Aserbaidschan 03.01.2022

Neues Gesetz legalisiert Zensur

Ilham Alijew, der aserbaidschanische Präsident. © picture alliance  / NurPhoto  / Krystian Dobuszynski
Ilham Alijew, der aserbaidschanische Präsident. © picture alliance / NurPhoto / Krystian Dobuszynski

Das aserbaidschanische Parlament hat am 30. Dezember ein Gesetz verabschiedet, das Zensur legalisiert, die Pressefreiheit mit Füßen tritt und die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert den Europarat auf, gegenüber Baku auf einer Überarbeitung des Gesetzes zu bestehen.

„Dieses Gesetz ist voller ungenauer Formulierungen und Widersprüche und zielt darauf ab, die Kontrolle über die Medien zu verstärken und Zensur auf dem Wege der Verfassung zu ermöglichen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Der Staat mischt sich damit in unzulässiger Weise in die Arbeit der Medien ein. Das Gesetz widerspricht sowohl der aserbaidschanischen Verfassung als auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Europarat muss mit seiner Plattform für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten dringend darauf hinarbeiten, dass Baku dieses Gesetz überarbeitet.“

Das neue Gesetz verstößt gegen Artikel 50 der aserbaidschanischen Verfassung, in dem die Informationsfreiheit geregelt ist, und gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Freiheit der Meinungsäußerung. Es wurde seit dem vergangenen Frühjahr im Geheimen ausgearbeitet. Das Parlament hörte dabei weder unabhängige Medien noch Fachleute zum Thema Meinungsfreiheit an.

Am Tag bevor die Nationalversammlung den Text in dritter und letzter Lesung annahm, demonstrierten mehr als 30 Journalistinnen und Journalisten unabhängiger und oppositioneller Medien vor dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Baku. Dabei wurde die Reporterin Nargiz Absalamova von einem Polizisten geschlagen, sie erlitt einen Steißbeinbruch. Trotz der allgegenwärtigen Gefahr eines gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte war es bereits der zweite Protest dieser Art gegen das Gesetz.

Der Text sieht unter anderem die Einrichtung eines Registers für Medienschaffende und eines einheitlichen Presseausweises vor. Nur Journalistinnen und Reporter, die diesen Ausweis besitzen und deren Medien von den Behörden registriert wurden, werden offiziell als solche anerkannt. Wer nicht registriert ist, verliert zum Beispiel den Zugang zu offiziellen Quellen; diese haben das Recht, Fragen zu ignorieren.

Wer als Journalist oder Journalistin arbeiten darf, bestimmen dem Gesetz zufolge die staatlichen Behörden durch einen „Test“, über den keine Einzelheiten bekannt gegeben wurden. Der Staat verfügt über eine Liste und eine Reihe personenbezogener Daten aller registrierten Medienschaffenden und Unternehmen, einschließlich ihrer Adressen und Angaben zu Bankkonten und Arbeitsverträgen. In einem Land, das von einem autoritären Präsidenten und Feind der Pressefreiheit, Ilham Alijew, kontrolliert wird, setzt eine solche Regelung Journalistinnen und Journalisten zusätzlichen Risiken aus.

Das neue Gesetz wirkt sich auch auf aserbaidschanische Medien im Ausland aus. Meydan TV hat seinen Sitz in Berlin, um den Schikanen des Regimes zu entgehen. Wenn sie in Aserbaidschan nicht als Medienunternehmen registriert sind, ist es für ihre Korrespondentinnen und Korrespondenten nun illegal, dort zu arbeiten.

Neben dem Zugang zum Beruf an sich greift das Gesetz weitreichend auch in die praktische Arbeit der Medien ein. Journalistinnen und Reporter müssen sich an verschiedene neue Vorschriften halten. Eine Regel besagt, dass sie Fakten und Ereignisse „objektiv“ interpretieren müssen. Der ohnehin problematische Begriff „objektiv“ ist nicht definiert, die Gerichte können diesen Artikel nach eigenem Gutdünken auslegen. Eine weitere Regel verbietet es, Informationen aus inoffiziellen Quellen zu verbreiten. Das macht es unmöglich, über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse investigativ zu berichten oder das Vorgehen der Behörden zu kritisieren. Ein weiterer Artikel verbietet es, Bilder und Videos einer Person ohne deren schriftliche Genehmigung zu verbreiten, auch nicht, wenn sich die Person im öffentlichen Raum bewegt hat. Damit stehen zum Beispiel Videos, die Wahlbetrug belegen, unter Strafe.

Obwohl sie von den Behörden innerhalb und außerhalb des Landes verfolgt werden, spielen kritische Medienschaffende und unabhängige Redaktionen für die Berichterstattung über und aus Aserbaidschan eine wichtige Rolle. Oft sind sie die einzigen, die Informationen zur tatsächlichen Lage im Land liefern und damit eine Alternative zur Propaganda des Regimes bieten. Das neue Gesetz ist darauf angelegt, diese kritischen Medien zum Schweigen bringen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Aserbaidschan auf Platz 167 von 180 Ländern.



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