Syrien 16.11.2019

Dschihadisten bedrohen Journalisten in Idlib

Blick entlang einer Straße mit zerstörten Gebäuden
Zerstörung in der Region Idlib © picture allilance / AA

Reporter ohne Grenzen verurteilt die anhaltenden Drohungen von Dschihadisten gegen Medien in der Region Idlib im Nordwesten Syriens. Ein mutmaßlicher Anführer der militanten Gruppe Hajat Tahrir al-Scham drohte als Reaktion auf Proteste gegen deren Herrschaft jetzt explizit damit, Journalistinnen und Journalisten zu ermorden.

In einer Tonaufnahme, die in sozialen Netzwerken kursierte, erklärte der Mann, er werde all jene und besonders alle Medienschaffenden töten, die seine Gruppe kritisierten: „Ich schwöre bei Gott, dass ich keinen einzigen Journalisten auf syrischem Boden lassen werde.“ Anlass für die Äußerungen waren Demonstrationen in den vergangenen Tagen, bei denen sich Hunderte Menschen gegen die Herrschaft der Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ihrer oppositionellen „Nationalen Heilsregierung“ über die Provinz Idlib wandten.

Bei den aktuellen Protesten schlugen Extremisten der HTS  zwei Fotojournalisten, die über die Ereignisse berichten wollten: Omar Hadsch Kadur, der für AFP arbeitet, und Ibrahim Khatib, der für die BBC und die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet. Kadur schilderte auf Facebook, wie Extremisten der HTS ihn und weitere Journalisten angegriffen hätten, als sie über die Proteste in der Ortschaft Kafr Tacharim berichteten. Zunächst hätten die Extremisten versucht, ihn festzunehmen, um ihn vom Filmen abzuhalten. Als Demonstranten dies verhinderten, hätten die Extremisten ihn geschlagen. Seine Kamera hätten sie beschlagnahmt und ihm erst auf den Einspruch von Demonstrierenden zurückgegeben.

Journalisten teils wochenlang festgehalten

Am 22. August hatten HTS-Vertreter zwei Bürgerjournalisten in der Region Idlib festgenommen. Einer von ihnen, Mohammad Dabul vom lokalen Medienbüro Idlib Media Centre, kam eine Woche später wieder frei. Der andere, Fateh Raslan vom Nachrichtenportal StepFeed News, wurde erst am 8. Oktober gegen die Zusage freigelassen, nie wieder für das Portal zu arbeiten, das von der HTS als „konterrevolutionär“ betrachtet wird.

In der HTS ist unter anderem die frühere, damals als syrischer Al-Kaida-Ableger fungierende Al-Nusra-Front (später Dschabhat Fatah al-Scham) aufgegangen. In ihrer heutigen Gestalt ermöglicht die Gruppe – offenbar auch aufgrund von Druck der Türkei – zwar Reisen ausländischer Journalistinnen und Journalisten nach Idlib. Zugleich versucht sie aber weiterhin, die öffentliche Meinung in den Gebieten unter ihrer Kontrolle für sich zu gewinnen, auch indem die Gruppe die Berichterstattung der Medien vor Ort rigoros kontrolliert. Auch in jüngerer Vergangenheit machte sie durch Entführungen lokaler Bürgerjournalisten von sich reden. Ihre Opfer soll sie durch teils sehr gewalttätige Verhörmethoden und Schläge unter massiven Druck gesetzt haben, ihre Tätigkeit für die Medien aufzugeben.

Auch von anderen Kriegsparteien gehen in der Region Idlib tödliche Gefahren für Journalistinnen und Journalisten aus. Immer wieder werden Medienschaffende dort bei den schweren Luftangriffen syrischer und russischer Truppen verletzt. Manche sind überzeugt, dass es sich teils um gezielte Angriffe handele.

Gefährliche Lage auch im Nordosten

In den von kurdischen Gruppen kontrollierten Grenzgebieten im Nordosten Syriens hat sich die Sicherheitslage für Journalistinnen und Journalisten zuletzt ebenfalls deutlich verschlechtert. Zu Beginn der türkischen Militäroffensive auf die Region Mitte Oktober wurden bei einem Luftangriff auf einen zivilen Fahrzeugkonvoi zwei Journalisten getötet und nach lokalen Angaben mindestens acht weitere verletzt. Viele ausländische Medienschaffende verließen wegen der Gefechte die Region.

Syrien steht auf Platz 174 von 180 Ländern auf der Rangliste der Pressefreiheit.



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