Afghanistan-Veranstaltung am 24.05.2022 in Berlin & online im Live-Stream ICS

Schutzprogramm jetzt | Stimmen aus dem Exil

Taliban-Kämpfer in Kabul im August 2021, unmittelbar nach ihrer Machtübernahme. © picture alliance / Associated Press / Rahmat Gul
Taliban-Kämpfer in Kabul im August 2021, unmittelbar nach ihrer Machtübernahme. © picture alliance / Associated Press / Rahmat Gul

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Die Welt schaut auf die Ukraine, über Afghanistan hört man zurzeit weniger. Seit dem Sturm der Taliban auf Kabul am 15. August 2021 mussten hunderte Journalistinnen und Journalisten ihre Berichterstattung einstellen, untertauchen oder flüchten. An gesicherte Informationen aus dem Land zu gelangen, ist schwierig geworden. Doch nur weil wir weniger hören, ist das Problem nicht gelöst. Im Gegenteil: Je fester sich die Taliban in der Macht einrichten, desto stärker gehen sie gegen Medienschaffende vor – mit Verboten, Verfolgung und Verhaftungen. Dies gilt für Kabul und besonders für die Provinzen, die oft nicht im Blickfeld internationaler Medien liegen.

Unter enormen Anstrengungen konnte Reporter ohne Grenzen (RSF) seit letztem August 150 afghanische Medienschaffende und ihre Familien nach Deutschland evakuieren. Doch täglich erreichen uns neue Hilferufe von Journalistinnen und Journalisten, die seit Monaten in Verstecken ausharren oder in Nachbarländer geflohen sind. Jeden Moment könnten sie an die Taliban ausgeliefert werden. Auch für sie braucht es einen Weg in die Sicherheit.

Wir fragen deshalb: Warum gibt es noch immer kein umfassendes humanitäres Schutzprogramm, wie im Koalitionsvertrag angekündigt? Warum werden Härtefälle entgegen aller Versprechungen nicht bearbeitet? Wie ist die aktuelle Lage der Berichterstattung im Land? Wie können Medienschaffende der Gefahr entkommen? Und wie geht es im Exil für sie weiter?

Darüber wollen sich afghanische und deutsche Medienschaffende austauschen und Verantwortliche der deutschen Politik öffentlich adressieren. Neun Monate nach dem Fall von Kabul präsentiert RSF bei diesem Pressetermin zudem die Ergebnisse einer Umfrage mit konkreten Zahlen und Erfahrungsberichten von Journalistinnen und Journalisten, die evakuiert werden konnten: Wie viele sind das? Wo halten sie sich jetzt auf? Was erhoffen sie sich? Wie viele wollen aus dem Exil weiterarbeiten? Was brauchen sie dafür?

Mit:

  • Mobina Sai, afghanische Journalistin und ehemalige Leiterin des Senders Radio Rabia Balkhi, mit Hilfe von RSF nach Deutschland geflüchtet
  • Shakila Ebrahimkhil, afghanische Journalistin, 2016 nach Deutschland geflüchtet, heute tätig bei der Deutschen Welle (DW)
  • Natalie Amiri, deutsch-iranische Journalistin, Buchautorin und Moderatorin des Weltspiegels im Ersten

Moderation: Christian Mihr, RSF-Geschäftsführer

Wann: am 24. Mai von 11 bis 13 Uhr

Wo: Bundesverband Deutscher Stiftungen, Forum Robert Bosch, Mauerstraße 93 in 10117 Berlin

Die Veranstaltung findet mit Übersetzung Dari-Deutsch statt. Per Live-Stream können Sie der Veranstaltung zudem auf Dari (https://youtu.be/kXNMXW7kcPQ) und Deutsch (https://youtu.be/VhKETkgkFwU) folgen. Um Anmeldung unter event@reporter-ohne-grenzen.de wird gebeten. In den Innenräumen muss eine FFP2-Maske getragen werden.

