Pressefreiheit in China

Wie viel Kritik erlaubt ist, bestimmt die Partei

In und aus China zu berichten, war noch nie einfach. Aber in den vergangenen zwei Jahren hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Das fing mit der Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo 2010 an. Die chinesische Regierung empfand diesen Preis als Beleidigung. Berichterstattung über Liu Xiaobo war nicht erwünscht. Ausländischen Journalisten wurde gedroht ihre Visa nicht zu verlängern. 


Im Februar 2011 riefen Blogger – inspiriert durch die Umbrüche in arabischen Ländern – im Internet zu einer chinesischen „Jasmin-Revolution“ auf. Die Polizei verhinderte diese Proteste mit einem Großaufgebot an Beamten und ging rigoros gegen Reporter vor, die darüber berichten wollten. Unser Kamerateam und zahlreiche andere Journalisten wurden festgenommen und stundenlang festgehalten. Vereinzelt wurden Journalisten verprügelt. Später wurden wir nochmals einzeln zur Polizei einbestellt. Die Beamten haben versucht uns einzuschüchtern und damit gedroht, unsere Visa nicht zu verlängern. Die Medienkontrolle hat seither eine neue Qualität erreicht. Die Regierung versucht gezielt, Einfluss darauf zu nehmen, was berichtet wird.

Am stärksten stehen aber nicht wir Auslandskorrespondenten unter Druck, sondern die chinesischen Kollegen in unserem Team. Sie werden regelmäßig „zum Tee eingeladen“, wie es hier heißt, wenn jemand zum Verhör einbestellt wird. Man fordert sie auf, uns auszuspionieren oder droht ganz unverhohlen, ihre Familien könnten Probleme bekommen, wenn sie bestimmte Geschichten recherchieren.

Wir müssen außerdem sehr vorsichtig sein, damit wir Gesprächspartner durch unsere Berichte nicht in Gefahr bringen. Man kann nie genau wissen, welche Folgen es für jemanden hat, uns als ausländischem Sender ein Interview zu geben. Wenn wir bei Recherchen ganz offensichtlich beschattet wurden, habe ich deshalb auch schon Termine abgesagt.

In der Berichterstattung hier gibt es ganz klare Tabu-Themen. Die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Tienanmen-Platz 1989 zum Beispiel – wer Opfer der Bluttat oder Angehörige sprechen will, bekommt mit Sicherheit Probleme. Auch über religiöse Themen wie die Verfolgung der Falun-Gong-Bewegung oder christliche Hauskirchen kann man nur schwer berichten. Und Tibet ist nach wie vor ein für Journalisten gesperrtes Gebiet. Als ich über Selbstverbrennungen tibetischer Mönche berichtete, beschwerten sich die Behörden hinterher bei meinem Vorgesetzten in Deutschland und forderten ihn auf, mich wegen unangemessener Berichterstattung zu ermahnen.

Bei anderen Themen dagegen weiß man nie genau, wie weit man gehen kann. Wir haben kürzlich in einem Dorf zu illegalen Landenteignungen recherchiert. Als ein Kollege wenig später an diesen Ort fahren wollte, wurde er von angeheuerten Schlägern daran gehindert. Er wurde bedroht und seine Ausrüstung demoliert. Was heute erlaubt ist, kann morgen schon verboten sein.
Dennoch gibt es sehr viele kritische Journalisten hier im Land. In den kleineren, aufgeschlossenen Zeitungen oder im Internet probieren sie immer wieder aus, wie weit sie gehen können. Nicht jede Kritik ist verboten – aber wie viel Kritik erlaubt ist, bestimmt die Partei. Missstände sollen durchaus diskutiert werden, teilweise fördert die Regierung das sogar. Aber wer als Journalist das System oder die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei infrage stellt, kann für Jahre ins Gefängnis kommen.

Die sozialen Netzwerke im Internet tragen sehr viel dazu bei, Informationen zu verbreiten. Da diskutieren in kürzester Zeit Tausende über Korruption oder das Versagen der Behörden und können damit durchaus etwas bewegen. Nach dem schweren Zugunglück im vergangenen Jahr etwa waren es Mikroblogger, die immer weiter nachbohrten. Mittlerweile müssen sich Mitarbeiter des Eisenbahnministeriums vor Gericht verantworten. Andere Blogger sammeln Fotos von Beamten, die teure ausländische Uhren tragen, und prangern damit die allgegenwärtige Korruption an.

Christine Adelhard, ARD-Studio Peking

nach oben