Information & Demokratie 16.06.2021

Forum fordert New Deal für Journalismus

Weltkarte
© picture alliance / Zoonar / Zoya Fedorova

Weltweit sieht sich der Journalismus mit wachsenden Herausforderungen aufgrund von medienfeindlichen politischen Rahmenbedingungen, Desinformation und Vertrauensverlust, erodierenden Finanzierungsmodellen und nicht zuletzt der Corona-Pandemie konfrontiert. Deshalb fordert das von Reporter ohne Grenzen initiierte Forum für Information und Demokratie Staaten auf, künftig bis zu 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in unabhängigen Journalismus zu investieren. In seinem heute (16. Juni) veröffentlichten Bericht (auf Englisch) unter dem Titel „Ein New Deal für den Journalismus“ begründet das Forum dies mit der unerlässlichen Funktion des Journalismus für Demokratie und eine offene Gesellschaft, die anders nicht langfristig gesichert werden könne.

„Der New Deal für den Journalismus besteht darin, mehrere bislang voneinander getrennte Punkte miteinander zu verknüpfen, etwa die Organisation des Medienmarkts, das technologische Umfeld und die praktische Arbeit von Journalistinnen und Journalisten inklusive der Frage der Ethik. Der Journalismus soll quasi neu gedacht werden, und zwar nicht als ‚Mediensektor‘, sondern als zentrales Element der Presse- und Meinungsfreiheit“, sagte Christophe Deloire, Generalsekretär von RSF und Vorsitzender des Forums für Information und Demokratie.

Erstellt hat den heute vorgelegten Bericht die im November 2020 ins Leben gerufene Arbeitsgruppe des Forums zur Nachhaltigkeit des Journalismus. Sie wird geleitet von Rasmus Kleis Nielsen, Direktor des Reuters Institute for the Study of Journalism an der University of Oxford. Ihr gehören 17 internationale Expertinnen und Experten an. „Medienschaffende brauchen – wie auch die Öffentlichkeit, in deren Dienst sie sich stellen – keine Sonntagsreden. Sie brauchen konkrete Entscheidungen“, sagte Nielsen. Die Empfehlungen des Berichts böten „eine Gelegenheit, mit Jahren der Untätigkeit zu brechen“.

Der Bericht „Ein New Deal für den Journalismus“ gliedert sich in vier Handlungsfelder: Medienfreiheit, Unabhängigkeit des Journalismus, günstiges Wirtschaftsklima und Unterstützung für ein nachhaltiges digitales Modell. Zu den Empfehlungen zählen:

  • vollständige Transparenz des Medieneigentums zu gewährleisten, und zwar durch umfassende Maßnahmen zu Transparenz, Korruptionsbekämpfung und finanzieller Integrität
  • Initiativen umzusetzen, die Qualitätsjournalismus positiv hervorheben, wie es die Journalism Trust Initiative (JTI) tut, und so einen Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens in den Journalismus zu leisten.
  • internationale Maßnahmen zur Besteuerung digitaler Plattformen zu unterstützen und zu verabschieden, etwa die von der OECD vorgeschlagene globale Mindeststeuer.
  • ein öffentlich-privates Finanzierungsmodell für kommerzielle und gemeinnützige Medien zu entwickeln, das Spenden und öffentliche Mittel kombiniert.
  • Regierungen die Selbstverpflichtung abzuringen, ein Prozent ihrer Entwicklungshilfe für die Unterstützung unabhängiger Medien auszugeben.
  • es Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, Medienorganisationen ihrer Wahl zu unterstützen, etwa über Mediengutscheine, Steuererleichterungen für Abonnements oder Steuerrückzahlungen.
  • Journalismus und Medien in nationale Strategien für künstliche Intelligenz einzubeziehen, um den Einfluss künstlicher Intelligenz auf den Journalismus systematisch analysieren zu können.

Regierungen dürfen nicht länger die Augen verschließen

Die Arbeitsgruppe ist überzeugt, dass es einen „New Deal“ braucht, um die gegenwärtige Krise des Journalismus zu überwinden und zu vermeiden, dass diese nur noch härter zuschlägt, wenn Regierungen und andere Entscheidungsträgerinnen vor ihr die Augen verschließen. Der Bericht zeigt ebenso, dass der entworfene Plan seine Ziele erreichen kann, wenn Regierungen, Aufsichtsbehörden, Industrie, Investoren, Spenderinnen, Technologie und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen. Der Bericht plädiert dafür, jährlich bis zu 0,1 Prozent des jeweiligen BIP in den Journalismus zu investieren. Einige Länder geben bereits vergleichbare Beträge für die Unterstützung von Journalismus aus, etwa über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Im Geiste der „3 Rs“ des historischen New Deals von US-Präsident Franklin D. Roosevelt – „Relief“, „Recovery“ und „Reform“ – wird eine solche gemeinsame Anstrengung von Dutzenden von Ländern den durch die Corona-Krise noch schwerer als zuvor geschädigten journalistischen Systemen neue finanzielle Sicherheit geben („Relief“), damit sie den Übergang ins digitale Zeitalter angemessen abschließen („Recovery“) und sich neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert stellen können („Reform“).

Teil der internationalen Initiative Information und Demokratie

Das Forum für Information und Demokratie ist Teil der 2018 von RSF angestoßenen Initiative Information und Demokratie. Diese zielt darauf, das Menschenrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit angesichts neuartiger Bedrohungen im digitalen Zeitalter wirksam durchzusetzen. Vertreterinnen und Vertreter von 20 Staaten, darunter Deutschland, haben im September 2019 am Rande der UN-Vollversammlung in New York die Partnerschaft für Information und Demokratie ins Leben gerufen. Sie wird inzwischen von 42 Staaten unterstützt und soll einen internationalen politischen Prozess in Gang setzen, der – vergleichbar etwa mit den UN-Konferenzen zum Klimaschutz – weltweite Standards für den Schutz unabhängiger und glaubwürdiger Informationen etabliert.

Zur Umsetzung der Ziele der Initiative haben im November 2019 elf zivilgesellschaftliche Organisationen das Forum für Information und Demokratie gegründet. Dessen erste Arbeitsgruppe nahm im Juni 2020 ihre Arbeit auf. Im November 2020 legte sie ihren ersten Bericht zum Umgang mit Desinformation vor. Darin ging es unter anderem um die Transparenz von Plattformen, die Moderation von Inhalten, die Regulierung privater Messaging-Dienste und die Zuverlässigkeit von Informationen.

Gründungsmitglieder des Forums für Information und Demokratie sind: Digital Rights Foundation, Reporter ohne Grenzen (RSF), OBSERVACOM, Institute for Strategic Dialogue, Human Rights Center der University of California, Berkeley, Open Government Partnership, Center for International Governance Innovation, Peace Research Institute Oslo (PRIO), Research ICT Africa, CIVICUS und Free Press Unlimited.

Das erste Gipfeltreffen der Initiative Information und Demokratie soll im September am Rande der diesjährigen UN-Generalversammlung stattfinden.

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