Usbekistan/Kirgistan 13.08.2020

RSF fordert sofortige Freilassung von Stipendiaten

Bobomurod Abdullaev © RSF

Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert die sofortige Freilassung des usbekischen Journalisten und RSF-Stipendiaten Bobomurod Abdullajew. Er wurde am 9. August auf Ersuchen der usbekischen Regierung in Kirgistan festgenommen, während RSF sich bemühte, ihm die sichere Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen. Abdullajew ist Stipendiat des RSF-Nothilfeprogramms und kann sein geplantes Stipendium deshalb vorerst nicht antreten. In Usbekistan hat sich die Situation für Journalistinnen und Journalisten unter dem seit vier Jahren amtierenden Präsidenten Schawkat Mirsijojew zwar verbessert, oft bleiben dessen Bekenntnisse zur Pressefreiheit aber bloße Worte. Immer wieder werden kritische Bloggerinnen und Blogger zu Haftstrafen verurteilt und der Fall Abdullajew zeigt, dass das Regime kritische Stimmen auch im Ausland verfolgt.

„Bobomurod Abdullajew sitzt in Haft, weil er angeblich unter Pseudonym regierungskritische Artikel verfasst hat – das bestreitet er aber“, sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Wir fordern die kirgisischen Behörden auf, ihn unverzüglich freizulassen und ihm die sichere Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen. Auf keinen Fall darf er nach Usbekistan ausgeliefert werden, wo ihm Gefängnis und Folter drohen.“

Bobomurod Abdullajew ist freier Mitarbeiter der unabhängigen Nachrichtenwebseite Ferghana und ehemaliger Korrespondent von Radio Osodlik (dem usbekischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty) und des Institute for War and Peace Reporting. Er gründete die Nachrichtenseite Osod Owos (dt.: Freie Stimme), die nach dem Massaker in Andischan 2005 verboten wurde. Fünfzehn Jahre lang veröffentlichte Abdullajew unter dem Pseudonym Usman Chaknasarow kritische Artikel über das Regime des damaligen Diktators Islam Karimow. 

Folter und erpresste Geständnisse

Zum ersten Mal wurde Abdullajew im September 2017 festgenommen. Damals warfen ihm die usbekischen Strafverfolgungsbehörden vor, zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgerufen und die verfassungsrechtliche Ordnung Usbekistans gefährdet zu haben. Abdullajew gab an, im Gefängnis gefoltert und so zu falschen Geständnissen gezwungen worden zu sein. Nach siebeneinhalb Monaten in Untersuchungshaft verurteilte ihn ein Gericht in Taschkent im Mai 2018 zu 14 Monaten gemeinnütziger Arbeit.

Abdullajew verließ Usbekistan im November 2019 und verbrachte im Rahmen des RSF-Nothilfe-Programms drei Monate in Berlin. Anschließend trat er in Kirgisien, dem Nachbarland Usbekistans, ein Stipendium der Amerikanischen Universität in Zentralasien an und konnte wegen der Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie danach nicht in sein Heimatland zurückkehren. 

Festnahme in letzter Minute

Während sich das RSF-Nothilfe-Referat bemühte, ihm die sichere Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen, wurde er am 9. August überraschend in Bischkek verhaftet. Am Montag (10. August) ordnete ein Gericht Untersuchungshaft bis zum 8. September an. Abdullajews Anwalt, Timur Karabajew, bestätigte, dass in Usbekistan strafrechtlich gegen den Journalisten ermittelt wird und die dortigen Behörden seine Auslieferung verlangen. Seine Anwälte haben bisher keinen Zugang zu Abdullajew erhalten. 

Der Journalist stand seit dem Frühjahr 2020 erneut verstärkt im Visier des usbekischen Geheimdienstes. Dieser verdächtigt ihn, als Autor unter dem Pseudonym Qora Mergan in sozialen Netzwerken kritische Artikel über Präsident Schawkat Mirsijojew zu verbreiten. Abdullajew bestritt dies am 25. Juli öffentlich auf seinem Youtube-Kanal und erklärte gegenüber RSF, er habe seit seiner Verurteilung 2018 keine Berichte mehr unter Pseudonym veröffentlicht. Auch Qora Mergan selbst widersprach den Verdächtigungen am 11. August und erklärte, in keinerlei Verbindungen zu Abdullajew zu stehen. 

Widersprüchliche Signale des neuen Präsidenten

Nach dem Tod des langjährigen Diktators Islam Karimow 2016 und dem Amtsantritt seines Nachfolgers als Präsident, Schawkat Mirsijojew, verhält sich die usbekische Staatsführung in Bezug auf die Öffnung der Gesellschaft und die Pressefreiheit widersprüchlich. Mehrere zum Teil seit Jahrzehnten gefangen gehaltene Journalisten wurden freigelassen und die Menschen in Usbekistan können inzwischen soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube nutzen. Seit Mai 2019 sind kritische Webseiten wie die Deutsche Welle, Amerika ovozi (Voice of America), der usbekische Dienst der BBC oder eurasianet.org wieder zugänglich. Andere, etwa der usbekische Dienst von Radio Free Europe / Radio Liberty oder der kremlkritische Sender Doschd aus Russland, bleiben hingegen weiterhin gesperrt. 

In den vergangenen Jahren entstanden zahlreiche neue Online-Medien. Diverse Blogs in allen Regionen des Landes berichten über gesellschaftliche und politische Probleme – unter Karimow undenkbar. Im August 2019 betonte Präsident Mirsijojew die wichtige Rolle von Bloggerinnen und Bloggern, die die Reformen im Land mit ihrer Berichterstattung kritisch begleiteten und sagte ihnen seine Unterstützung zu. Er sprach in Samarkand vor internationalen Social-Media-Stars, die die usbekische Regierung öffentlichkeitswirksam eingeladen hatte, um das Image des Landes im Ausland zu verbessern und den Tourismus anzukurbeln

Bloggerinnen und Blogger im Visier 

Solche Äußerungen wirken allerdings oft wie reine Kosmetik. Wenige Tage nach Mirsijojews Rede in Samarkand wurde der 29-jährige Blogger Nodirbek Chodschimatow aus Schachrichan zu zehn Tagen Arrest verurteilt, weil er sich auf Facebook über korrupte Beamte in seiner Stadt beschwert hatte. Abdufatto Nuritdinow, populärer Blogger in der Stadt Asaka im Ferghana-Tal, saß im Januar 2020 zwei Wochen im Gefängnis und musste eine Geldstrafe von umgerechnet ca. 1.500 US-Dollar zahlen. Er hatte unter anderem über Zwangsarbeit bei der Baumwollernte und Korruption auf der unteren Beamtenebene berichtet. 

Internationale Aufmerksamkeit fand der Fall von Nafosat Ollaschukurowa aus Urganch im Westen Usbekistans. Sie hatte im September 2019 auf Facebook über den Journalisten Machmud Radschabow berichtet, der mit einem Protestmarsch auf ein Strafverfahren gegen ihn aufmerksam gemacht hatte. Ollaschukurowa wurde festgenommen und zehn Tage in Arrest gehalten. Als die Mutter zweier Kinder in der Isolationshaft in einen Hungerstreik trat, wurde sie in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen, aus der sie erst kurz vor Jahresende entlassen wurde. Im Januar verließ Ollaschukurowa das Land und lebt nun in der Ukraine.

Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht Usbekistan auf Platz 146 von 180 Staaten und hat sich damit seit dem Tod von Islam Karimow um 20 Plätze verbessert. Kirgistan steht auf Rang 82.



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