US-Medien in der Vertrauenskrise

Zeitungsstapel

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21.10.2020 - US-Präsident Donald Trump macht aus seiner Sicht auf die Medien seines Landes keinen Hehl: Die Presse sei „der Feind des Volkes“, weite Teile der US-Medienlandschaft bezeichnet er regelmäßig als „Fake News“, die Medien seien die Oppositionspartei. Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner teilen diese Sichtweise weitgehend, Demokratinnen und Demokraten lehnen sie übergehend ab. Dies zeigen mehrere kürzlich erschienene Studien, die einen Einblick in die tiefe Spaltung der amerikanischen Bevölkerung geben.

Weniger Vertrauen in die Medien

Das Vertrauen in die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten nimmt immer weiter ab. Das Umfrage-Unternehmen Gallup etwa hat den Trend über mehrere Jahrzehnte verfolgt: In den Siebzigerjahren sagten mehr als zwei Drittel der US-Amerikanerinnen und Amerikaner, dass sie den Massenmedien vertrauten. Während im Jahr 1999 noch deutlich über die Hälfte (55 Prozent) der US-Amerikanerinnen und Amerikaner Vertrauen in die Arbeit der Medien hatten, waren es 2019 nur noch 41 Prozent.

86 Prozent der Erwachsenen gehen laut einer im August 2020 veröffentlichten Studie von der Knight-Stiftung und Gallup davon aus, dass Nachrichten in den großen Zeitungen, TV- und Radiosendern  parteiisch gefärbt sind. Außerdem gehen die Menschen davon aus, dass gut ein Drittel der Nachrichten in TV, Radio und Zeitungen Falschinformationen sind. Eine große Sorge ist unter anderem auch, dass die Besitzerinnen und Besitzer von Medienunternehmen zu viel Einfluss auf die Berichterstattung nähmen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen zuletzt auch andere Studien – etwa eine umfangreiche Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center: Ein gutes Drittel der US-Amerikanerinnen und Amerikaner sagt demnach, dass Medienorganisationen der Demokratie schaden. Über die Hälfte sagt, dass Journalistinnen und Journalisten eigentlich kein Interesse an den Menschen hätten, über die sie berichten.

Das wachsende Misstrauen gegen Journalistinnen und Journalisten hat konkrete Auswirkungen auf deren Arbeit. Es wird schwieriger, Gesprächspartnerinnen und -partner zu finden. Anfeindungen im Netz, bei Kundgebungen oder auf offener Straße nehmen zu. Behörden gehen härter gegen Journalistinnen und Journalisten vor. Es gab in den vergangenen Jahren mehrere Mord- und Anschlagsdrohungen gegen Medienorganisationen. Im September wurden während der Waldbrände in Oregon Reporterinnen und Reporter von einer selbsternannten Bürgermiliz mit vorgehaltener Waffe von der Arbeit abgehalten.

Vor allem Konservative misstrauen den Medien

Besonders auffällig ist, wie sehr sich die Wahrnehmung von Medien zwischen den beiden politischen Lagern in den USA unterscheidet. In vielen Lebensbereichen haben sich die Ansichten von Anhängerinnen und Anhänger der Demokraten und der Republikaner in den letzten Jahren immer weiter voneinander entfernt. Diese Polarisierung zeigt sich auch, wenn es darum geht, wie die Menschen in den USA die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten wahrnehmen.

Das Misstrauen gegenüber Medien ist wesentlich größer bei Menschen, die den Republikanern nahe stehen. In der Studie von Gallup und Knight-Stiftung sagten 71 Prozent der Republikanerinnen und Republikaner, dass sie Nachrichtenmedien ablehnend gegenüberstehen. Bei den Demokratinnen und Demokraten sagten das nur 22 Prozent. Unter Menschen, die sich keiner Partei zuordnen, haben 52 Prozent eine negative Haltung gegenüber Medien.

Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center hat 2019 außerdem untersucht, wie die Haltung gegenüber Medien mit der Haltung gegenüber Präsident Donald Trump zusammenhängt: Demnach ist die Ablehnung gegenüber Medien umso stärker, je mehr jemand von der Arbeit des Präsidenten überzeugt ist.

Eine große Mehrheit der Menschen in den USA stimmen der Aussage zu, dass die etablierten Medien von Politikerinnen und Politikern angegriffen werden. Die beiden Lager bewerten diese Angriffe jedoch sehr unterschiedlich: Nur 16 Prozent der Demokraten halten die Angriffe für gerechtfertigt, aber fast zwei Drittel der Republikanerinnen und Republikaner. 79 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner sagen, dass Journalistinnen und Journalisten geringe oder sehr geringe ethische Standards haben. Unter Demokraten sagen das nur 35 Prozent.

