aserbaidschans ausharren müssen, nicht vergessen werden. Die Initiative hat die Ausstellung „Distance“ kuratiert. Zwar lässt das Regime immer wieder öffentlichkeitswirksam Inhaftierte frei. Trotzdem riskieren jeder Kritiker und jede Kritikerin, für Nichtigkeiten ins Gefängnis zu wandern. Die Anklagen sind häufig politisch motiviert und teils komplett erfunden.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Rang 167 von 180.



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