Das Panel

Mobina Khairandish Sai ist eine afghanische Radio-Journalistin. Sie wurde 1982 in Balkh im Norden Afghanistans geboren, wo sie später Journalismus studierte. In der Stadt Mazar gründete sie Radio Rabia Balkhi, den ersten privaten Radiosender der Region, den sie von 2003 bis 2016 leitete. Sais Fokus lag auf Frauen –  sowohl als Thema der Berichterstattung als auch, indem sie ihnen eine Stimme in ihren Sendungen verlieh und ihnen Stellen in ihrem Sender anbot. In den letzten sechs Jahren war sie als Managerin für die NGO Nai tätig, die sich für freie Medien in Afghanistan einsetzt. Sai wurde 2013 von der NGO ActionAid für ihre ehrenamtliche Arbeit im Friedensprozess in Afghanistan mit dem „Effort For Peace“-Preis ausgezeichnet. Nachdem die Taliban im August 2021 zum zweiten Mal die Macht im Land übernommen haben, verließ sie im Oktober 2021 mit ihrer Familie das Land. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Albanien kam Sai im Januar 2022 mit Unterstützung von RSF in Deutschland an. Zurzeit lebt sie in Wiesloch in Baden-Württemberg und besucht einen Integrationskurs. Zudem ist sie ehrenamtlich für den afghanischen Sender Watan Radio/TV tätig.

Shakila Ebrahimkhil ist eine afghanische Fernseh-Journalistin. Sie wurde 1983 in der Provinz Kapisa im Norden Afghanistans geboren. Ebrahimkhil studierte Journalismus an der Universität Kabul. Dort erlebte sie das erste Taliban-Regime. Seit ihrem Studium bis 2016 arbeitete sie für Tolo TV und Tolo News, zwei der bekanntesten Fernsehsender des Landes. Sie interviewte unter anderem den damaligen Präsidenten Hamid Karzai. Im Jahr 2016 ist sie mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet. Seit 2018 arbeitet sie in der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle. Zurzeit wohnt sie in Darmstadt und arbeitet in Bonn. Ihre Schwerpunkte sind Menschenrechte, Frauen und Kinder, sowie Korruption und Ungerechtigkeit mit Fokus auf die Opfer. Der preisgekrönte Dokumentarfilm „Facing the Dragon“ erzählt die Geschichte ihrer Arbeit als eine der bekanntesten Journalistinnen Afghanistans. Sie wurde mehrfach für den „Brave Woman Award“ nominiert. 2019 erhielt sie den „Activist Human Rights Award“ des internationalen Filmfestivals „Movies that matter“ in Den Haag.

Natalie Amiri ist eine deutsch-iranische Fernseh-Journalistin und Autorin. Sie wurde 1978 in München geboren. Amiri studierte Orientalistik und Islamwissenschaft. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes führte sie nach Teheran und Damaskus. 2007 begann sie für das ARD-Büro in Teheran zu arbeiten, das sie ab 2015 leitete. Seit 2011 vertritt Amiri zudem die Korrespondenten in den ARD-Studios des Bayrischen Rundfunks, unter anderem in Istanbul, Athen und Rom. Im Jahr 2014 begann sie, die ARD-Sendung Weltspiegel zu moderieren, außerdem das Magazin Euroblick im Bayrischen Rundfunk. Sie hat für ihre Arbeit bereits zahlreiche Preise erhalten, etwa für ihre ARD-Dokumentation „Tod vor Lampedusa – Europas Sündenfall“. Das Medium Magazin zeichnete sie letztes Jahr als beste Politik-Journalistin aus, da sie mit „Empathie, aber kritischem Blick auf die Regierungen“ aus Krisenstaaten wie Syrien und Afghanistan berichte. Das Auswärtige Amt warnte sie 2020, besser nicht mehr in den Iran zu reisen. Am 21. Mai 2022 erscheint ihr neues Buch „Afghanistan – Unbesiegter Verlierer“, es entstand, nachdem sie 100 Tage nach Machtübernahme der Taliban nach Afghanistan flog.

Digital Care Guide für afghanische Medienschaffende

Seit der Machtübernahme der Taliban sind afghanische Journalistinnen und Journalisten, ihre Angehörigen sowie ihre Quellen auch im digitalen Raum wachsenden Gefahren ausgesetzt. Mit dem Digital Care Guide legt Reporter ohne Grenzen nun ein Handbuch zur Selbstverteidigung im Netz vor. Dieses Handbuch enthält kurze einführende Texte und praktisches Wissen zu IT-Sicherheit, damit sich Medienschaffende gegen Überwachung und Ausspähung durch Feinde der Pressefreiheit schützen können.

Der Digital Care Guide ist in drei Sprachen verfügbar: auf den beiden wichtigsten Landessprachen Dari und Paschtu sowie auf Englisch. Der Guide ist in den verschiedenen Sprachen hier abrufbar:

Lesen Sie hier die Ergebnisse der Exil-Umfrage "Wie afghanische Medienschaffende vor den Taliban geflüchtet sind und was sie jetzt brauchen": https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/220524-AFG_Umfrage.pdf

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Afghanistan Platz 156 von 180.



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