Unter Republikanerinnen und Republikanern hat das Misstrauen gegenüber den etablierten Medien in den vergangenen Jahren stärker zugenommen, während die Haltung von Demokratinnen und Demokraten eher stabil geblieben ist. Das Misstrauen von Republikanern hat außerdem besonders stark gegenüber CNN, Washington Post und New York Times zugenommen – allesamt Medienhäuser, die Präsident Trump sehr häufig angreift.

Gespaltenes Land – gespaltene Medienlandschaft

Eher liberale und eher konservative Menschen bewerten die Arbeit von Medien sehr unterschiedlich. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass die unterschiedlichen Lager sehr unterschiedliche Medien nutzen. Die Wahrnehmung von Medien als entweder liberal oder konservativ ist in den vergangenen Jahren gewachsen, nur noch sehr wenige Sender und Zeitungen finden sowohl links als auch rechts der Mitte Vertrauen. Klassische Massenmedien, die als verbindendes Element eine gemeinsame Wahrnehmung der Wirklichkeit schaffen könnten, gibt es so gut wie keine mehr.

Das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center hat untersucht, welchen Medien die Menschen in den jeweiligen politischen Lagern besonders stark vertrauen: Unter Menschen, die den Demokraten nahe stehen, genießen der Kabelsender CNN (67 Prozent), die klassischen TV-Senderketten NBC, ABC und CBS (rund 60 Prozent), der nichtkommerzielle Sender PBS (57 Prozent) sowie die New York Times (53 Prozent) besonders großes Vertrauen. Menschen, die den Republikanern nahestehen, vertrauen dagegen vor allem dem Kabelsender Fox News (65 Prozent). Erst weit abgeschlagen, mit wesentlich geringeren Vertrauenswerten, folgen dann die klassischen Fernsehsender ABC, CBS und NBC (rund 30 Prozent).

Auffällig ist dabei, dass die Bevölkerung links der Mitte insgesamt einer größeren Vielfalt von Quellen vertraut, während bei der Bevölkerung rechts der Mitte Fox News klar dominiert. Eine Medienorganisation, die bei einer Mehrheit der gesamten Bevölkerung Vertrauen genießt, existiert nicht - am ehesten erfüllen diese Rolle noch die drei traditionsreichsten TV-Sender ABC, CBS und NBC mit ihren Nachrichtensendungen. Ihnen vertrauen jeweils knapp unter 50 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Nicht nur der „Trump-Faktor“

Der Vertrauensverlust in Medien und die Polarisierung des Medienmarktes waren schon vor der Präsidentschaft von Trump erkennbar. Aber Trump hat diese Entwicklungen verstärkt wie kein anderer vor ihm. Zum Beispiel zeigt eine Pew-Studie von 2014, dass schon zwei Jahre vor der Wahl von Donald Trump die Haltungen von Demokraten und Republikanern gegenüber Medien auseinander drifteten. Der Vorwurf, dass Medien eher linke Positionen befürworten, fand bereits in den 1990er-Jahren große Verbreitung, verbunden mit dem Aufstieg konservativer Talk-Radio-Formate wie „The Rush Limbaugh Show“.

Seit der Gründung der USA gab es Auseinandersetzungen zwischen Präsidenten und Journalistinnen und Journalisten: Von Thomas Jeffersons Klagen über Unwahrheiten und Boshaftigkeit der Zeitungen über Konflikte um den Vietnam-Krieg oder den Watergate-Skandal bis hin zu Präsident Barack Obamas Vorgehen gegen Whistleblowerinnen und Whistleblower wie Chelsea Manning oder Edward Snowden.

Viele US-Amerikanerinnen und Amerikaner sehen den Konflikt zwischen Präsident Trump und den Medien kritisch. Laut einer weiteren Umfrage des Pew-Forschungszentrums sind über 70 Prozent der US-Amerikanerinnen und Amerikaner der Meinung, dass es durch diesen Konflikt schwerer ist, an politisch relevante Nachrichten zu kommen.

Während 80 Prozent der US-Amerikanerinnen und Amerikaner den Medien zumindest eine Mitschuld an der politischen Spaltung des Landes geben, sehen viele in der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten auch eine Chance, das Land wieder zu einen. Eine große Mehrheit der US-Amerikanerinnen und Amerikaner hält Pressefreiheit für sehr wichtig. Und selbst über die politischen Lagergrenzen hinweg sind sich die Menschen einig, dass unabhängige Medien für die Demokratie wichtig sind, unter anderem indem sie korrekt und ausgewogen berichten, indem sie die Bevölkerung über öffentliche Angelegenheiten informieren und indem sie die Mächtigen kontrollieren.

Timo Metzger

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