Aus: Fotos für die Pressefreiheit 2022

Lage der Pressefreiheit in Großbritannien

Nirgendwo im Vereinigten Königreich leben Medienschaffende so gefährlich wie in Nordirland, viele wagen nicht mehr, investigativ zu berichten. Ein gefährliches Signal an alle Whistleblower ist die mögliche Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA.

Anfang Februar lief in der investigativen BBC-Dokumentarfilmreihe „Panorama“ eine Sendung über die Rolle des mutmaßlichen Verbrecherbosses Daniel Kinahan in der Boxwelt. Ein BBC-Team hatte zu kriminellen Zusammenhängen von Sport, Drogen- und Waffenhandel in ganz Europa recherchiert. Kinahan, der offiziell in Dubai lebt, gilt als Chef eines der größten und brutalsten Drogenkartelle Europas, das von der irischen Insel aus operiert. 

Kurz nach der Sendung erhielt der für die Recherche verantwortliche Reporter Morddrohungen. Die Polizei brachte ihn und seine Familie sofort in Sicherheit. Wenig zuvor musste die investigative Journalistin Patricia Devlin in Belfast untertauchen, weil eine pa­ra­militärische Untergrundbewegung ihr Leben bedrohte. Im Februar tauchten in der nordirischen Hauptstadt mehrere Graffitis auf, die Devlins Namen neben einem Fadenkreuz zeigten. Zudem gab es pauschale Drohungen gegen alle Mitarbeiter der Zeitungen Sunday Life und Sunday World, für die Journalistin arbeitet. 

Immerhin ergaben sich zuletzt wichtige Fortschritte bei der Aufklärung des Todes der Journalistin Lyra McKee. Sie war 2019 bei Unruhen im nordirischen Derry erschossen worden. Im September 2021 wurden zehn Männer festgenommen und acht von ihnen angeklagt – drei wegen Mordes an der 29-Jährigen. 

Reporter ohne Grenzen (RSF) sieht hier dennoch einen alarmierenden Trend: Aufgrund von Einschüchterungen und weil die Täter oft straflos ausgehen, lassen sich viele Journalisten davor abschrecken, weiterhin über organisierte Kriminalität zu berichten. 

Zudem verurteilt RSF die Entscheidung des britischen High Court, das im Dezember die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA erlaubt hat. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft wegen Spionage. Mehrere Sachverständige bescheinigten Assange eine ernsthafte Suizidgefahr. RSF fordert seine unverzügliche Freilassung: Die US-Regierung sollte sich an ihre selbst auferlegten Verpflichtungen zum Schutz der Medienfreiheit halten und den mehr als ein Jahrzehnt andauernden Prozess gegen Assange endgültig aufgeben.

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