Europawahl 06.06.2024

Mit einem 12-Punkte-Plan gegen Desinformation

Plakat mit der Aufforderung, für die Europawahl am 9. Juni 2024 wählen zu gehen
Die nächsten fünf Jahre nach der Europawahl sind entscheidend für die Förderung von Journalismus und den Zugang der Menschen zu zuverlässigen Informationen. © picture alliance / ROPI | Antonio Pisacreta

Anlässlich der anstehenden Europawahl legt Reporter ohne Grenzen (RSF) einen „New Deal für das Recht auf Information” vor, um auf die wachsenden Herausforderungen durch Desinformation und den zunehmenden Autoritarismus zu reagieren. Die nächsten fünf Jahre nach der Europawahl sind entscheidend für die Verwirklichung des Rechts der Menschen auf zuverlässige Informationen.    

Zu oft liegt der Schwerpunkt europäischer Regulierung von Desinformation und Propaganda auf dem Ausschluss problematischer Inhalte und Akteure. „Die Menschen in Europa haben ein Recht auf zuverlässige Informationen”, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Es besteht akuter Handlungsbedarf, um diesen Anspruch zu verwirklichen. In der kommenden EU-Legislaturperiode sollte Qualitätsjournalismus gefördert, ein gemeinwohlorientierter digitaler Raum gestaltet und kritische Stimmen geschützt werden.” 

Mehr Sichtbarkeit für Qualitätsjournalismus

RSF formuliert dafür im „New Deal für das Recht auf Information” zwölf Vorschläge. Die EU sollte große Online-Plattformen, Suchmaschinen und andere digitale Nachrichtenanbieter dazu verpflichten, zuverlässige Informationsquellen hervorzuheben und in ihren Algorithmen zu priorisieren.

Die Algorithmen großer Plattformen fördern den Konsum von Desinformation auf Kosten qualitativer Inhalte. Verlässliche sind von irreführenden Informationen schwer zu unterscheiden. Vertrauensvolle Quellen können dabei über Standards, wie der Journalism Trust Initiative (JTI), unabhängig zertifiziert werden, wobei die Prozesse der Nachrichtenerstellung, nicht jedoch deren Inhalte bewertet werden. Statt also zu versuchen, die Verbreitung von Inhalten im Nachhinein aufzuhalten, ermöglicht diese Regelung, Inhalte hervorzuheben, die der journalistischen Ethik entsprechen und die Kriterien der Transparenz und redaktionellen Unabhängigkeit erfüllen.

Einheitliche Regeln für alle Medien

Zu oft nutzen nicht-europäische Medien die Offenheit des europäischen Marktes aus, um Propaganda zu verbreiten, während in ihrem Herkunftsland kritische Stimmen unterdrückt und europäischen Medien Zugänge verwehrt werden. Um dagegen vorzugehen, schlägt RSF einen Gegenseitigkeitsmechanismus (Reciprocity Mechanism) vor. 

Er zielt darauf ab, einheitliche Regeln für den europäischen Informationsraum zu schaffen, die für alle Akteure gelten sollen, unabhängig vom Land, aus dem das Medium kommt. Der Mechanismus legt zudem den Grundstein für klare Prozesse zur Überprüfung von Eingriffen in den Medienraum. Er sieht beispielsweise vor, eine unabhängige Behörde bei Entscheidungen zum Ausschluss kritischer Medien aus Europa einzubeziehen.

Medienschaffende europaweit besser schützen

Die Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Sicherheit von Medienschaffenden wurden von den EU-Mitgliedstaaten nur lückenhaft aufgegriffen. Die Umsetzung der Empfehlung muss in der nächsten Legislaturperiode vorangetrieben werden. Die Kommission sollte zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um Ermittlungen zu Verbrechen gegen Medienschaffende zu unterstützen, Cyberangriffe und digitale Überwachung zu bekämpfen und die besonderen Schutzbedarfe von Exiljournalistinnen und -journalisten zu decken. 

Eine besondere Bedrohung für journalistische Arbeit und den Quellenschutz innerhalb der EU geht von digitaler Überwachung von Medienschaffenden aus. RSF fordert die EU-Kommission dazu auf,  ein Moratorium für den Einsatz von Überwachungssoftware wie Pegasus und Predator umzusetzen und alle bekannten Fälle von Überwachung in den EU-Mitgliedstaaten lückenlos aufzuklären. Die EU sollte Exportkontrollvorschriften strenger in der Anwendung monitoren und durchsetzen. Dies gilt insbesondere für Dual Use Güter im Bereich Überwachungssoftware, damit riskante und innerhalb der EU verbotene Überwachungstechnologie nicht in Drittländer exportiert und dort für Menschenrechtsverletzungen genutzt wird. 

Neue Hebel für finanzielle Unterstützung

Um diese Ziele zu erreichen, muss Europa in der nächsten Legislaturperiode gezielt in die Nachhaltigkeit von Nachrichtenmedien und Journalismus investieren. Dafür sollte die Europäische Kommission ein neues Haushaltsprogramm für Journalismus vorschlagen und einen Kriterienkatalog für die Förderung von Journalismus erarbeiten. Die Mittel für Journalismus sollten durch eine europäische Steuer auf die größten Tech-Konzerne aufgestockt werden. Eine solche Steuer wurde bereits 2021 durch die OECD diskutiert. 

Diese und andere Punkte hat RSF im „New Deal für das Recht auf Information” skizziert. Weitere digitalpolitische Ansätze etwa zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Plattformregulierung sowie einer Stärkung des Rechts auf Privatsphäre fordert RSF zudem gemeinsam im Bündnis F5.

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